Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Christian Fink
Tz. 175
Dem Gesellschafter einer deutschen PersGes steht nach dem Regelstatut gem. § 723 BGB i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB (für KG) bzw. § 105 Abs. 3 HGB (für OHG) ein unabdingbares individuelles Kündigungsrecht zu. Nach § 131 Abs. 3 HGB scheidet er damit aus der Gesellschaft aus, eine Auflösung der Gesellschaft wird damit jedoch nicht herbeigeführt. Selbiges gilt für Mitglieder von Genossenschaften gem. § 65 GenG.
Aus dem Ausscheiden erwächst dem kündigenden Gesellschafter ein Abfindungsanspruch gem. § 131 Abs. 3 HGB i. V. m. § 738 BGB (bei Genossenschaften § 73 GenG). Dies gilt nach dem Regelstatut auch im Falle des Todes des Gesellschafters einer OHG sowie des Komplementärs der KG. Stirbt hingegen ein Kommanditist einer KG, wird die Gesellschaft nach § 177 HGB mangels abweichender Vertragsbestimmungen mit den Erben fortgesetzt. Im Falle der Genossenschaft geht die Mitgliedschaft mit dem Tod eines Mitglieds zwar gem. § 77 Abs. 1 GenG auf die Erben über. Allerdings legt § 77 Abs. 2 GenG fest, dass die Satzung im Todesfall die Fortsetzung der Mitgliedschaft mit den Erben des Mitglieds – ggf. geknüpft an bestimmte Voraussetzungen – bestimmen kann.
Tz. 176
Zwar sind kündbare Instrumente rechtlich oft mit einem Residualanspruch des Inhabers am Vermögen des Emittenten verbunden. Ausschlaggebend für die Fremdkapitalklassifizierung der Anteile an PersGes und Genossenschaften ist jedoch zum einen das unabdingbare Kündigungsrecht der Inhaber der Anteile, zum anderen der im Kündigungsfall erwachsende Abfindungsanspruch ggü. dem Emittenten.
Tz. 177
Mit dem Erwachsen des Abfindungsanspruchs erfüllt ein kündbares Instrument die Definition einer finanziellen Verbindlichkeit nach IAS 32.11(a). Danach ist eine finanzielle Verbindlichkeit u. a. definiert als eine vertragliche Verpflichtung, einem anderen Unternehmen Zahlungsmittel oder einen anderen finanziellen Vermögenswert zu liefern, oder mit diesem finanzielle Vermögenswerte/Verbindlichkeiten zu für das Unternehmen potenziell nachteiligen Bedingungen zu tauschen. IAS 32.18(b) konkretisiert dies hinsichtlich kündbarer Instrumente, indem explizit auf die Möglichkeit der Ausstattung der Anteile mit jederzeit ausübbaren Kündigungsrechten bei offenen Investmentfonds, Unit Trusts, PersGes und bestimmten Genossenschaften eingegangen und der aus dem damit verbundenen Abfindungsanspruch resultierende Fremdkapitalcharakter hervorgehoben wird.
Tz. 178
Dass es sich im Falle deutscher PersGes um ein gesetzlich geregeltes Kündigungsrecht des Gesellschafters handelt ist dabei unproblematisch, da dieses einem vertraglichen (contractual) Kündigungsrecht i. S. d. IAS 32.18(b) i. V. m. IAS 32.13 gleichgestellt ist. Dies wird auch durch IFRIC 2.5 bestätigt, wonach bei der Kapitalabgrenzung stets alle rechtlichen Bestimmungen und Gegebenheiten (all terms and conditions) des Finanzinstruments zu berücksichtigen sind. Hierzu zählen auch einschlägige lokale Gesetze und Vorschriften sowie die zum Klassifizierungszeitpunkt gültige Satzung des Unternehmens, nicht aber voraussichtliche Änderungen der Regelungen in der Zukunft. Für die Klassifizierung als Fremdkapital ist es auch unerheblich, wann das Recht ausübbar ist, wie der Abfindungsanspruch ermittelt wird oder ob das kündbare Instrument eine feste Laufzeit hat (IAS 32.BC7).
Tz. 179
Die Erstbewertung der Verbindlichkeit erfolgt zum Barwert der Auszahlungsverpflichtung (present value of the redemption amount), d. h. mit dem gesamten potenziellen Abfindungsbetrag – abgezinst ab dem frühestmöglichen Zahlungszeitpunkt. Die Folgebewertung ist in IAS 39/IFRS 9 nicht explizit geregelt, IDW RS HFA 45.51 f. gehen hierfür jedoch von einer Fortführung des Barwerts der Auszahlungsverpflichtung aus. Dies führt jedoch zu Anomalien in der bilanziellen Abbildung (accounting anomalies), da sich der Abfindungsanspruch regelmäßig am Unternehmenswert orientiert. Daraus folgt, dass sich bei positiver Entwicklung des Unternehmens und entsprechend steigendem Unternehmenswert die Schulden des Unternehmens erhöhen. Mehr noch, die Veränderung des Abfindungsanspruchs ist in der GuV als Aufwand oder Ertrag zu erfassen, so dass bei guter Ertragslage und damit steigendem Unternehmenswert die Verbindlichkeiten aufwandswirksam aufzustocken wären.
Tz. 180
Mit der Überarbeitung des IAS 32 im Jahr 2008 wurden kasuistische Einzelfallregelungen implementiert, um kündbare Instrumente unter bestimmten Voraussetzungen als Eigenkapital zu qualifizieren. Eine Änderung des grundlegenden Prinzips der Kapitalabgrenzung erfolgte indes nicht. Entsprechend sind bei kumulativer Erfüllung der in IAS 32.16A–F definierten Kriterien kündbare Instrumente ausnahmsweise als Eigenkapital zu klassifizieren. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von gewillkürtem Eigenkapital. Eine Besonderheit gilt für nicht beherrschende Anteile (non-controlling interests) an einem TU im Konzernabschluss (vgl. Tz. 205).