1 Leitsatz

Eine gegen den Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG gerichtete Anfechtungsklage hat bereits dann einen Erfolg, wenn nur eine Position der Jahresabrechnung einen ergebnisrelevanten Fehler enthält.

Eine Teilanfechtung ist nur in Bezug auf die Anpassung der Vor- und Nachschüsse der laufenden Bewirtschaftungskosten und der Rücklagen möglich.

2 Normenkette

§§ 16 Abs. 2 Satz 2, 28 Abs. 2 Satz 1, 44 Abs. 1 Satz 1 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K geht gegen den Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG vor. Er meint, die Verteilung der Kosten einer Erhaltung der Balkone "nach laufendem Meter" sei fehlerhaft. Im Jahr 2019 sei beschlossen worden, die Kosten abweichend von dem vereinbarten Umlageschlüssel (dieser ordnet an, die Kosten nach laufendem Meter umzulegen) nach der Größe der Miteigentumsanteile zu verteilen.

Dies sieht das AG nicht so. Die Wohnungseigentümer seien nicht daran gehindert, eine Verteilung nach einem anderen Umlageschlüssel vorzunehmen als nach demjenigen, der für den die Finanzierung der Maßnahme dienenden "Sonderwirtschaftsplan" gewählt worden sei.

4 Die Entscheidung

Das LG sieht die Dinge wie der Wohnungseigentümer K! Allerdings seien die Wohnungseigentümer nicht gehindert gewesen, über die Frage der Kostenverteilung erneut zu beschließen. Denn die Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG bestehe trotz einer bereits in der Vergangenheit getroffenen Entscheidung fort. Die Änderung des Umlageschlüssels entspreche aber keiner ordnungsmäßigen Verwaltung. Der Zweitbeschluss habe schützenswertes Vertrauen des K verletzt. Die Wohnungseigentümer hätten die Erhaltung der Balkone "untrennbar mit dem Modus der Finanzierung verbunden". Bei Erhaltungsmaßnahmen, mit denen erhebliche Kosten verknüpft seien, hänge die Zustimmung zur Durchführung der Maßnahme ganz entscheidend von der Umlage der Kosten ab. Das Ausmaß der eigenen finanziellen Belastung werde regelmäßig ein Beweggrund sein, die Anfechtbarkeit eines Erhaltungsbeschlusses zu prüfen. Insoweit sei die Sachlage anders, als bei der nachträglichen Änderung eines Umlageschlüssels für laufende, ohnehin anfallende Kosten (beispielsweise Müllkosten), bei denen das "ob" des Anfallens nicht infrage stehe und daher das Vertrauen auf den Umlageschlüssel gegebenenfalls weniger schutzwürdig sei. Das Vertrauen des K sei auch schützenswert, weil er durch die Verteilung der Kosten nach der Größe der Miteigentumsanteile erheblich weniger (16 % statt rund 47 %) der Gesamtkosten zu tragen habe.

Da die Position fehlerhaft sei, sei der Beschluss insgesamt für ungültig zu erklären. Die Beschlussfassung erfasse nur das Ergebnis – also die Anpassung der Vorschüsse. Dem könne nicht entgegengehalten werden, die Abrechnungsspitzen seien als Ergebnisse einer Rechenoperation von den Einzelwerten abhängig. Der Beschlussgegenstand sei das Ergebnis des Abgleichs der Ausgaben mit den Sollvorauszahlungen, die Abrechnung als solche diene nur der Vorbereitung. Solange nicht alle Einzelwerte korrekt seien, könne das Ergebnis nicht zutreffend ermittelt werden.

Für eine "teilweise Aufrechterhaltung der Abrechnungsspitzen" sei kein Raum. Dieses Vorgehen sei zwar nicht prozessökonomisch, angesichts der "klaren Positionierung des Gesetzgebers", die sich auch im Wortlaut des Gesetzes wiederfinde, aber hinzunehmen. Die Ungültigerklärung betreffe allerdings nur die laufenden Kosten der Bewirtschaftung. Soweit der Beschluss nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG auch die Anpassung der Vorschüsse der Rücklagen erfasse, hier der Erhaltungsrücklage (§ 19 Abs. 2 Nr. 4 WEG), bestehe kein Anlass zu einer Ungültigerklärung, denn hier wirke sich der Fehler nicht aus. Insoweit sei der Beschluss trennbar.

5 Hinweis

Problemüberblick

Die Entscheidung behandelt 2 Fragen. Die eine ist, ob es ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, den Umlageschlüssel für eine Erhaltungsmaßnahme für die Jahresabrechnung zu ändern. Die andere ist, ob ein einziger Mangel sämtliche Nachschüsse zu Fall bringt.

Nachträgliche Änderung eines Umlageschlüssels

Der Beschluss, einen Umlageschlüssel nachträglich zu ändern, ist, wie es das LG erkennt, grundsätzlich nur für künftige Wirtschaftspläne und darauf beruhende Abrechnungen ordnungsmäßig. Etwas anderes gilt, wenn besondere Umstände vorliegen. Dies ist der Fall, wenn beispielsweise der bisherige Umlageschlüssel unbrauchbar oder in hohem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergebnissen führt. Ferner gilt etwas anderes bei einem noch nicht abgeschlossenen Vorgang, wenn sich bei typisierender Betrachtung noch kein schutzwürdiges Vertrauen herausgebildet hat.

Der Jahresabrechnung können danach grundsätzlich keine neuen Umlageschlüssel zugrunde gelegt werden. Etwas anderes gilt dann, wenn es von vornherein keinen Wirtschaftsplan und keine Einzelwirtschaftspläne gab oder der jeweilige Genehmigungsbeschluss für ungültig erklärt wurde. Ähnlich liegt es, wenn dem Wirtschaftsplan und den Einzelwirtschaftsplänen unzutreffende, aber stets angewandte Umlageschlüssel zugrunde lagen.

Nachschuss-Beschluss und Ordnungsmäßigkeit

Der Beschluss n...

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