Alexander C. Blankenstein
§ 20 Abs. 2 Satz 1 WEG verleiht dem einzelnen Wohnungseigentümer einen Anspruch auf Gestattung der Durchführung einer angemessenen baulichen Veränderung, bei der den Wohnungseigentümern in aller Regel kein Ermessen bezüglich des "Ob" der Maßnahme eingeräumt ist.
5.1.1 Grundsätze
Konkret verleiht § 20 Abs. 2 WEG den Wohnungseigentümern einen Individualanspruch auf Gestattung von baulichen Veränderungen, die
- dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen,
- dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge,
- dem Einbruchschutz,
- dem Anschluss an das Glasfasernetz und
- der Stromerzeugung durch Steckersolargeräte
dienen.
"Angemessene" bauliche Veränderung
Mit Blick auf diesen Katalog, hat der Wohnungseigentümer einen Anspruch auf eine "angemessene" bauliche Veränderung. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in der Praxis dazu dienen soll, unangemessene Forderungen einer baulichen Veränderung zurückzuweisen. Wann eine Maßnahme unangemessen ist, kann nach Auffassung des Gesetzgebers und des BGH nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entschieden werden. Ein Entscheidungsermessen oder einen Einschätzungsspielraum wird den Wohnungseigentümern dadurch aber nicht eingeräumt.
Zu beachten ist bei diesen Maßnahmen allerdings, dass die Wohnungseigentümer über die Modalitäten der Durchführung im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung entscheiden. Der Individualanspruch des Wohnungseigentümers bezieht sich also nur auf das "Ob" der Maßnahmendurchführung und nicht auf das "Wie". Letzteres obliegt der Ausgestaltung durch die übrigen Wohnungseigentümer im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung.
Rollstuhlrampe
Ein gehbehinderter Wohnungseigentümer begehrt den Bau einer Rollstuhlrampe zur Überwindung des Eingangspodests der Wohnanlage.
Zweifellos hat dieser Wohnungseigentümer einen Anspruch auf barrierefreien Zugang gegen die Gemeinschaft. Den Wohnungseigentümern obliegt aber die Entscheidung darüber, wo und in welcher Form diese Rollstuhlrampe errichtet wird. Des Weiteren können die Wohnungseigentümer im Rahmen ihres Ermessensspielraums auch detaillierte Vorgaben für die bauliche Durchführung machen, die der bauwillige Wohnungseigentümer zu berücksichtigen hat. So kann beispielsweise die Verwendung bestimmter Materialien vorgegeben werden oder etwa auch, dass Kabel unter Putz zu verlegen sind, wenn es um die Schaffung der erforderlichen Infrastruktur zur Installation von Wall-Boxen geht. Letztlich soll hierdurch auch sichergestellt werden, dass bauliche Veränderungen mehrerer Wohnungseigentümer technisch kompatibel sind. Dies gilt insbesondere für Maßnahmen, die dem Einbruchschutz dienen oder auch dem Laden von Batterien für Fahrzeuge. Der Wohnungseigentümer hat nach alldem also keinen Anspruch auf eine bestimmte Durchführung der begehrten Baumaßnahme.
Die Wohnungseigentümer können des Weiteren auch darüber entscheiden, ob die Baumaßnahme auf Kosten des bauwilligen Wohnungseigentümers durch diesen selbst durchgeführt wird oder aber durch die GdWE auf Kosten des bauwilligen Wohnungseigentümers. Führt die Gemeinschaft die Maßnahme durch, können die Wohnungseigentümer über einen vom bauwilligen Wohnungseigentümer an die Gemeinschaft zu leistenden Vorschuss für die entstehenden Kosten der Baumaßnahme beschließen. Dies sollte stets auch geschehen und die Baumaßnahme erst nach Zahlungseingang durchgeführt werden.
Gestattungsmaßnahme
5.1.2 Barrierefreiheit
Dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dienen alle baulichen Veränderungen, die für die Nutzung durch körperlich oder geistig eingeschränkte Personen erforderlich oder auch nur förderlich sind. Hiervon umfasst sind insbesondere
- Zustimmung zur Anlegung eines behindertengerechten Wegs zur Wohnanlage des an den Rollstuhl gefesselten Erdgeschosseigentümers;
- Anlage eines Rollstuhlwegs, wenn ansonsten die Erreichbarkeit von Sonder- und Gemeinschaftseigentum unbillig erschwert ist;
- Einbau eines Treppenlifts im gemeinschaftlichen Treppenhaus;
- Bau einer Rollstuhlrampe;
- Einbau eines einklappbaren 2. Handlaufs;
- Einbau einer Tür im Bereich des vorhandenen Fensters.
Die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG bezieht sich sowohl auf das gemeinschaftliche Eigentum, das sich im Bereich der Wohnung des Wohnungseigentümers befindet, als auch auf das übrige Gemeinschaftseigentum. Über § 13 Abs. 2 WEG gilt die Vorschrift zudem für das Sondereigentum. In allen Fällen kommt es allein darauf an, dass die bauliche Veränderung der tatsächlichen Wahrnehmung einer rechtlich bestehenden Gebrauchsmöglichkeit durch Menschen mit Behinderungen förderlich ist.
Tatsächlich vorliegende Behinderung ist nicht erforderlich
Ob und in welchem Umfang der Wohnungseigentümer oder einer seiner Angehörigen auf die Maßnahme angewiesen ist, spielt keine Rolle. Durch diese abstrakte Betrachtungsweise werden nach Auffassung des Gesetzgebers nicht nur Streitigkeiten über die Notwendigkeit im Einzelfall vermieden, sondern auch dem gesamtgesellschaftlichen Bedü...