Tz. 14

Der wesentliche Treiber der Bilanzrechtsentwicklung blieb auch nach der Reform von 1986 zunächst vor allem die europäische Rechtsharmonisierung.[21] Aus dem umfangreichen Harmonisierungsprogramm und den dazu ergangenen deutschen Umsetzungsmaßnahmen seien im Folgenden nur die wichtigsten in chronologischer Folge genannt.

 

Tz. 15

Mit der Elften Richtlinie von 1989[22] wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass im Binnenmarkt für grenzüberschreitende Unternehmensaktivitäten immer häufige Zweigniederlassungen in anderen EG-Mitgliedstaaten errichtet wurden. Die Richtlinie erweitert den Kreis der offenlegungspflichtigen Unternehmen, indem verlangt wird, dass Zweigniederlassungen die am Ort der Hauptniederlassung offenzulegenden Unterlagen der Hauptniederlassung grundsätzlich auch am Ort der Zweigniederlassung offenlegen müssen (Art. 1 Abs. 1). Die gleiche Pflicht trifft so genannte Drittstaaten-Gesellschaften, also Gesellschaften mit Sitz in einem Staat außerhalb der EU bzw. des EWR (Art. 7 Abs. 1).

 

Tz. 16

Schon bald erwies sich, dass die Ausklammerung der GmbH & Co . aus dem BiRiLiG verfehlt war.[23] Denn die GmbH & Co. ist keine bloße Personenhandelsgesellschaft, sondern sachlich der GmbH nahe stehend. Es besteht ein vergleichbarer Gläubigerschutzbedarf. Die Abschlusspublizität ist bei der GmbH & Co. in gleicher Weise Korrelat der Marktteilnahme des Unternehmens und schafft zugleich einen Ausgleich für die Haftungsbeschränkung.[24] Obgleich die GmbH & Co. der Sache nach in den Regelungsbereich der Vierten Richtlinie fällt, sah sich der europäische Gesetzgeber zur Klarstellung veranlasst und bezog mit der GmbH & Co.-Richtlinie von 1990[25] ausdrücklich solche Personengesellschaften (OHG, KG), bei denen die Komplementäre ausschließlich Kapitalgesellschaften oder Kapitalgesellschaften und Co. i. S. d. Vierten EG-Richtlinie sind, in den Anwendungsbereich der Vierte und Siebente Richtlinie ein, sofern der persönlich haftende Gesellschafter eine AG oder GmbH ist. Die Umsetzung wurde allerdings in Deutschland vertragswidrig bis 1999 verzögert, und es bedurfte schließlich einer Klage vor dem EuGH,[26] um die Umsetzung durch das KapCoRiLiG im Jahre 2000 zu erzwingen.[27] Im Gegenzug zu dieser Ausdehnung schaffte die Mittelstandsrichtlinie von 1990[28] Erleichterungen zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen durch Anhebung der Größenmerkmale und Einführung weiterer Wahlrechte der Mitgliedstaaten.

 

Tz. 17

Ebenfalls recht schnell erkannt wurde die Notwendigkeit, für Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen ergänzend zu den allgemeine Rechnungslegungsvorschriften spezielle Vorschriften zu schaffen, was dann mit der Bankbilanzrichtlinie von 1986[29] und der Versicherungsbilanzrichtlinie von 1991[30] nachgeholt wurde.

 

Tz. 18

Das Ziel der europäischen Harmonisierung wurde allerdings durch die verschiedenen Richtlinien noch nicht erreicht. Zugleich erwiesen sich die Vierte und die Siebente Richtlinie unter dem internationalen Einfluss der US GAAP und der IFRS als stark überholungsbedürftig. Da man feststellen musste, dass es wegen der grundlegenden Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zu einer einheitlichen europäischen Rechnungslegung auf absehbare Zeit nicht kommen würde, und da der Druck der internationalen Kapitalmärkte immer größer wurde, griff man auf die Internationalen Rechnungslegungsstandards zurück. Durch die IAS-Verordnung von 2002[31] wurde vorgeschrieben, dass kapitalmarktorientierte Gesellschaften ihre konsolidierten Abschlüsse nach IFRS erstellen müssen. Darüber hinaus wurden den nationalen Gesetzgebern mit der IAS-Verordnung weitere Optionen eröffnet. So haben die Mitgliedstaaten ein Wahlrecht in Bezug auf Jahresabschlüsse und hinsichtlich nicht kapitalmarktorientierter Gesellschaften. Die Mitgliedstaaten können gestatten oder vorschreiben, dass kapitalmarktorientierte Gesellschaften ihre Jahresabschlüsse und nicht kapitalmarktorientierte Gesellschaften ihre konsolidierten Abschlüsse bzw. ihre befreienden Einzelabschlüsse nach IFRS aufstellen.[32] Da allerdings die IFRS ihrer Natur nach kein hoheitlich gesetztes Recht sind, sondern von einem privaten Gremium formuliert und veröffentlicht werden (vgl. Tz. 106 ff., 113 ff.), musste ein eigenes Umsetzungsverfahren geschaffen werden, das sog. Endorsement. Jeder einzelne Standard wird in diesem Verfahren einer Prüfung auf Vereinbarkeit mit dem EU-Recht unterzogen. Im positiven Fall wird der Standard (in der Regel aus Gründen der Ökonomie mehrere Standards zusammengefasst) durch ein Verordnung "endorsed" und damit für diejenigen Unternehmen, die nach IFRS bilanzieren müssen, verbindlich.

 

Tz. 19

Den nächsten bedeutenden Entwicklungsschritt markierte das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) von 2004.[33] Mit ihm wurde ein ganzes EU-Maßnahmenpaket in das deutsche Recht umgesetzt. Ziel des BilReG war es, die Bilanzregeln weiterzuentwickeln und internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen anzupassen, ferner die Rolle der Abschlussprüfer zu stärken und schließlich ...

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