Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 274
Inwieweit sich § 271 Abs. 2 HGB auf § 290 HGB bezieht, ist umstritten. Auf die Rechtsform der abhängigen Gesellschaft kommt es dabei nicht an. Jedoch ist es fraglich, ob die beherrschende Gesellschaft §§ 264, 264a HGB unterfallen muss oder auch eine andere Rechtsform haben kann. Der Wortlaut ist recht eindeutig und lässt nur erstere Sichtweise zu, weil er eindeutig auf § 290 HGB verweist. Gleichwohl hat eine starke Sichtweise in der Literatur dafür plädiert, § 271 Abs. 2 HGB von der Möglichkeit eines Konzernabschlusses zu entkoppeln. So wie der Wortlaut der Vorschrift selbst zu Diskussionen Anlass gibt, wird auch über eine Auslegung von Art. 41 der 7. EG-Richtlinie gestritten. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr (eher beiläufig) die Sichtweise der ersten Meinung bestätigt und § 271 Abs. 2 HGB nur dann für anwendbar erklärt, wenn beide Gesellschaften überhaupt in einen Konzernabschluss einbezogen werden können. Ist das jedoch möglich, kommt es nicht auf die tatsächliche Aufstellung eines Konzernabschlusses an.
Tz. 275
Der Begriff des verbundenen Unternehmens liegt auch §§ 15 ff. AktG zugrunde. Dort werden verbundene Unternehmen vorausgesetzt. Es ermangelt einer gesetzlichen Definition, die durch die Rechtsprechung im Laufe der Zeit jedoch entwickelt worden ist. Danach ist ein Gesellschafter Unternehmer im Sinne der §§ 15 ff. AktG, wenn neben der Beteiligung an der AG (bzw. Gesellschaft) eine anderweitige wirtschaftliche Interessenverbindung hinzutritt, die nach Art und Umfang ernsthafte Sorge begründet, der Gesellschafter könne wegen dieser Bindung seinen aus der Mitgliedschaft folgenden Einfluss auf die AG nachteilig ausüben.
Tz. 276
§§ 15 ff. AktG und § 271 Abs. 2 HGB sind durch die Bezugnahme von § 271 Abs. 2 HGB auf § 290 HGB sehr unterschiedlich. Von §§ 15 ff. AktG erfasst, von § 271 Abs. 2 HGB hingegen nicht erfasst sind die folgenden Formen eines herrschenden Unternehmens: Ausländische Gesellschaften, Personengesellschaften mit natürlicher Person als unbeschränkt haftendem Gesellschafter, Gebietskörperschaften sowie Gleichordnungskonzerne. Auch unternehmenstragende Stiftungen sind ausgeschlossen, obwohl sie zwar bei Betrieb eines Gewerbes gem. § 1 Abs. 2 HGB buchführungspflichtig sind gem. §§ 238 ff. HGB, nicht aber von §§ 264, 264a HGB erfasst werden. Konzernspitze im Sinne von § 15 AktG können sie jedoch sein. Verlangt man für § 271 Abs. 2 HGB sogar die Einbeziehung in die Konzernrechnungslegung, wird die Divergenz zwischen §§ 15 ff. AktG und § 271 Abs. 2 HGB noch größer. Hingegen hat § 271 Abs. 2 HGB durch das BilMoG mit den Zweckgesellschaften gem. § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB auch einen Anwendungsbereich erhalten, der nicht von §§ 15 ff. AktG erfasst wird. Daher steht bei Anwendung einer handelsbilanzrechtlichen Vorschrift mit dem Begriff des "verbundenen Unternehmens" immer wieder in Frage, ob auf § 271 Abs. 2 HGB oder §§ 15 ff. AktG abzustellen ist. Für § 319 Abs. 3 HGB hat der BGH diese Frage zugunsten von § 271 Abs. 2 HGB geklärt; der CEO der amerikanischen Muttergesellschaft – zugleich in Deutschland als Abschlussprüfer zugelassen – durfte den Jahresabschluss der deutschen Tochtergesellschaft prüfen. Bei § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB ist es umstritten und bislang ungeklärt, auf welchen Tatbestand für das verbundene Unternehmen abzustellen ist. Die Erwähnung der verbundenen Unternehmen erklärt sich mit der Vorlagepflicht von Dokumenten gem. § 320 Abs. 2 HGB. Konsequenz muss dann auch die Beschränkung auf die nach dieser Vorschrift verpflichteten Unternehmen sein. Somit bezieht sich § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB auf § 271 Abs. 2 HGB. Auch die Strafbarkeitsvorschrift des § 331 Nr. 4 HGB bezieht sich auf § 271 Abs. 2 HGB, weil andernfalls bedenkliche Nähe zur verbotenen Analogie bestünde.
Tz. 277
Für die Praxis sollte die bislang so umstrittene Frage zum Verständnis der verbundenen Unternehmen durch die Grundsatzentscheidung des BGH (BGHZ 159, 234) zugunsten eines autonomen bilanzrechtlichen Begriffs der verbundenen Unternehmen geklärt sein. Dass diese Lösung evtl. wenig glücklich ist, steht auf einem anderen Blatt und kann nur durch eine gesetzgeberische Klarstellung gelöst werden. Auch für Fragen zu Ausweispflichten (z. B. Forderungen oder Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen) ist § 271 Abs. 2 HGB heranzuziehen. Bestehende Risiken können gem. § 265 Abs. 5 HGB durch einen "Davon-Vermerk" kenntlich gemacht werden.