Dr. Thilo Schülke, Steve Scheffel
Tz. 366
Die Prinzipien der Bilanzgliederung beziehen sich auf die äußere Form der Bilanz und sind aus dem Zweck der Bilanz abzuleiten. Die Bedeutung einer einheitlichen Bilanzgliederung ist gering, wenn der Zweck der Bilanz darin besteht, einem unternehmensindividuellen und begrenzten Adressatenkreis mit spezifischen Informationsinteressen einen Überblick über die Lage des Unternehmens zu vermitteln. Im Einzelfall kann dann eine gröbere oder eine detaillierte Berichterstattung, eine statische Momentaufnahme oder ein Verlaufsbild zweckgerecht sein. Die handelsrechtlichen GoB gehen, geboren im Bezugssystem des Einzelkaufmanns, traditionell stärker von dieser individuellen Sichtweise aus und enthalten daher nur punktuell Regelungen für die Bilanzgliederung.
Tz. 367
Anders liegen die Interessen, wenn das Unternehmen oder seine Anteile als handelbares Gut betrachtet werden, das Gegenstand von Preisbildungsprozessen ist. Dann rückt der Marktwert in den Mittelpunkt. Dieser bestimmt sich aus einem Vergleich mit anderen Unternehmen und Zukunftserwartungen. Gewinnt so die Vergleichbarkeit und die Zukunftsentwicklung an Bedeutung, ist es eine zentrale Aufgabe von Bilanzierungsvorschriften, die intertemporale Vergleichbarkeit in der Zeit und die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit der Vermögens-, Finanz- und Ertragsinformationen zu gewährleisten. Das setzt standardisierte Gliederungsschemata voraus. Deren Vorzug besteht auch in Transaktionskostenvorteilen. Zum einen sinken die Transaktionskosten der Bilanzerstellung, wenn immer nach demselben Standard zu verfahren ist und keine Entwicklungskosten für eine kohärente Gliederung entstehen. Zum anderen sinken die Transaktionskosten der Bilanzauswertung, wenn Bilanzanalysten ihre Instrumente immer auf die gleichen Muster ausrichten können.
Tz. 368
Das Liquiditätsgliederungsprinzip konkretisiert die Gegenüberstellung von Vermögen und Schulden und bildet eine liquiditätsbezogene Ausprägung der Schuldendeckungsfähigkeitsrechnung. Es sieht vor, dass die Vermögensgegenstände strukturiert nach ihrer Liquidität ("Geldnähe") im ordentlichen Geschäftsprozess darzustellen sind. Dieser Gedanke findet sich für die Handelsbilanz auf der Aktivseite verwirklicht in der in § 266 HGB für Kapitalgesellschaften vorgeschriebenen Gliederung in Anlage- und Umlaufvermögen auf der ersten Ebene (vgl. Kapitel 10). Er setzt sich fort in der weiteren Untergliederung, beispielsweise der Sachanlagen in Grundstücke, Maschinen und Geschäftsausstattung oder des Umlaufvermögens in Vorräte, Forderungen, Wertpapiere und Kassenbestände. Die Passivseite der Handelsbilanz folgt demgegenüber einer Gliederung nach der Fristigkeit. Dort werden zuerst das Eigenkapital als langfristig überlassenes Kapital und sodann die Verbindlichkeiten ausgewiesen, gegliedert nach ihrer Restlaufzeit am Bilanzstichtag. Folgerichtig wäre die Gliederung auch der Rückstellungen nach ihrer Fristigkeit.
Tz. 369
Ein weiteres Bilanzgliederungsprinzip nimmt die Mittelherkunft und die Mittelverwendung zum Strukturmerkmal. Dieses Prinzip findet besonders auf der Passivseite Ausdruck in der Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkapital und der weiteren Unterteilung dieser Gliederungspunkte. Es erlangt aber auch auf die Aktivseite Bedeutung, wo es sich auf die Vermögensverwendung, den Grad der Vermögensbindung (Anlage- und Umlaufvermögen) und die Funktion des Vermögens (Bsp. betriebsnotwendiges Vermögen und Finanzvermögen) bezieht. Daraus ergibt sich die Unterscheidung zwischen operativem Ergebnis und Finanzergebnis.
Tz. 370
Die Jahresabschlussrichtlinie erlaubt für die äußere Form der Bilanz sowohl die Konto- als auch die Staffelform. Im deutschen Rechtskreis ist die Kontoform üblich und in § 266 HGB für die offenlegungspflichtigen Kaufleute vorgeschrieben. Die Kontoform lehnt sich an die Buchführung an und ist gekennzeichnet durch die Gegenüberstellung von zwei Blöcken, Aktiva und Passiva. Drucktechnisch ist üblich, diese beiden Blöcke nebeneinander darzustellen. Auch die Jahresabschlussrichtlinie 2013 bezeichnet diese Form in der Überschrift zu Anlage III als "Horizontale Gliederung der Bilanz". Die drucktechnisch horizontale Gliederung ist aber nicht notwendig kennzeichnend für die Kontoform. Die Aktiva und Passive könnten in Kontoform auch untereinander dargestellt werden.
BEISPIEL 1
Bilanz in Kontoform mit horizontaler Gliederung
Aktiva |
Passiva |
|
Vorjahr |
Geschäftsjahr |
|
Vorjahr |
Geschäftsjahr |
A. Anlagevermögen |
100 |
110 |
A. Eigenkapital |
100 |
220 |
B. Umlaufvermögen |
90 |
200 |
B. Rückstellungen |
10 |
15 |
C. Aktive Rechnungsabgrenzungsposten |
30 |
20 |
C. Verbindlichkeiten |
100 |
90 |
|
|
|
D. Passive Rechnungsabgrenzungsposten |
10 |
5 |
Bilanzsumme |
220 |
330 |
|
220 |
330 |
BEISPIEL 2
Bilanz in Kontoform mit vertikaler Gliederung
Aktiva |
Erläuterungen / Anhang |
Vorjahr |
Geschäftsjahr |
A. Anlagevermögen |
|
100 |
110 |
B. Umlaufvermögen |
|
90 |
200 |
C. Aktive Re... |