Tz. 99
Erhebliche praktische Bedeutung für den Jahresabschluss und seine Prüfung durch den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer (§§ 316 ff. HGB) haben die Standards des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW). Von normativer Bedeutung sind dabei die IDW Prüfungsstandards (IDW PS) und die IDW Standards (IDW S) mit Regelungen zu den anderen Tätigkeitsgebieten der Wirtschaftsprüfer. Über die Rechtsnatur dieser Standards und ihre rechtliche Relevanz besteht Uneinigkeit. Das IDW selbst betont die besondere Bedeutung der Prüfungsstandards. Würden die Standards vom Prüfer nicht beachtet, ohne dass dafür gewichtige Gründe vorlägen, sei damit zu rechnen, dass eine solche Abweichung von der Berufsauffassung zum Nachteil des Prüfers ausgelegt werden könne. Allerdings ist mit dieser Einschätzung nichts über die Rechtsqualität der Standards gesagt. Andere meinen, dass die IDW Prüfungsstandards als fachtechnische Prüfungsnormen eine faktische Bindungswirkung entfalten. Wieder andere sehen in den Standards nur einen Beitrag sachkundiger Wirtschaftsprüfer zur Formulierung der in § 317 HGB nicht ausformulierten Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung. Auch in der Rechtsprechung finden sich unterschiedliche Positionen. In einer Entscheidung des LG Frankfurt a. M. heißt es, die in den Prüfungsstandards enthaltenen Berufsgrundsätze und Berufsauffassungen würden den Pflichtenkreis des Abschlussprüfers bestimmen. Hingegen hat das AG Duisburg entschieden, dass eine Stellungnahme des IDW nicht kraft besonderer Autorität die gerichtliche Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift verdrängen könne.
Tz. 100
Diese Debatte soll hier nicht vertieft werden. Nach zutreffender Auffassung kann den Standards des IDW keine Rechtsnormqualität beigemessen werden, denn das IDW hat keinerlei hoheitliche Befugnisse und ist – anders als das DRSC –auch nicht von einem Hoheitsträger anerkannt. Ebenso wenig sind die Standards per se Gewohnheitsrecht, was nicht ausschließt, dass sie Gewohnheitsrecht wiedergeben. Eine rechtliche Bindungswirkung entfalten sie allein auf satzungsrechtlicher Grundlage im Verhältnis des IDW zu seinen Mitgliedern. Von der rechtlichen Bindungswirkung zu unterscheiden ist die praktische bzw. faktische Wirkung, wobei insoweit nicht von einer "Bindungs"-Wirkung gesprochen werden sollte, weil dadurch die Abgrenzung zur Rechtsbindung verschwimmt. Hier wird man wohl in der Regel, nicht hingegen automatisch, davon ausgehen können, dass die Standards wegen der Reputation des IDW eine autoritative Wirkung entfalten.