In Zeiten des vermeintlichen Überflusses an Energie und Rohstoffen wurden die Auswirkungen von Baustoffen und Bauteilen auf Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit kaum beachtet. Sich verknappende Ressourcen sowohl bei der Energie als auch bei Rohstoffen, dazu eine deutlich fortschreitende Erderwärmung, erfordern ein Umdenken. Etwa bei den öffentlich-rechtlichen Anforderungen an Wohngebäude oder bei Förderprogrammen treten solche Aspekte zunehmend in den Vordergrund.
Umweltproduktdeklaration (EPD)
Für eine zunehmende Zahl von Baustoffen und Bauprodukten existieren Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declaration, kurz: EPD). Hierbei werden die Umweltwirkungen eines Produkts auf Basis von Ökobilanzen über den gesamten Lebenszyklus hinweg rechnerisch ermittelt. EPDs sind somit eine wichtige Basis für die Beurteilung und den Vergleich von Bauwerken im Hinblick auf ihre ökologische Qualität.
Auch sind EPDs eine wesentliche Grundlage für Gebäudezertifizierungssysteme. Nach DIN EN 15804 werden die Lebensabschnitte Herstellung und Errichtung (Module A1-A5), Nutzung (Module B1-B7) und Entsorgung (Module C1-C4) unterschieden:
Lebenszyklusmodule nach DIN EN 15804
Life Cycle Assessment (LCA)
Die Inhalte einer EPD setzen sich aus Beschreibungen, Berechnungen und ergänzenden Ausführungen zusammen. Die Ergebnisse der Berechnungen werden auch als LCA (Life Cycle Assessment) bezeichnet. Eine EPD ist in die nachstehenden Bestandteile gegliedert:
Gliederung und Inhalte von Umweltproduktdeklarationen
Für jeden Baustoff wird eine Bezugseinheit deklariert. Im Regelfall sind dies Kilogramm (kg), Kubikmeter (m3) oder Quadratmeter (m2). Alle Kennwerte, die im Rahmen von EPDs ermittelt werden, beziehen sich auf diese Einheit. Für vergleichende Betrachtungen ist deshalb die jeweilige Bezugseinheit zu beachten, im Bedarfsfall sind Umrechnungen erforderlich. Nachstehend findet sich eine Auflistung einiger wesentlicher Kennwerte, die in EPDs ausgewiesen sind:
GWP, Global Warming Potential
Erderwärmungs- bzw. Treibhausgaspotenzial bei der Herstellung eines Baustoffs relativ zum Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Der Kennwert wird daher auch als CO2-Äquivalent bezeichnet [kg CO2,eq/Einh].
PRNRT, Primary Energy Non-Renewable, total
Primärenergieaufwand von nicht erneuerbaren Energieträgern (z. B. Erdöl, Kohle), der zur Herstellung eines Baustoffs benötigt wird [MJ/Einh].
ODP, Ozon Depletion Potential
Ozonschädigungspotenzial von 1 kg eines Stoffes im Verhältnis zu 1 kg Fluorkohlenwasserstoff R11 (Trichlorflurmethan) [-].
AP, Acidification potential of land and water
Versauerungspotenzial Boden und Wasser, Erhöhung der H+-Ionen in Boden, Luft und Wasser ("saurer Regen") [kg SO2-Äq/Einh].
Graue Energie
Für die ökologische Bewertung von Energieträgern, Baustoffen und Bauteilen wird in Zukunft die "graue Energie" an Bedeutung gewinnen.
Definition "Graue Energie"
Graue Energie ist die Gesamtmenge an erforderlicher Energie, die über den Lebenszyklus eines Baustoffs oder Bauprodukts hinweg für Herstellung, Errichtung, Bereitstellung, Instandhaltung, Instandsetzung und Entsorgung aufzuwenden ist. Die graue Energie beschreibt somit den indirekten Energiebedarf von Baustoffen und Bauprodukten (im Gegensatz zum direkten Energiebedarf in der Nutzungsphase, z. B. für Heizung, Warmwasser, Kühlung etc.).
Quellen und Informationen
Umweltproduktdeklarationen können auf den Webseiten von Produktherstellern heruntergeladen werden. Zahlreiche veröffentlichte Umweltproduktdeklarationen sind auch auf der Website des Herausgebers IBU verfügbar. Durch das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMVSB) werden Umweltkennzahlen auch in Datenbankform veröffentlicht. Verpflichtend für alle Umweltproduktdeklarationen sind aktuell die Module A1-A3, welche die Rohstoffaufbereitung, den Transport ins Werk und die werkseitige Produktion umfassen (auch bezeichnet als "von der Wiege bis zum Werkstor"). Alle weiteren Module können, müssen jedoch nicht verpflichtend deklariert werden. Die nachstehende Tabelle enthält Kennwerte für einige ausgewählte Baustoffe:
Ökokennzahlen von ausgewählten Baustoffen unter Angabe der Datenquelle für 1 m3 Baustoff Module A1-A3, Stand 08/2022
CO2 und CO2-Äquivalente
Neben dem Kohlendioxid (CO2) entstehen beispielsweise in industriellen Prozessen, bei Verbrennungsvorgängen sowie in der Landwirtschaft auch andere Treibhausgase. Das Treibhauspotenzial (Global Warming Potential – GWP) dieser Gase kann vom Kohlendioxid erheblich abweichen (z. B. Methan in der landwirtschaftlichen Rinderzucht weist das 25- bis 27-fache Treibhauspotenzial auf wie Kohlendioxid). Um die Auswirkungen solcher Gase auf den Klimawandel vergleichen zu können, werden sie in CO2-Äquivalente umgerechnet, wobei Kohlendioxid die Basis für derartige Betrachtungen mit dem Bezugswert 1 hat. Alle Angaben zu CO2-Emissionen werden als CO2-Äquivalente bezeichnet.
Nachwachsende organische Baustoffe wandeln beim Wachstum das Kohlendioxid aus der umgebenden Luft in S...