1 Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer hat keinen Anspruch, ihm die Anbringung eines Balkonkraftwerks zu gestatten.

2 Normenkette

§ 20 Abs. 2 Satz 1 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K beantragt, ihm für seinen Mieter M nachträglich die Anbringung eines Balkonkraftwerks an der Außenseite des Balkons zu gestatten. Das Modul hat eine Fläche von 168 cm x 100 cm und ist an einen Wechselrichter angeschlossen. Der Antrag findet keine Mehrheit. Gegen diesen Negativbeschluss geht K vor. Ferner erhebt er eine Beschlussersetzungsklage.

4 Die Entscheidung

Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg! Der angefochtene Negativbeschluss entspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung (§§ 19 Abs. 1, 18 Abs. 2 WEG). K habe nämlich keinen Anspruch auf Gestattung. Daher sei auch der Beschlussersetzungsantrag abzuweisen. § 20 Abs. 1 WEG enthalte eine Bausperre für bauliche Veränderungen ohne Zustimmung der Eigentümer. Eine solche Veränderung stelle die Montage einer Photovoltaikanlage dar. Ein Eingriff in die Substanz sei hierzu nicht erforderlich. Die Anlage sei daher illegal angebracht. Aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG könne nicht hergeleitet werden, dass über die dort privilegierten Wall-Boxen hinaus eine Photovoltaikanlage außen am Balkon angebracht werden dürfe. Diese Bestimmung sei auch nicht analog anwendbar. Finde man in der Literatur unter den Stichworten "entspr. Anwendung" und "Klimaschutz" Ausführungen dazu, dass auch weitere privilegierte bauliche Veränderungen unter Berücksichtigung von verfassungsrechtlichen und auch systematischen Gründen sowie § 555b BGB nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG privilegiert seien (Hinweis auf Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 20 Rn. 98 und 103), so sei dies rechtlich nicht haltbar. Nicht im Ansatz erfolge eine Auseinandersetzung damit, wann eine Gesetzesanalogie erfolgen dürfe. Nach der BGH-Rechtsprechung bedürfe es einer planwidrigen Gesetzeslücke und der Wertung, dass deshalb der Gesetzestext unvollständig sei. Eine solche Lücke sei nicht erkennbar. Rechtspolitische Erwägungen, so überzeugend sie sein mögen, genügten nicht. Für den Gesetzgeber sei es möglich gewesen, in § 20 WEG einen eigenen Absatz "Klimaschutz" als allgemein privilegiert aufzunehmen. Stattdessen sei es bei dem in keinerlei inneren Zusammenhang stehenden Sammelsurium von § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG geblieben. Auch der Hinweis auf das Grundgesetz verfange nicht. Außerdem sei zu beachten, dass Art. 20a GG eine so genannte Staatszielbestimmung darstelle und hieraus direkt keine subjektiven Rechte Einzelner folgten. Schließlich könne auch aus § 20 Abs. 3 WEG keine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich der Genehmigung eines Balkonkraftwerks hergeleitet werden, da dieses nachteilig sei.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall bittet ein Wohnungseigentümer für seinen Mieter, also einen Drittnutzer, um die Gestattung der Anbringung eines "Balkonkraftwerks". Insoweit ist zunächst zu fragen, ob es sich hierbei um einen bloßen Gebrauch handelt oder, wie es das AG annimmt, um eine bauliche Veränderung. Geht es um eine bauliche Veränderung, ist dann zu fragen, ob der Verlangende insoweit nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG privilegiert ist.

Balkonkraftwerke

Derzeit wird diskutiert, ob entsprechend § 20 Abs. 2 Satz 1 "Balkonkraftwerke" (eine vergleichsweise kleine Anlage aus Photovoltaikmodulen) privilegiert sein können (siehe Greiner, ZMR 2023, S. 622 ff. und Klimesch, ZMR 2023, S. 522 ff.). Dies wird überwiegend abgelehnt. Insoweit ist zu unterscheiden:

  • "Balkonkraftwerke" im Bereich des Sondereigentums können § 13 WEG unterfallen. Dies ist der Fall, wenn das gemeinschaftliche Eigentum nicht betroffen ist. Für Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung (Erhaltung) des Sondereigentums hinausgehen, gilt dann § 20 WEG mit der Maßgabe entsprechend, dass es keiner Gestattung bedarf, soweit keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.
  • "Balkonkraftwerke", die ohne Verankerung aufgestellt werden, stellen keine bauliche Veränderung dar, da kein Substanzeingriff in das gemeinschaftliche Eigentum vorliegt (das wird auch anders gesehen).
  • Ein Substanzeingriff liegt vor, wenn das "Balkonkraftwerk" an den Wohnungs- bzw. Hausstrom angeschlossen wird und ein Wechselrichter sowie eine Energiesteckdose benötigt werden. Diese und die dafür notwendige Verkabelung stellen in der Regel eine bauliche Veränderung am gemeinschaftlichen Eigentum dar. Streitig ist, ob dieser Eingriff entsprechend § 20 Abs. 2 Satz 1 privilegiert ist. Das AG verneint die Frage. Es gibt auch Gegenstimmen.

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