Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Christian Fink
Tz. 181
Als gewillkürtes Eigenkapital können nach IAS 32.16 A kündbare Instrumente ausgewiesen werden, wenn Sie die im Folgenden beschriebenen Kriterien kumulativ erfüllen. Mit RIC 3, der unter dem Titel "Auslegungsfragen zu den Amendments to IAS 32 Financial Instruments: Presentation und IAS 1 Presentation of Financial Statements" veröffentlicht wurde, bietet das DRSC zudem eine Auslegungshilfe, die verschiedene Aspekte der Ausnahmeregeln für kündbare Instrumente vor dem Hintergrund des deutschen Gesellschaftsrechts i. S. der deutschen IFRS-Anwender interpretiert.
dd1) Proportionaler Residualanspruch
Tz. 182
Nach IAS 32.16A(a) ist ein proportionaler Anspruch (pro rata share) des Inhabers des kündbaren Instruments am verbleibenden Nettovermögen bei Liquidation eine der Voraussetzungen für den Eigenkapitalausweis. Das verbleibende Nettovermögen beschreibt das Vermögen, das nach Abzug aller anderen Ansprüche im Liquidationsfall übrig bleibt. Ein proportionaler Anspruch zeichnet sich dadurch aus, dass das Nettovermögen in gleichwertige Anteile aufgeteilt und durch Multiplikation mit der Anzahl der Anteile jedes Inhabers dessen Rechtsanspruch begründet.
Tz. 183
Die Regelung bezieht sich ausschließlich auf ein positives Nettovermögen. Damit verstößt auch die unbeschränkte Haftung des Komplementärs einer KG gegenüber der beschränkten Haftung des Kommanditisten nicht gegen das Proportionalitätserfordernis (RIC 3.9), da die Haftungssituation nur bei negativem Vermögen eintreten würde. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass die Haftungsfunktion von der Einlage separiert, als eigenständiges Instrument betrachtet und damit nicht in die Beurteilung der Proportionalität des Anspruchs einbezogen wird (IAS 32.AG14F–G). Dieselbe Begründung wird auch dafür herangezogen, dass eine (ergebnisunabhängige) Risikovergütung des Komplementärs für seine Haftungsübernahme dem Proportionalitätserfordernis nicht zuwiderläuft (RIC 3.10).
dd2) Letztrangigkeit des Anspruchs
Tz. 184
Daneben muss das kündbare Instrument nach IAS 32.16A(b) der letztrangigen Klasse (most subordinate class) von Finanzinstrumenten angehören, d. h. es darf
- bei Liquidation keinen Vorrang ggü. einem anderen Anspruch auf das Nettovermögen haben,
- nicht zuerst in ein anderes Instrument umgewandelt werden müssen, um in die letztrangige Klasse von Instrumenten zu fallen.
Tz. 185
IAS 32.AG14C ergänzt, dass ein Vorzugsrecht (z. B. auf Vorabzahlung aus dem Liquidationserlös) im Liquidationsfall gegen das Kriterium der Letztrangigkeit verstößt. Entsprechend wäre ein Eigenkapitalausweis nur für die Anteile ohne Vorzugsrecht möglich. Bei einer dem Regelstatut (§ 155 Abs. 1 i. V. m. § 161 Abs. 2 HGB) folgenden PersGes sollte dieses Kriterium hingegen erfüllt sein.
dd3) Identische Ausstattungsmerkmale
Tz. 186
IAS 32.16A(c) verlangt, dass die kündbaren Instrumente identische Ausstattungsmerkmale (identical features) aufweisen. Allerdings nennt der Standard selbst hierfür lediglich beispielhaft deren Kündbarkeit und dass die Formel oder Methode zur Ermittlung des Rückkauf- oder Rücknahmepreises für alle Instrumente in dieser Klasse von Instrumenten gleich sein muss. Eine Abfindung bestimmter Gesellschafter auf Buchwertbasis und anderer Gesellschafter auf Zeitwertbasis würde damit zu einem Verstoß gegen diese Anforderung führen.
Tz. 187
Gerade aus der Perspektive deutscher Personengesellschaften ergeben sich in Bezug auf die Ausstattungsmerkmale verschiedene Fragestellungen. So haben z. B. Komplementär und Kommanditist im Regelfall deutlich voneinander abweichende Rechte: Der Komplementär ist i. d. R. zur Geschäftsführung befugt, hat weitreichendere Informationsrechte und trägt als Vollhafter ein anderes Risiko als der Kommanditist. In diesem Zusammenhang stellt RIC 3.15 klar, dass sich die Anforderung des IAS 32.16A(c) ausschließlich auf finanzielle Ausstattungsmerkmale bezieht. Weder die Geschäftsführungsbefugnis des Komplementärs, noch dessen Informationsrechte oder Vollhafterstellung wirken demnach schädlich für den Eigenkapitalausweis. Sie sind – analog der Logik des IAS 32.AG14F – als eigene Merkmale separat von der Einlage zu betrachten. Allerdings können diese Unterschiede Hinweise auf Abweichungen auch bei den finanziellen Ausstattungsmerkmalen geben (RIC 3.16).
Tz. 188
Zu den finanziellen Ausstattungsmerkmalen zählt v. a. die Beteiligung am Periodenergebnis und am Liquidationserlös, aber auch wesentliche Unterschiede bei den Einzahlungs-/Entnahmemodalitäten (Höhe, Zeitpunkt etc.) für einzelne Gesellschafter.
Tz. 189
In Bezug auf eine ungleiche Verteilung von Stimmrechten werden die Voraussetzungen des IAS 32.16A(c) dann nicht verletzt, wenn diese zwar ungleich, trotzdem aber proportional zur Beteiligungsquote des Inhabers verteilt sind (RIC 3.18).
BEISPIEL
Der geschäftsführende Komplementär einer KG ist nicht i. S. von Gesellschaftsanteilen an dieser beteiligt, besitzt aber Stimmrechte an der Gesellschaft. Da er trotz eines Kapitalanteils von 0 % einen Stimmrechtsanteil von > 0 % besitzt, ist von einer nicht beteiligungspr...