Alexander C. Blankenstein
Zusammenfassung
Auch wenn Anlage 1 (zu § 1 Satz 1 ZertVerwV), die die Prüfungsgegenstände für die IHK-Zertifizierungsprüfung im Einzelnen aufführt, bauliche Veränderungen nur im Zusammenhang mit der Durchführung von Eigentümerversammlungen bezüglich der Besonderheiten bei Beschlüssen über bauliche Veränderungen nennt, sind diese doch essenziell für das Wissen und Handeln eines WEG-Verwalters. Insbesondere im Hinblick auf die Maßnahmen energetischer Sanierung, die die Gemeinschaften in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen werden, sind die rechtlichen und praktischen Hintergründe für das Verwalterwissen unverzichtbar.
1 Grundsätze
Sämtliche Maßnahmen, die über die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, stellen nach § 20 Abs. 1 WEG bauliche Veränderungen dar. Sie bedürfen eines Vornahme- oder Gestattungsbeschlusses. Bauliche Veränderungen werden stets mit der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschlossen.
Das durch das WEMoG reformierte Recht kennt lediglich für die Rechtsfolgenseite einer Kostenbelastung unter sämtlichen Wohnungseigentümern eine Vorschrift, nach der ein bestimmtes qualifiziertes Beschluss-Quorum erreicht werden muss, nämlich § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG. Entgegen früherer Rechtslage kommt es nicht darauf an, ob die bauliche Veränderung mit Beeinträchtigungen einzelner Wohnungseigentümer verbunden ist.
Jede bauliche Veränderung muss beschlossen werden
Es ist Sache des Wohnungseigentümers, der eine nicht in der Gemeinschaftsordnung gestattete bauliche Veränderung beabsichtigt, einen Gestattungsbeschluss – gegebenenfalls im Wege der Beschlussersetzungsklage – herbeizuführen, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird. Jede von einem Wohnungseigentümer beabsichtigte bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums bedarf eines legitimierenden Beschlusses, auch wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert werden. Für den bauwilligen Wohnungseigentümer hat der legitimierende Beschluss den Vorteil, dass er, ebenso wie eventuelle Rechtsnachfolger, durch dessen Bestandskraft Rechtssicherheit hat.
Ausnahme: Übliche Veränderungen im räumlichen Bereich des Sondereigentums
Tragende Wände in der Wohnanlage sind auch dann gemeinschaftliches Eigentum, wenn sie sich in der Sondereigentumseinheit eines Wohnungseigentümers befinden. Möchte ein Wohnungseigentümer z. B. ein Regal an einer Wand mit Dübeln befestigen, müsste er hierfür streng genommen einen Gestattungsbeschluss herbeiführen, weil er mit seinem Vorhaben in die Substanz des Gemeinschaftseigentums eingreift. In solchen Fällen ist der BGH der Auffassung, dass innerhalb des räumlichen Bereichs des Sondereigentums übliche Veränderungen des dort befindlichen gemeinschaftlichen Eigentums ohne Weiteres als gestattet anzusehen sind.
2 Systematik der baulichen Veränderungen
Die Systematik des Rechts der baulichen Veränderungen ist nach § 20 WEG geprägt von Gemeinschafts- bzw. Vornahmemaßnahmen einerseits und Gestattungsmaßnahmen andererseits.
Systematik baulicher Veränderungen
Vornahmebeschluss
Zunächst regelt § 20 Abs. 1 WEG die Befugnis zur Beschlussfassung über bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums in Form von Maßnahmen, die seitens der GdWE durchgeführt werden (Vornahmebeschluss).
Überdachung des Eingangsbereichs
Die Wohnungseigentümer beschließen mehrheitlich die Überdachung des Eingangsbereichs der Wohnanlage.
Gestattungsbeschluss
Weiter regelt § 20 Abs. 1 WEG die Befugnis zur Gestattung baulicher Veränderungen durch einen oder einzelne Wohnungseigentümer (Gestattungsbeschluss).
Montage einer Markise
Einer der Wohnungseigentümer möchte im Bereich seines Balkons eine Markise montieren.
§ 20 Abs. 1 WEG regelt nur die Möglichkeit der Vornahme oder Gestattung einer baulichen Veränderung, ohne dass die Bestimmung einen Anspruch auf eine bestimmte bauliche Veränderung verleihen würde. Anders die Regelungen in § 20 Abs. 2 und Abs. 3 WEG. Hiernach können die Wohnungseigentümer unter bestimmten Voraussetzungen die Gestattung von baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums verlangen. § 20 Abs. 4 WEG regelt die Grenzen baulicher Veränderungen, § 21 WEG die Verteilung ihrer Kosten.
3 Grenzen baulicher Veränderung
3.1 Grundsätze
Nach § 20 Abs. 4 WEG dürfen bauliche Veränderungen, die die Wohnanlage grundlegend umgestalten oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, nicht beschlossen und gestattet werden; sie können auch nicht verlangt werden. Der Wortlaut verdeutlicht, dass ein solcher Beschluss lediglich anfechtbar wäre, nicht aber nichtig. Dies bringt das Wort "dürfen" zum Ausdruck, wonach bei Überschreitung der vom Gesetz gesetzten Grenzen ein Beschluss lediglich anfechtbar i...