Tz. 269
Weil das HGB eigene Anspruchsgrundlagen aus Bilanzmanipulation nicht kennt, lässt sich eine Haftung regelmäßig nur auf die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Anspruchsgrundlagen und insbesondere auf die Rechtsfigur der Haftung aus unerlaubter Handlung nach § 823 BGB stützen. Da durch die Bilanzmanipulation in aller Regel nicht in das Eigentum des Geschädigten eingegriffen wird, sondern nur in dessen Vermögen, scheidet ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB aus und es kommt nur ein Anspruch aus Verletzung eines Schutzgesetzes in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB in Betracht. Allerdings stellt die Rechtsprechung insoweit hohe Anforderungen auf. Ein Schutzgesetz liegt nur dann vor, wenn die Schaffung eines individuellen Schadenersatzanspruches von dem Gesetz erstrebt wird oder zumindest im Rahmen des haftpflichtrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint. Diese Anforderungen werden von den Buchführungsvorschriften des HGB-Bilanzrechts nicht erfüllt, weshalb ihre Verletzung keinen Haftungsgrund darstellt. Anders verhält es sich mit den Straftatbeständen sowohl des HGB (§§ 331 ff. HGB, allerdings nur, soweit Täter eine Kapitalgesellschaft ist) als auch des StGB (alle Kaufleute), die zuvor behandelt wurden. Wird einer dieser Straftatbestände vollendet, kommt eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit diesem Straftatbestand in Betracht. Der Geschädigte kann Schadensersatz gemäß § 249 BGB verlangen. Dabei ist allerdings auf den Schutzzweck der Norm zu achten. So schützt § 64 Abs. 1 GmbHG (Konkursantragspflicht) nur den Gesellschaftsgläubiger und nur, wenn er erst nach der Überschuldung Gläubiger wurde. Weiterhin bezweckt die Norm, dem Gläubiger eine hohe Konkursquote zu sichern, nicht aber, ihn überhaupt vor einem Geschäft mit der überschuldeten Gesellschaft zu bewahren. Darüber hinaus kommt eine Haftung wegen Verletzung von Bilanzierungspflichten auch aus anderen Anspruchsgrundlagen in Betracht, etwa wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB) oder wegen Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§ 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Und schließlich kann eine Haftung von Organmitgliedern oder Berufsträgern eingreifen, etwa des GmbH-Geschäftsführers nach § 43 GmbHG, des Vorstands der AG nach § 93 AktG, des Aufsichtsrats der AG nach § 116 AktG, des Vorstands der Genossenschaft nach § 34 GenG oder des Wirtschaftsprüfers und des Steuerberaters (§ 323 HGB).
Tz. 270
Eigene Haftungstatbestände enthält das Steuerrecht. Eine steuerrechtliche Haftung aus Bilanzmanipulationen kommt insbesondere bei Pflichtverletzung (§ 69 AO) und bei Steuerhinterziehung oder -hehlerei (§ 71 AO) in Betracht. Ferner kann eine steuerliche Fremdhaftung den Erwerber eines Handelsgeschäfts im Falle der Firmenfortführung (§ 25 HGB), den Erben des Handelsgeschäfts im Fall des Erwerbs durch Rechtsnachfolge von Todes wegen (§ 27 HGB) oder den als Gesellschafter in ein Handelsgeschäft Eintretenden (§ 28 HGB) treffen.