1 Leitsatz
Einem Beschluss nach § 20 Abs. 1 WEG steht nicht entgegen, dass durch die bauliche Veränderung ein "faktisches" Sondernutzungsrecht zu Gunsten einzelner Wohnungseigentümer geschaffen wird.
2 Normenkette
§§ 20, 21 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer gestatten Wohnungseigentümer X, einen Innenaufzug zu errichten. Dagegen geht Wohnungseigentümer K vor. Er meint, es fehle eine Beschlusskompetenz, da an der Fläche, wo der Innenaufzug errichtet werden solle, ein Sondernutzungsrecht entstehe.
4 Die Entscheidung
Das LG bejaht die Beschlusskompetenz! Zwar habe der BGH die Rechtslage vor dem 1.12.2020 wie K betrachtet (Hinweis auf BGH, Urteil v. 13.1.2017, V ZR 96/16). Diese BGH-Rechtsprechung sei aber nicht mehr anwendbar. Der Gesetzesentwurf zum WEMoG habe auf Vorschlägen aufgebaut, die durch eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet worden seien. Mit dem Gesetzentwurf sollten festgestellte Defizite beseitigt werden. Als Leitlinie dieser Reform habe die Arbeitsgruppe unter anderem gefordert, dass ein Beschluss nicht an der fehlenden Beschlusskompetenz für Sondernutzungsrechte scheitern solle, auch wenn durch die bauliche Veränderung ein "faktisches" Sondernutzungsrecht zugunsten einzelner Wohnungseigentümer geschaffen werde. Im Gesetz spiegele sich dieses Ziel in den §§ 20, 21 WEG wider. Die Nutzungen des baulich veränderten gemeinschaftlichen Eigentums gebühren danach nur denjenigen Wohnungseigentümern, die auch die Kosten der baulichen Veränderung zu tragen hätten.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, ob es für einen Beschluss nach § 20 Abs. 1 WEG eine Beschlusskompetenz gibt, wenn durch die bauliche Veränderung ein "faktisches" Sondernutzungsrecht zugunsten einzelner Wohnungseigentümer geschaffen wird.
Sondernutzungsrecht
Das LG bejaht eine Beschlusskompetenz. Dies sieht auch der BGH mittlerweile so (vgl. BGH, Urteil v. 9.2.2024, V ZR 244/22, Rn. 12 ff.)! Auch er meint also, an seiner Rechtsprechung könne nach der Neufassung der Regelungen über bauliche Veränderungen in §§ 20, 21 WEG durch das WEMoG nicht festgehalten werden.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Jede Verwaltung muss sich im System der §§ 20, 21 WEG auskennen und wissen, dass eine bauliche Veränderung zu einem "faktisches" Sondernutzungsrecht zugunsten einzelner Wohnungseigentümer führen kann. Den Ausgleich schafft § 21 Abs. 4 Satz 1 WEG.
6 Entscheidung
LG München I, Beschluss v. 4.7.2023, 1 S 5214/23