Berechnung des Erlasses von Nachzahlungszinsen bei freiwilliger Vorauszahlung
Praxis-Hinweis: Freiwillige Vorauszahlung können dazu führen, dass festgesetzte Zinsen erlassen werden
Der gesetzliche Zinssatz von 6% pro Jahr, der auf Steuernachzahlung berechnet wird, wird angesichts der seit vielen Jahren herrschenden Phase niedriger Zinsen regelmäßig als Ärgernis empfunden. Gleichwohl haben die Finanzgerichte bislang den Zinssatz als rechtmäßig angesehen. Gerade bei größeren Nachzahlungen gilt es deshalb zu prüfen, wie die Zinsen möglichst niedrig gehalten werden können.
Eine der zentralen Möglichkeiten ergibt sich dabei aus dem Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO). Es handelt sich hierbei um eine Allgemeine Verwaltungsanweisung, in der die Finanzverwaltung ihre Auffassung zur Auslegung vieler Bestimmungen der AO niedergelegt hat und die damit als für die Finanzverwaltung allgemeinverbindlich anzusehen sind. Gerade zur zentralen Regelung hinsichtlich der Berechnung von Zinsen auf Steuernachzahlungen (§ 233a AO) finden sich im AEAO umfangreiche Ausführungen. Eine der dortigen Aussagen ist, dass durch freiwillig geleistete Zahlungen zwar nicht der Zinslauf verhindert werden kann, aber solche freiwilligen Zahlungen dazu führen können, dass die festgesetzten Zinsen erlassen werden.
Aber Achtung: diese freiwilligen Leistungen sind stets mit der Finanzverwaltung im Vorwege abzustimmen, sonst kann die Durchsetzung des Erlasses schwierig werden.
Ist der Tag der freiwilligen Zahlung mitzuzählen?
Solch einen freiwillige Leistung nahm auch die Klägerin auch im Besprechungsfall vor und beantragte den Erlass der Zinsen für 43 Monate. Die Finanzverwaltung sprach aber nur einen Erlass für 42 Monate aus, da die Berechnung der Zinsen, die erlassen seien, erst am Tag nach dem Eingang der Zahlung beginne (s. hierzu Beispiele 14 und 15 zu Nr. 70.1.2 AEAO). Da Zinsen immer für ganze Monate berechnet werden, das ergibt sich auch aus der AO, fehlte damit nach der Ansicht des Finanzamts ein Tag, um einen Erlass für 43 Monate aussprechen zu können.
Da sich diese Auffassung „nur“ aus dem AEAO ergibt, aber nicht aus der AO selber, sah der BFH zutreffend keine gesetzliche Grundlage für die Auffassung der Finanzverwaltung. Es lohnt sich also im Einzelfall auch durchaus, gegen die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung anzugehen, zumal die Auslegung der Steuergesetze, wie sie in Richtlinien oder BMF-Schreiben zum Ausdruck kommt, immer nur die Finanzverwaltung bindet, nicht aber Steuerpflichtige oder Finanzgerichte. Nichts desto trotz lohnt sich oftmals ein Blick gerade in den AEAO. Dieser beinhaltet nämlich eine Vielzahl von Ausführungen, die durchaus auch einmal durch den Steuerpflichtigen der Finanzverwaltung entgegengehalten werden können. Zudem erleichtert insbesondere im Bereich der Zinsfestsetzung die umfangreichen Ausführungen und vielen Beispiele eine Einarbeitung in das komplexe Thema.
Sachverhalt: Freiwillige Vorauszahlung zur Vermeidung von Nachzahlungszinsen
Die Klägerin war eine Kapitalgesellschaft, bei der eine Betriebsprüfung durchgeführt wurde. In 2007 teilte sie dem Finanzamt schriftlich mit, dass sie mit einer größeren Steuernachzahlung rechne und deshalb eine freiwillige Zahlung leisten wolle. Der Betrag wurde am 30.4.2007 dem Konto der Finanzbehörde gutgeschrieben. Nach Abschluss der Betriebsprüfung setzte das Finanzamt für die Steuernachzahlungen Nachzahlungszinsen nach § 233a AO fest. Die Klägerin beantragte auf der Grundlage des AEAO, diese in einer bestimmten Höhe für 43 Monate zu erlassen und verwies hierbei insbesondere auf die freiwillige Zahlung. Das Finanzamt erließ indes die Zinsen nur für 42 Monate, da der AEAO dies so vorsehe (s. hierzu Beispiele 14 und 15 zu Nr. 70.1.2 AEAO). Hiernach sei nicht er Tag der Zahlung maßgeblich, sondern erst der darauf folgende Tag. Dies führe dazu, dass ein kompletter Monat aus dem Erlasszeitraum falle. Bei dieser Rechtsauffassung blieb das Finanzamt auch in der Einspruchsentscheidung. Die Klage vor dem Finanzgericht hatte indes Erfolg. Das Finanzgericht München ließ allerdings die Revision zum BFH zu.
Entscheidung des BFH: Zinslauf beginnt bereits mit dem Tag der Zahlung
Die Revision des Finanzamts wurde als unbegründet abgewiesen. Der Erlass von Zinsen erfolge nach der Bestimmung des § 227 AO. Bei der Entscheidung über den Erlass handele es sich dabei um eine Ermessensentscheidung des Finanzamts. Zur Ausübung des Ermessens habe das Finanzamt hier die ermessenslenkenden Ausführungen des AOAE beachtet. Allerdings müssten sich auch diese Richtlinien an die Grenzen der Ermessensausübung halten, die das Grundgesetz und die Gesetze setzen. Dies sei hier bei den maßgeblichen Regelungen des AOAE nicht der Fall gewesen. Zwar sei es zutreffend, dass nach diesen Bestimmungen zur Berechnung des Erlasszeitraums nicht auf den Tag der Zahlung, sondern auf den folgenden Tag bei einer freiwilligen Zahlung abzustellen sei. Für eine solche Berechnung fehlt es aber an einer gesetzlichen Grundlage. Vielmehr sei aus den gesetzlichen Regelungen ersichtlich, dass bei der Berechnung des Zinslaufs auf den Tag der Zahlung abzustellen sei. Insofern sei hier ein Erlass für 43 Monate und nicht nur für 42 Monate auszusprechen.
BFH, Urteil v. 31.5.2017, I R 92/15.
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