Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Christian Fink
Tz. 29
§§ 71 ff. AktG und § 33 GmbHG geben restriktiv vor, unter welchen Voraussetzungen eigene Anteile erworben werden dürfen. Für das Bilanzrecht sind § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG und § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG relevant, wonach der Erwerb aus freien, d. h. zur Ausschüttung an den Gesellschafter bestimmten Rücklagen geschehen darf. Nicht verfügbar sind Grund- bzw. Stammkapital, gesetzlich gebundene Rücklagen im Aktienrecht (§ 150 AktG) und trotz Fehlens in § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG auch im GmbH-Recht (§ 5a Abs. 3 GmbHG), nach Satzung zu bildende Rücklagen, die nicht zur Zahlung an Gesellschafter verwendet werden dürfen und gem. § 268 Abs. 8 HGB gegen eine Ausschüttung gesperrte Beträge. Effektiv kann im Aktienrecht auf die Gewinnrücklage und die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB und im GmbH-Recht auf alle Rücklagen zurückgegriffen werden. Erhöht wird der Betrag um einen Gewinnvortrag, vermindert um einen Verlustvortrag bzw. Jahresverlust. Ob der Gewinn des laufenden Jahres hinzugerechnet werden darf, ist umstritten. Das kann nicht pauschal abgelehnt werden, weil § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG davon sprechen, dass eine Rücklage gebildet werden könnte. Wenn die im letzten Jahresabschluss ausgewiesenen freien Rücklagen durch einen laufenden Verlust gemindert werden können, müssen konsequent auch laufende Gewinne hinzugerechnet werden. Gleichwohl sollte hier differenziert werden unter Rückgriff auf den Gedanken des Imparitätsprinzips für eine unterjährige Vermögensermittlung: Verluste sind vorwegzunehmen, auf Gewinne muss bis zum Jahresende gewartet werden.
Tz. 30
Nicht ganz unumstritten ist die Einbeziehung der Nebenkosten für den Erwerb eigener Anteile. Mit Blick auf den Wortlaut "Aufwendungen für den Erwerb" und § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB wird deren Einbeziehung befürwortet. Der klare Wortlaut in § 272 Abs. 1a Satz 3 HGB und die Systematik geben aber recht deutlich die Behandlung als Aufwand vor. Der Erwerb eigener Anteile führt zur Rückzahlung der Einlage an den Anteilseigner. Dieser erhält aber nicht die Erwerbskosten. Gläubiger sind nicht gegen das Verwirtschaften der Mittel geschützt. Allerdings kommt es zu besagten Aufwendungen zumeist zeitlich vor dem Erwerb. Dann sind ggf. entsprechende Mittel bereits nicht mehr vorhanden. Folgender Gedanke führt zur Lösung: Kapital- und Gewinnrücklagen sind vorhanden. Im Jahr 01 gibt es weder Gewinn noch Ertrag, nur die Aufwendungen zum Erwerb eigener Anteile. Der Anteilserwerb geschieht im Jahr 02. Weil Kapitalrücklagen gem. § 150 Abs. 4 Nr. 1 AktG zum Ausgleich des Jahresfehlbetrags aufgelöst werden können, muss das auch beim Erwerb eigener Anteile gelten. Aufwand zum Erwerb eigener Anteile kann daher aus solchen Kapitalrücklagen gedeckt werden, die trotz Gewinnrücklagen zur Verrechnung mit einem Jahresverlust taugen. Selbst das ist nicht unbedingt nötig. Es muss sogar genügen, wenn Aufwendungen aus den bei Erstellung der Bilanz verbleibenden Gewinnrücklagen gedeckt werden können.
BEISPIELE
Beispiel 1: Eine AG verfügt über 100 Grundkapital, 50 Kapitalrücklage und 200 Gewinnrücklage. Es werden 10 Anteile zu je 20 zurückgekauft; die Nebenkosten liegen bei 15. Freie Rücklagen sind die Gewinnrücklagen. Diese decken den Rückerwerb der eigenen Anteile. Die Nebenkosten können aus den Kapitalrücklagen gedeckt werden.
Beispiel 2: Eine GmbH verfügt über 100 Anteile bei einem Stammkapital von 100 und (Gewinn-)Rücklagen von 81. 10 Anteile sollen zu je 8 zurückgekauft werden; die Erwerbskosten betragen 9 (alternativ: 13). Rechnet man Rückzahlungsbetrag und Erwerbsaufwand zusammen, kommen 89 an Kosten zusammen, was über 81 liegt. Trennt man hingegen Rückfluss an Anteilseigner und sonstigen Aufwand, sind die 80 als Rückzahlungsbetrag von den (freien) Rücklagen gedeckt. Im folgenden Jahresabschluss sind 10 von den 100 Stammkapital in der Vorspalte abzusetzen, sodass es noch Gewinnrücklagen in Höhe von 11 gibt. Diese würden die Erwerbskosten decken. In der Alternative mit Erwerbskosten von 13 wäre das nicht der Fall.