Dipl.-Kfm. Thomas Scholz, Dipl.-Kfm. Frederik Hegmanns
A. Überblick
Rn. 1
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Das HGB sieht für kap.-marktorientierte KapG und denen qua § 264a gleichgestellte haftungsbeschränkte PersG strengere Anforderungen an die RL vor als für nicht kap.-marktorientierte UN. Vor Inkrafttreten des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) vom 25.09.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102ff.) haben die entsprechenden Vorschriften des HGB für Zwecke der Begriffsabgrenzung unmittelbar auf § 2 WpHG Bezug genommen. Durch den im Zuge des BilMoG eingefügten § 264d enthält das HGB seither eine Legaldefinition des Begriffs "Kap.-Marktorientierung" (vgl. Zwirner, KoR 2010, S. 1ff.). Dadurch entfiel in den betreffenden handelsrechtlichen Vorschriften jeweils der Verweis auf das WpHG. Gemäß RegB resultiert daraus eine erhebliche Verkürzung und bessere Lesbarkeit betreffender Vorschriften (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 63; BeckOGK-HGB (2022), § 264d, Rn. 2). So wird bspw. in den §§ 267 Abs. 3 Satz 2, 286 Abs. 3 Satz 3, 289 Abs. 4, 289b Abs. 1, 293 Abs. 5, 313 Abs. 3 Satz 3, 315 Abs. 4, 316a Satz 2 Nr. 1 sowie 325 Abs. 4 Satz 1 unmittelbar auf § 264d verwiesen. Unter Praktikabilitätsgesichtspunkten ist diese (Neu-)Regelung als sinnvoll zu beurteilen. Die Legaldefinition hat(te) keinerlei materielle Änderungen zur Folge.
B. Anwendungsbereich von § 264d
Rn. 2
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Die Vorschrift betrifft KapG, mithin AG, GmbH, KGaA, SE sowie die ihnen gleichgestellten PersG i.S.v. § 264a, wenn Wertpapiere des betroffenen UN zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind oder bereits ein entsprechender Zulassungsantrag gestellt wurde (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 264d HGB, Rn. 1). Nicht unmittelbar erfasst von § 264d werden hingegen die übrigen PersG, Einzelkaufleute und eG, auch wenn sie einen organisierten Kap.-Markt in Anspruch nehmen. Indes nehmen das PublG ebenso wie das GenG an verschiedenen Stellen Bezug auf § 264d (vgl. etwa die §§ 5 Abs. 2a, 13 Abs. 3 Satz 2 PublG sowie bedingt § 36 Abs. 4 und § 38 Abs. 1a GenG). Nimmt ein TU einen organisierten Markt durch von ihm ausgegebene Wertpapiere in Anspruch, wird ein MU dadurch nicht zu einer kap.-marktorientierten KapG, "obwohl einige Regelungen in dieser Konstellation auch auf den KA des MU ‚abfärben’" (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 264d HGB, Rn. 1 (auch Zitat); MünchKomm. HGB (2024), § 264d, Rn. 3).
Eine aktuelle Übersicht der i. S. v. § 264d als kap.-marktorientierte KapG eingestuften deutschen UN kann auf der Internetseite der BaFin eingesehen werden (vgl. https://tinyurl.com/4kj3p8td). Diese Gesamtliste umfasst zwar auch ausländische Gesellschaften, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind; als erster Anhaltspunkt für die Eigenschaft der "Kap.-Marktorientierung" ist die Liste aber gleichwohl sehr gut geeignet.
C. Begriffskonstitutive Merkmale
I. Organisierter Markt
Rn. 3
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Ein organisierter Markt i. S. d. § 2 Abs. 11 WpHG ist ein im "Inland [Herv. d. d. Verf.], in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betriebenes oder verwaltetes, durch staatliche Stellen genehmigtes, geregeltes und überwachtes multilaterales System, das die Interessen einer Vielzahl von Personen am Kauf und Verkauf von dort zum Handel zugelassenen Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach nicht diskretionären Bestimmungen [Herv. d. d. Verf.] in einer Weise zusammenbringt oder das Zusammenbringen fördert, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt."
Die Voraussetzungen eines organisierten Markts erfüllt in Deutschland der regulierte Markt gemäß der §§ 32ff. BörsG, der seit den Änderungen durch das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 16.07.2007 (BGBl. I 2007, S. 1330ff.) an die Stelle der früheren Marktsegmente "Amtlicher Markt" und "Geregelter Markt" getreten ist (vgl. MünchKomm. HGB (2024), § 264d, Rn. 4). Als organisierte Märkte gelten nach der im Zuge des Zweiten Finanzmarktnovellierungsgesetzes (2. FiMaNoG) vom 23.06.2017 (BGBl. I 2017, S. 1693ff.) vollzogenen Änderung des § 2 Abs. 11 WpHG in Deutschland vornehmlich die durch nicht diskretionäre (vormals: festgelegte) Bedingungen – d. h. "ohne, dass den Parteien dabei ein Entscheidungsspielraum verbleibt, ob sie im Einzelfall das Geschäft mit einem bestimmten Vertragspartner eingehen wollen" (BT-Drs. 16/4028, S. 56f.; BeckOGK-HGB (2023), § 264d, Rn. 17) – regulierten Märkte an den Regionalbörsen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt (General Standard, Prime Standard), Hamburg, Hannover, München, Stuttgart und die Terminbörse EUREX. Kein organisierter Markt ist hingegen der privatrechtlich organisierte Freiverkehr. Hierunter fallen auch der "Entry Standard" der FWB sowie das Marktsegment M:access der Börse München (vgl. auch NWB HGB-Komm. (2023), § 264d, Rn. 3).
Rn. 4
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Unter den Begriff der organisierten Märkte fallen auch die im Ausland gelegenen regulierten Märkte i. S. d. § 2 Abs. 11 WpHG bzw. Art. 4 Nr. 55 lit. b) der R 2014/65/EU (ABl. EU, L 173/349ff. vom 12.06.2014). Ein Verzeichn...