Leitsatz (amtlich)

1. Nach Ablauf des Kalenderjahres muss der Verwalter einen Vermögensbericht erstellen (§ 28 Abs. 4 S. 1 WEG). Der Vermögensbericht muss u.a. die Kontostände aller Bankkonten und den Stand der Erhaltungsrücklage beinhalten.

2. Da die Kontostände und die Erhaltungsrücklage somit nicht mehr Bestandteil der Jahresabrechnung sind, begründen falsche Angaben zu den Kontoständen keine Anfechtung des Beschlusses über die Nachschüsse bzw. die Anpassung der Vorschüsse.

3. Gemäß § 28 Abs. 4 S. 2 WEG ist der Vermögensbericht jedem Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen. Wird der Vermögensbericht lediglich in der Eigentümerversammlung nur zur Einsicht vorgelegt, wurde er den Wohnungseigentümern nicht zur Verfügung gestellt.

4. Die Tatsache, dass der Vermögensbericht den Wohnungseigentümern nicht zur Verfügung gestellt wurde, begründet keine Anfechtung des Beschlusses über die Nachschüsse bzw. die Anpassung der Vorschüsse.

 

Normenkette

WEG § 28 Abs. 4, 19

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Die Beklagte ist die Wohnungseigentümergemeinschaft A in Wiesbaden. Die Klägerin ist Eigentümerin von insgesamt 51,40/1.000 Miteigentumsanteilen, verbunden mit dem Sondereigentum an den Wohnungen Nr. 5 u. 6 und den Garagen Nr. 7 u. 12. Die Wohnung Nr. 6 stand vom 01.01.–31.10.2020 leer und ist seit dem 01.11.2020 wieder vermietet. In der Eigentümerversammlung am 29.11.2021 beschlossen die Wohnungseigentümer unter TOP 2 die Nachschüsse bzw. die Anpassung der Vorschüsse bzgl. des Wirtschaftsjahres 2020. Wegen der Einzelheiten der zu Grunde liegenden Jahresabrechnung 2020 wird auf Bl. 28 ff d.A. Bezug genommen. Ein Vermögensbericht für das Wirtschaftsjahr 2020 wurde den Wohnungseigentümern nicht übersandt.

Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin den genannten Beschluss angefochten. Die Klägerin behauptet, sowohl bei der Erhaltungsrücklage als auch beim Girokonto sei der Anfangskontostand falsch angegeben. Die Klägerin ist der Auffassung, der Beschluss sei bereits aus diesem Grunde anfechtbar, da es wegen der falschen Kontostände und des fehlenden Vermögensberichtes nicht möglich sei, die Jahresabrechnung auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Darüber hinaus sei die Jahresabrechnung falsch, da die Kosten von Sanierungsmaßnahmen nicht über die Instandhaltungsrücklage, sondern über das laufende Konto finanziert worden seien. Schließlich ist die Klägerin der Auffassung, die Heizkostenabrechnung für die Wohnung Nr. 6 sei falsch, da nur eine Abrechnung für das gesamte Jahr erstellt worden sei und keine Zwischenabrechnung, obwohl die Wohnung vom 01.01.–31.10.2020 stand.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 29.11.2021 zu TOP 2 für ungültig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, der Vermögensbericht für das Wirtschaftsjahr 2020 habe in der Eigentümerversammlung zur Einsicht vorgelegen. Sie ist der Auffassung, dies sei ausreichend. Die Beklagte ist weiterhin der Auffassung, die Jahresabrechnung 2020 sei nicht zu beanstanden. Die Beklagte behauptet die Kontostände seien korrekt angegeben. Hinsichtlich der Sanierungsmaßnahmen sei keine Entnahme aus der Erhaltungsrücklage erfolgt, da es keine entsprechenden Beschlüsse gab.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht ist gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG ausschließlich zuständig. Die Anfechtungsklage wurde fristgerecht eingereicht und begründet (§ 45 Abs. 1 S. 1 WEG) und demnächst zugestellt (§ 167 ZPO).

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist es nicht ausreichend, den Vermögensbericht in der Eigentümerversammlung nur zur Einsicht vorzulegen. Gemäß § 28 Abs. 4 S. 2 WEG ist der Vermögensbericht jedem Wohnungseigentümer zur Verfügung zu stellen.

Hinsichtlich der Form der Zur-Verfügung-Stellung macht das Gesetz keine Vorgaben, so dass eine Übersendung per Post oder per E-Mail, aber auch die Einstellung auf einer zugangsbeschränkten Internetseite als zulässig erachtet wird (s. Dötsch/Schultzky/Zschieschack „WEG-Recht 2021” 2021 Kapitel 10 Rdnr. 155). Eine Gelegenheit zur Einsichtnahme stellt jedoch auch bei großzugiger Auslegung keine Zur-Verfügung-Stellung dar. Somit wurde den Wohnungseigentümern der Vermögensbericht für das Wirtschaftsjahr 2020 nicht zur Verfügung gestellt. Für die Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Nachschüsse bzw. die Anpassung der Vorschüsse bzgl. des Wirtschaftsjahres 2020 ist dies jedoch unbeachtlich.

Für die Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Nachschüsse bzw. die Anpassung der Vorsc...

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