Dr. Falk Mylich, Dr. Mathias Link
Tz. 239
Der Kreis der Mutterunternehmen, die zur Aufstellung des Konzernabschlusses nach IFRS verpflichtet sind (sog. Pflichtanwender), ergibt sich aus Art. 4 IAS-VO. Da die IAS-VO in den Mitgliedstaaten auch ohne nationalen Umsetzungsakt unmittelbar gilt, war eine Spiegelung der Regelung in § 315a HGB nicht erforderlich. Die Verpflichtung nach Art. 4 IAS-VO betrifft Unternehmen, deren Wertpapiere am jeweiligen Bilanzstichtag in einem beliebigen Mitgliedstaat zum Handel in einem geregelten Markt zugelassen sind (sog. kapitalmarktorientierte Unternehmen).
aa) Emission von Wertpapieren
Tz. 240
Der Begriff des Wertpapiers ist in der IAS-VO nicht definiert. Es ist auf die Definition des Wertpapiers in Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der Finanzmarktrichtlinie (RL 2004/39/EG v. 21.4.2004) abzustellen. Entscheidend ist danach, dass das betreffende Instrument an den Kapitalmärkten handelbar ist. Auf die Einordnung als Eigen- oder Fremdkapital (nach HGB oder IFRS) kommt es nicht an. Zu den Wertpapieren zählen insbesondere:
- Aktien und andere Anteile an Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten gleichzustellende Wertpapiere sowie Aktienzertifikate
- Schuldverschreibungen oder andere verbriefte Schuldtitel, einschließlich Zertifikaten (Hinterlegungsscheinen) für solche Wertpapiere
- alle sonstigen Wertpapiere, die zum Kauf oder Verkauf solcher Wertpapiere berechtigen oder zu einer Barzahlung führen, die anhand von übertragbaren Wertpapieren, Währungen, Zinssätzen oder -erträgen, Waren oder anderen Indizes oder Messgrößen bestimmt wird
- Anteile an in- und ausländischen Investmentfonds
Nicht zu den Wertpapieren zählen demgegenüber Instrumente, die nur durch Abtretung übertragen werden und daher nicht an einem Kapitalmarkt gehandelt werden können, wie:
- Namensschuldverschreibungen
- Schuldscheindarlehen
- Anteile an geschlossenen Fonds (z. B. GmbH & Co. KG)
Ebenfalls nicht unter den Begriff des Wertpapiers fallen Zahlungsmittel.
bb) Mutterunternehmen als Emittentin
Tz. 241
Nach dem Wortlaut von Art. 4 IAS-VO ist entscheidend, dass das Mutterunternehmen die Wertpapiere selbst emittiert. Eine Emission von Wertpapieren ausschließlich z. B. durch ein Tochterunternehmen kann somit nicht zu einer Konzernrechnungslegungspflicht des Mutterunternehmens nach IFRS führen. Ein Teil der Literatur plädiert demgegenüber – zu Unrecht und gegen den Wortlaut – für eine wirtschaftliche Interpretation der Vorschrift und lässt in bestimmten Konstellationen zur Verhinderung von Gestaltungsmissbrauch die Emission durch eine Tochtergesellschaft ausreichen.
cc) Zulassung zum Handel am geregelten Markt
Tz. 242
Die Wertpapiere müssen an einem geregelten Markt zum Handel zugelassen sein. Entscheidender Zeitpunkt ist der Bilanzstichtag des Mutterunternehmens. Ob die Wertpapiere zu diesem Zeitpunkt tatsächlich gehandelt werden, ist nicht entscheidend. Zur Pflichtanwendung der IFRS bei der zeitlich vorgelagerten bloßen Beantragung der Zulassung zum Handel vgl. Tz. 244.
Tz. 243
Ein geregelter Markt ist in der Finanzmarktrichtlinie definiert als ein von einem Marktbetreiber betriebenes und/oder verwaltetes multilaterales System, das (i) die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Finanzinstrumenten innerhalb des Systems und nach seinen nichtdiskretionären Regeln in einer Weise zusammenführt oder das Zusammenführen fördert, die zu einem Vertrag in Bezug auf Finanzinstrumente führt, die gemäß den Regeln und/oder den Systemen des Marktes zum Handel zugelassen wurden, sowie (ii) eine Zulassung erhalten hat und (iii) ordnungsgemäß und gemäß den Bestimmungen des Titels III der Finanzmarktrichtlinie funktioniert.
Der geregelte Markt kann sich in einem beliebigen Mitgliedstaat befinden. In Deutschland zählen dazu:
- Der regulierte Markt (Frankfurter Wertpapierbörse; Regionalbörsen; Tradegate Exchange)
- European Energy Exchange
- EUREX
Nicht zum geregelten Markt gehört hingegen der Freiverkehr.