1 Leitsatz
§ 48 Abs. 5 WEG ist entsprechend auf eine vor dem 1.12.2020 anhängig gewordene Beschlussersetzungsklage anzuwenden.
2 Normenkette
§ 48 Abs. 5 WEG
3 Das Problem
Von einem Sachverständigen vorgeschlagene und zur Abstimmung gestellte alternative Maßnahmen finden keine Mehrheit. Wohnungseigentümer K will es daher mit einer Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage erreichen, dass der Vorschlag des Sachverständigen umgesetzt wird.
Das AG weist zwar die Anfechtungsklage ab. Nach § 21 Abs. 8 WEG a. F. ordnet es aber an, dass der Vorschlag des Sachverständigen umgesetzt wird. Dagegen richtet sich die Berufung der anderen Wohnungseigentümer. Fraglich ist, ob die Klage nach dem 1.12.2020 gegen die Wohnungseigentümer fortgeführt werden kann.
4 Die Entscheidung
Das LG bejaht diese Frage! Zwar habe die in § 21 Abs. 8 WEG a. F. geregelte Beschlussersetzungsklage erst mit Wirkung zum 1.12.2020 eine gesetzliche Ausgestaltung im 3. Teil des WEG erfahren. § 48 Abs. 5 WEG sei aber entsprechend anzuwenden. Diesem liege die Vorstellung zugrunde, dass Änderungen des Verfahrensrechts bereits anhängige Verfahren unberührt lassen, die Änderung verfahrensrechtlicher Vorschriften also auf den Ausgang eines bei Inkrafttreten der verfahrensrechtlichen Neuregelungen anhängigen Verfahrens keine Auswirkungen haben solle.
Die vom AG getroffenen Anordnungen seien auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne die von einem Sachverständigen vorgeschlagenen Maßnahmen zur Mangelbeseitigung nicht allein mit der Begründung beiseiteschieben, mögliche weitere Auswirkungen der vorgeschlagenen Reparaturen auf andere Bauteile seien noch nicht hinreichend ermittelt und müssten noch aufgeklärt werden. Dies gelte jedenfalls dann, wenn lediglich eine allgemeine Befürchtung bestehe. Die die Räume begrenzende Kelleraußenwand werde auch nicht ausschließlich von K genutzt. Die Kelleraußenwand begrenze insgesamt das Gebäude nach außen und habe im Übrigen für das gesamte Gebäude eine wichtige statische Funktion. Hinzu komme, dass die Gemeinschaftsordnung den Wohnungseigentümern nur eine Instandhaltungs-, nicht aber auch eine Instandsetzungspflicht zuweise (Hinweis auf BGH, Urteil v. 9.12.2017, V ZR 124/16).
5 Hinweis
Problemüberblick
Nach § 48 Abs. 5 WEG sind für die bereits vor dem 1.12.2020 bei Gericht anhängigen Verfahren die Vorschriften des 3. Teils des WEG in ihrer bis dahin geltenden Fassung weiter anzuwenden. Dies waren die §§ 43 bis 50 WEG a. F. Die Beschlussersetzungsklage fand sich indessen in § 21 Abs. 8 WEG a. F. und damit im 3. Abschnitt des 1. Teils des WEG a. F. Diese stets zweifelhafte Verortung einer WE-Verfahrensvorschrift hatte man bei Schaffung des WEMoG und Formulierung des § 48 Abs. 5 WEG übersehen. Zwar hat man die Beschlussersetzungsklage in den § 44 WEG "versetzt". Das "Folgeproblem" ist bei § 48 Abs. 5 WEG aber nicht mitgeregelt worden.
Lösung: Analogie
Um zum richtigen Ergebnis zu kommen, dass anhängige Beschlussersetzungsklagen gegen die Wohnungseigentümer nach altem Verfahrensrecht fortzusetzen sind, muss man diese versehentliche Regelungslücke daher im Wege der Analogie füllen. So macht es das Berliner Landgericht – und so haben es davor und danach eigentlich alle Landgerichte gemacht und Kommentatoren befürwortet.
Berufung des K
Auch K hatte sich gegen die AG-Entscheidung gewandt. Diese Berufung hatte keinen Erfolg! Es kam nach der LG-Ansicht nicht in Betracht, einen Negativbeschluss für ungültig zu erklären, wenn die mehrheitliche Ablehnung des zur Abstimmung gestellten Antrags den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung sei an dieser Stelle der Zeitpunkt der Eigentümerversammlung (Hinweis u. a. auf BGH, Urteil v. 16.1.2009, V ZR 74/08 und LG Bremen, Urteil v. 7.10.2016, 4 S 250/15).
6 Entscheidung
LG Berlin, Urteil v. 3.6.2021, 55 S 115/20 WEG