Problemüberblick
Im Fall geht es um den Gebührenstreitwert für eine Beschlussklage, mit der ein Wohnungseigentümer gegen die Nachschüsse nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG vorgeht (eine Klage nur gegen den Nachschuss, den ein Wohnungseigentümer zahlen soll, wäre nicht möglich). Dieser ist nach § 49 GKG zu bestimmen. Der Gebührenstreitwert ist danach auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen (Satz 1). Er darf den 7,5-fachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums aber nicht übersteigen (Satz 2).
Grundsätze
Das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung (§ 49 Satz 1 GKG) ist das Interesse, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Forderungen gegen die Wohnungseigentümer aus § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG nicht verliert. Dazu sind alle Nachschüsse zu addieren. Das Interesse des Klägers i. S. v. § 49 Satz 2 GKG, welches § 49 Satz 1 GKG "sticht", besteht darin, seinen Nachschuss zu reduzieren oder zu eliminieren (im Fall ging es wohl um eine Reduzierung).
Die LG-Lösung
Das LG berichtet nur über das Interesse des Klägers. Es setzt aber nicht den Nachschuss an, den der Kläger zahlen soll (8,80 EUR), sondern die Kosten, die auf den Kläger im abzurechnenden Gesamtjahr 2019 insgesamt entfallen sind (3.632,80 EUR). Damit ignoriert das LG den Gegenstand des Beschlusses nach § 28 Abs. 2 Satz 1 WEG.
Zum Beleg zieht es Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 14 Rn. 209 heran. Dieser Beleg trägt aber nicht. Denn dort heißt es: "Im Ergebnis werden daher die Streitwerte bei Abrechnungsstreitigkeiten deutlich sinken. Das ist zwar im Hinblick auf den Beschlussgegenstand konsequent, aber dennoch in der Sache nicht gerechtfertigt, da inzident auch nach neuem Recht für die Richtigkeit der beschlossenen Zahlungsverpflichtungen die vom Verwalter vorgelegte Abrechnung zu prüfen ist. Hinzu kommt, dass nun die Streitwerte für Wirtschaftspläne, deren Anfechtung wegen des weiten Ermessensspielraums nur selten Erfolg hat, die von Jahresabrechnungen, die ein deutlich komplexeres Prüfungsprogramm haben, übersteigen werden. Überzeugend ist das nicht". Dötsch/Schultzky/Zschieschack beklagen also, § 49 GKG sei verfehlt, sagen aber nicht, es seien die Kosten des Gesamtjahres heranzuziehen. Sie sagen das Gegenteil.
Der andere "Beleg" ist Jennißen/Suilmann, WEG, 7. Aufl., § 49 GKG Rn. 15. Hier übersieht das LG, dass es bei der Randnummer um § 49 Satz 1 GKG geht. Mit § 49 Satz 2 GKG beschäftigt sich Suilmann Rn. 10. Dort und bei Rn. 10a heißt es: "Wendet sich der Kläger gegen die Höhe der auf ihn umgelegten Beiträge, kommt es für die Bemessung seines Interesses (§ 49 Satz 2 GKG) darauf an, in welchem Umfang er sich gegen die Umlage auf ihn wehrt. Will der Kläger erreichen, dass ein auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 und 2 WEG gefasster Beschluss wegen formeller Fehler im Abstimmungsvorgang oder wegen einer fehlenden Grundlage für die Bemessung der Beiträge insgesamt für ungültig erklärt wird, entspricht sein persönliches Interesse dem Nennbetrag der insgesamt auf ihn umgelegten Kosten. Stellt der Kläger nicht die Umlage von Kosten dem Grunde nach in Abrede, sondern beanstandet er lediglich den Ansatz eines falschen Kostenverteilungsschlüssel oder aus anderen Gründen die Höhe der zu seinen Lasten festgesetzten Beiträge, so kommt es für die Wertfestsetzung allein auf den Wert der angegriffenen Positionen an. Das Interesse des Klägers (§ 49 Satz 2 GKG) bestimmt sich in solchen Konstellationen danach, in welchem Umfang eine gerichtliche Entscheidung zu einer Reduzierung seiner Beitragspflichten gegenüber der Gemeinschaft führt."
Die richtige Lösung
Bei § 49 Satz 2 GKG geht es allein um den Nennbetrag im Beschluss. Denn die weiteren Forderungen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer waren bereits Gegenstand des Vorschusses.