Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 136
Börsenpreis ist der im amtlichen oder geregelten Markt festgestellte Preis. Marktpreis wird verstanden als der an einem bestimmten Handelsplatz oder -bezirk durchschnittlich erzielte Preis. Maßgeblich ist der Markt, an dem voraussichtlich gehandelt worden wäre. An funktionierenden Börsen oder Märkten sind Absatz- und Beschaffungspreise nach Abzug der Transaktionskosten identisch.
Tz. 137
Ist ein einheitlicher Börsen- oder Marktpreis nicht feststellbar, wird nach überwiegend vertretener Auffassung der Beschaffungsmarkt für maßgeblich gehalten, sofern ein Fremdbezug möglich ist; falls nicht, wird die Maßgeblichkeit des Absatzmarktes für die Preisfindung anerkannt. Für Handelswaren und Überstände an unfertigen und fertigen Erzeugnissen soll es auf den jeweils niedrigeren Wert ankommen. Daraus ergibt sich folgende Übersicht:
- Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe: Maßgeblichkeit des Beschaffungsmarkts
- Unfertige und fertige Erzeugnisse: Maßgeblichkeit des Absatzmarkts, außer es ist auch Fremdbezug möglich
- Handelswaren: der jeweils niedrigere Wert auf dem Beschaffungs- oder Absatzmarkt
- Wertpapiere: meistens Beschaffungsmarkt, seltener Absatzmarkt
Tz. 138
Zu Recht wird aber zumindest im Grundsatz vielfach der Absatzmarkt für maßgeblich gehalten. Umlaufvermögen dient dazu, verarbeitet oder veräußert zu werden. Ohne entsprechende Absatzmöglichkeit ist es für das Unternehmen wertlos. Jedenfalls ist eine Neubeschaffung der Güter i. d. R. nicht virulent, solange entsprechende Vermögensgegenstände noch vorhanden sind, eine Rückveräußerung auf dem Beschaffungsmarkt zu dort geltenden Bedingungen realitätsfern. Dass nunmehr günstiger auf dem Beschaffungsmarkt eingekauft werden könnte, sagt allein wenig über das Schuldendeckungspotenzial des Umlaufvermögens aus. Die Vertreter der Gegenansicht haben als starkes Argument, dass die Preise an Beschaffungsmärkten leichter zu ermitteln sind. Sofern sich auf Absatzmärkten keine verlässlichen Preise ermitteln lassen, können daher die Wiederbeschaffungspreise als Indiz maßgeblich bleiben. Das gilt insbesondere für absatzferne Güter wie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe.
Tz. 139
Beruht die Schwierigkeit zur Erlangung von Absatzpreisen auf eingeschränkter Verwendbarkeit dieser Stoffe, gebietet die Absatzmarktorientierung sog. Gängigkeitsabschreibungen auf die Wiederbeschaffungspreise. Dabei sind mehrere Verfahren zulässig. Dabei vorhandene Lagerbestand ins Verhältnis zur Umschlaghäufigkeit gesetzt, wobei mit verschiedenen Annahmen operiert wird. In der Praxis ist insbesondere das Reichweitenverfahren etabliert. Dabei wird die Umschlaghäufigkeit einer Warengruppe nach folgender Fomel entwickelt:
Die so ermittelte Umschlaghäufigkeit gibt also an, wie lange ein Vermögensgegenstand der jeweiligen Warengruppe noch im Unternehmen vorhanden sein wird. Dementsprechend werden Gruppen nach der jeweiligen Reichweite in Jahren gebildet und die Vermögensgegenstände entsprechend prozentual abgewertet:
Gängigkeitsklasse |
Reichweite in Jahren |
Abwertung in % |
1 |
1 bis 2 Jahre |
10 |
2 |
2 bis 3 Jahre |
20 |
3 |
3 bis 4 Jahre |
30 |
4 |
4 bis 5 Jahre |
40 |
5 |
5 bis 6 Jahre |
50 |
6 |
Mehr als 6 Jahre |
60 |
Tz. 140
Aus den gewonnenen Preisen ist der Wert des jeweiligen Vermögensgegenstandes abzuleiten, es ist also nicht der Wert selbst maßgeblich. Der beizulegende Wert wird zunächst nach oben hin durch die Anschaffungs- und Herstellungskosten begrenzt. Abhängig davon, ob Beschaffungs- oder Absatzmärkte zugrunde liegen, sind die jeweiligen Transaktionskosten hinzuzurechnen oder abzusetzen.
BEISPIEL
Beispiel im Falle der absatzmarktorientierten Bewertung von Waren und Waren und Erzeugnissen:
Der zu erwartende Verkaufserlös wird gekürzt um
- Erlösschmälerungen wie Preisnachlässe usw.
- Verpackungskosten
- Ausgangsfrachten
- Vertriebskosten
- Verwaltungskosten
- Kapitalmarktkosten
Tz. 141
Forderungen sind zum Nennwert anzusetzen. Zweifelhafte Forderungen sind mit dem wahrscheinlichen Wert anzusetzen, uneinbringliche ganz abzuschreiben. Bestehende Sicherheiten schließen die Abwertung nicht aus, sind aber bei der Wertschätzung zu berücksichtigen. Aufrechnungslage schließt Abwertung in der entsprechenden Höhe aus, ebenso bestehende Debitorenversicherung.
Pauschalabwertung von Forderungen ist wegen des Einzelbewertungsgrundsatzes nur zulässig, indem bestimmte Forderungsgruppen mit einem pauschalen Prozentsatz, der das konkrete Ausfall- und Kreditrisiko abbildet, abgewertet werden.
Als wertmindernde Faktoren sind zu berücksichtigen:
- Kosten der Forderungseinziehung, insb. Rechtsverfolgungskosten
- Skontoabzüge
- Zinsverluste
Nicht zu berücksichtigen sind:
- allgemeines Konjunkturrisiko oder besondere Konjunkturempfindlichkeit
- allgemeine Geschäftsrisiken