1 Leitsatz

Ein Beschluss über eine Baumaßnahme, der einer Gebrauchsvereinbarung entgegensteht, ist nicht nichtig. Es besteht eine Beschlusskompetenz einem Wohnungseigentümer eine Zahlung zuzuwenden, um damit eine Beeinträchtigung durch einen Entzug der Gebrauchsmöglichkeit des gemeinschaftlichen Eigentums durch eine Baumaßnahme zu kompensieren.

2 Normenkette

§§ 10 Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 3, 20 Abs. 1 WEG

3 Das Problem

Die Wohnungseigentümer beschließen wie folgt: "Beschluss über die Genehmigung zur Errichtung von Gartenhütten im Allgemeineigentum für Fahrräder und Abstellen von Gartenwerkzeugen. Die Finanzierung erfolgt auf eigene Kosten der jeweiligen Eigentümer, die eine solche Gartenhütte auf dem Allgemeineigentum errichten möchten. Die Gartenhütten sollen rechts vom Haus ohne Fundament aufgestellt werden. Die Skizze zum Protokoll wird in die Beschlussfassung mitaufgenommen. Die Eigentümer der Dachgeschosswohnung würden als Entgelt für die Nutzung einen monatlichen Betrag in Höhe von EUR 10,00 pro Wohnung als Nutzungsentschädigung an die Eigentümer der Wohnung OG und DG überweisen. Die Eigentümer der Wohnung OG schließen sich dem Vorschlag an und würden ebenfalls monatlich EUR 10,00 als Nutzungsentschädigung an die Wohnung DG und EG überweisen …". Wohnungseigentümer K ist der Auffassung, der Beschluss sei nichtig. Er widerspreche einer Gebrauchsvereinbarung aus dem Jahre 2016. In dieser sei vereinbart worden, an der Stelle, die nun für die Hütten vorgesehen sei, Mülltonnenstellplätze zu errichten. Im Übrigen gebe es keine Kompetenz über Zahlungen an die Wohnungseigentümer zu beschließen. Das AG weist die Klage ab. Hiergegen richtet sich die Berufung. Ergänzend rügt K, durch den Beschluss werde ein faktisches Sondernutzungsrecht begründet.

4 Die Entscheidung

Die Berufung hat keinen Erfolg! Der Beschluss sei nicht nichtig, was wegen Versäumung der Anfechtungsfrist allein zu prüfen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass die Wohnungseigentümer im Jahre 2016 vereinbart hätten, an der Stelle, an welcher jetzt die Gartenhütten errichtet werden sollen, Mülltonnenstellplätze zu erstellen. Zwar werde die Auffassung vertreten, dass Gebrauchsvereinbarungen Baubeschlüssen, welche diese tangieren, bereits auf Kompetenzebene entgegenstünden. Es werde aber auch jeglicher Bezug von Gebrauchsvereinbarungen für Baubeschlüsse in Abrede gestellt. Dies sei auch überzeugend. Anderenfalls liefe § 20 Abs. 1 WEG, der bauliche Veränderungen einem Mehrheitsbeschluss zugänglich mache, weitgehend leer und erfasse lediglich Bereiche des gemeinschaftlichen Eigentums, für die keine Nutzungsvereinbarung getroffen worden seien. Dies betreffe im Wesentlichen die Fassade, da für die Außenbereiche überwiegend Vereinbarungen (Stellplätze, Garten, Freiflächen) bestünden. Ebenfalls ohne Erfolg rüge K, dass durch den Beschluss de facto ein Sondernutzungsrecht für die bauwilligen Eigentümer begründet werde. Zwar komme § 21 Abs. 1 Satz 2 WEG in seinen faktischen Auswirkungen einem Sondernutzungsrecht gleich. Diese gesetzgeberische Wertentscheidung sei von den Gerichten aber hinzunehmen. Im Übrigen liege ein wesentlicher Unterschied zu Sondernutzungsrechten darin, dass die übrigen Wohnungseigentümer vorliegend nicht dauerhaft von der Nutzung ausgeschlossen seien, denn ihnen stehe gem. § 21 Abs. 4 WEG ein Anspruch auf Mitbenutzung zu, den sie jederzeit geltend machen könnten. Zudem stünde es ihnen nach dem Beschluss frei, ebenfalls an der im Beschluss bezeichneten Stelle eine Hütte zu errichten. Eine Kompetenz, vertragliche Regelungen zwischen den Miteigentümern zu beschließen, gebe es zwar nicht. Der Beschluss regele aber nur einen Ausgleich nach § 14 Abs. 3 WEG.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es im Kern um die Frage, ob man einem Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung an einem Ort gestatten kann, für den eine andere Nutzung vereinbart ist.

LG-Lösung

Das LG bejaht die Frage. Es meint, § 20 Abs. 1 WEG laufe ansonsten leer. Das ist eher Unsinn. Die eigentliche dogmatische Frage, ob man durch einen Beschluss eine Vereinbarung verändern kann, wird jedenfalls nicht gestellt. Die Antwort sollte "nein" lauten. Hier ist aber die Entwicklung abzuwarten. Was in der Praxis gelten wird, muss der BGH entscheiden. Bis dahin sollten solche Gestattungen mit Samthandschuhen angefasst werden.

Sondernutzungsrecht

Mit dem LG ist es richtig, dass ein Wohnungseigentümer, der an einer Stelle bauen darf, beispielsweise einen Personenaufzug errichten darf, eine Fläche zunächst allein gebrauchen darf, wenn die anderen Wohnungseigentümer nach § 21 Abs. 4 WEG die Fläche später mitgebrauchen dürfen. Diese Anforderung ist im Fall aber nicht erfüllt, da die Gartenhütten jeweils allein gebraucht werden. Auch hier kann man dem LG wohl nicht folgen.

Entgelt

Die "Bauherren" waren bereit, für den Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums ein Entgelt zu zahlen – monatlich 10 EUR. Hierin einen Ausgleich nach § 14 Abs. 3 WEG zu sehen, ist verwegen und kaum haltbar.

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