Dr. Falk Mylich, Dr. Thilo Schülke
Tz. 62
Bei fehlerhaften Jahresabschlüssen ist danach zu differenzieren, ob der Fehler so gewichtig ist, dass der Jahresabschluss gem. § 256 Abs. 1 bis Abs. 5 AktG nichtig ist oder ob der Fehler nicht so gewichtig ist, dass eine Nichtigkeit angenommen werden muss. Kein Fehler liegt vor, wenn der Jahresabschluss unter Verkennung von Tatsachen aufgestellt und festgestellt worden ist, die für einen sorgfältigen Geschäftsleiter nicht erkennbar waren (subjektiver Fehlerbegriff) (vgl. Tz. 21 ff.). Der Umgang mit nichtigen Jahresabschlüssen ist abzugrenzen von der anderweitigen Korrektur von Jahresabschlüssen. Ein gem. § 256 AktG nichtiger Jahresabschluss zeichnet sich dadurch aus, dass ein vermeintlicher Jahresabschluss festgestellt worden ist. Ein Jahresabschluss kann auch vor dem angestrebten Feststellungsbeschluss oder nach einem wirksamen Feststellungsbeschluss geändert werden. Auf diese Konstellationen wird im Anschluss eingegangen (vgl. Tz. 70 ff.). Leidet der Jahresabschluss an einem zur Nichtigkeit führenden Mangel, wurde er aber noch nicht angefochten bzw. ist darüber noch nicht rechtskräftig entschieden worden, kann er nur wie ein rechtlich zulässiger Jahresabschluss geändert werden.
Tz. 63
Ist der Jahresabschluss nichtig, ist gem. § 253 Abs. 1 Satz 1 AktG der Gewinnausschüttungsbeschluss auch nichtig. In der Konsequenz davon haben die Aktionäre den bezogenen Gewinn gem. § 62 AktG zu erstatten (vgl. Kapitel 20 Tz. 52). Ab dem Zeitpunkt der Heilung beruhen Feststellungsbeschluss, Gewinnverwendungsbeschluss und Dividendenauszahlung auf gesicherter Grundlage, sodass ein Anspruch aus § 62 AktG entfällt.
Tz. 64
Nach Feststellung der Nichtigkeit ist der Jahresabschluss neu aufzustellen, weil er bislang nicht existiert hat. Weil es für Fragen der Wertaufhellung allein auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses ankommt (vgl. Tz. 28), ist es entscheidend, ob Umstände aus dem Geschäftsjahr, für das der Jahresabschluss neu aufgestellt wird, noch bis zum Zeitpunkt der erneuten Feststellung des Jahresabschlusses bekannt werden.
BEISPIEL
Ein Grundstück ist kontaminiert. Es wird (mit Recht) von geringfügigen Kosten ausgegangen und eine Rückstellung in Höhe von 20.000 EUR gebildet. Der Jahresabschluss ist (aus anderen Gründen) nichtig. Bei erneuter Aufstellung und Feststellung (z. B. zwei Jahre später) ist aber geklärt, dass die Kosten zur Dekontamination 50.000 EUR betragen. Dieser Betrag ist nunmehr als Rückstellung anzusetzen.
Der erneut aufgestellte Jahresabschluss ist erneut zu prüfen. Dabei handelt es sich um eine Abschlussprüfung gem. § 316 Abs. 1 HGB und nicht um eine Nachtragsprüfung gem. § 316 Abs. 3 HGB. Durch die Nichtigkeit wird so getan, als sei der Jahresabschluss nicht existent. Zudem wird auch das Vertrauen in die Prüfer erschüttert sein, weil sie den Nichtigkeitsgrund nicht entdeckt haben, sodass das Wiederaufleben des Prüfauftrags wie bei der Nachtragsprüfung nicht hingenommen werden kann.
Tz. 65
Umstritten sind die Folgen eines nichtigen Jahresabschluss für die auf ihn folgenden Jahresabschlüsse. Einig ist man sich dahingehend, dass ein Folgeabschluss auch nichtig ist, wenn derselbe Fehler fortgeführt wird.
BEISPIEL
Trotz Erkennbarkeit der Grundstückskontamination wird die Rückstellung in Höhe von 50.000 EUR nicht im Jahresabschluss des Jahres 01 und auch nicht im Jahresabschluss des Jahres 02 angesetzt. Der Gewinn/Verlust für das Jahr 02 ändert sich eigentlich nicht, weil die Rückstellung unter Bezug auf die Bilanzkontinuität im Jahr 02 nur fortgeführt werden müsste.
Tz. 66
Umstritten ist die Folge, wenn der Fehler zur Nichtigkeit des Vorjahresabschlusses führt, im Folgeabschluss aber nicht mehr vorkommt. Typisches Beispiel ist die Ausbuchung des Vermögensgegenstandes, der im Vorjahresabschluss hätte außerplanmäßig abgeschrieben werden müssen bzw. die Einbuchung einer Rückstellung, die bereits im Vorjahr hätte vorgenommen werden müssen. Weil die Bilanzverknüpfung nicht hergestellt sei, sollen die Folgeabschlüsse schwebend unwirksam sein. Nach zutreffender Gegenauffassung kann aus der Bilanzverknüpfung nicht hergeleitet werden, dass der Folgeabschluss schwebend unwirksam ist. Für die erste Auffassung spricht nur die strenge Anwendung der Bilanzkontinuität gem. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB. Bis zur Beseitigung der Nichtigkeit gibt es für den Folgeabschluss keine Vorjahreszahlen, an die angeknüpft werden kann. Diese strenge Auffassung führt jedoch zu Problemen, wenn aufgrund wertaufhellender Umstände weitere Korrekturen vorzunehmen sind und eine Verknüpfung mit dem eigentlich bislang zutreffenden Jahresabschluss nicht mehr erzielt werden kann. Durch die Bilanzkontinuität soll nur vermieden werden, dass Erträge und Aufwendungen doppelt oder gar nicht gebucht werden. Daher ist der Meinung der Vorzug zu gewähren, die den nunmehr eigentlich zutreffenden Folgeabschluss für wirksam erachtet. Fehlende Übereinstimmungen mit dem neu aufge...