Leitsatz (amtlich)

Dem Antrag, einen Wohnungseigentümer zur Beseitigung einer baulichen Veränderung zu verpflichten, steht grundsätzlich ein Eigentümerbeschluss entgegen, durch den der Antrag auf Verpflichtung dieses Wohnungseigentümers zur Beseitigung abgelehnt wurde. Die Grundsätze von Treu und Glauben können es aber verbieten, dass dem Wohnungseigentümer, der die Beseitigung verlangt, die Bestandskraft eines solchen Eigentümerbeschlusses entgegengehalten wird, wenn dieser vor dem Bekanntwerden der Entscheidung des BGH vom 23.8.2001 (BGH v. 23.8.2001, FGPrax 2001, 231) gefasst wurde.

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 15.05.2003; Aktenzeichen 4 T 433/97)

AG Kempten (Aktenzeichen 5 UR 36/96)

 

Tenor

I. Auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluss des LG Kempten (Allgäu) vom 15.5.2003 mit Ausnahme der Nr. 7 aufgehoben.

II. Hinsichtlich des Verfahrensgegenstands Nr. 3 des Beschlusses ist die Hauptsache erledigt.

III. Hinsichtlich des Verfahrensgegenstands Nr. 5 des Beschlusses wird der Antrag des Antragstellers abgewiesen.

IV. Hinsichtlich des Verfahrensgegenstands Nr. 2 und 4 des Beschlusses wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

V. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 7.669 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage. Den Antragsgegnern gehört eine Dachgeschosswohnung; der Antragsteller ist Eigentümer der darunter liegenden Wohnung. Im Bereich der Wohnung der Antragsgegner waren auf der Ost- und Westseite des Dachs Dachflächenfenster aus jeweils einer Glasfläche eingebaut. Die Antragsgegner erneuerten das Dachfenster auf der Ostseite des Daches und wechselten es durch ein Fenster mit zwei Fensterrahmen und zwei Glasflächen aus. Auf der Westseite des Daches vergrößerten sie die beiden dort vorhandenen Dachflächenfenster. Außerdem nahmen sie in ihrer Wohnung die Trennwände zu den Dachabseiten heraus und brachten auf den dadurch gewonnenen Flächen, durch die Wohn- und Schlafzimmer vergrößert wurden, Tapeten, Parkettböden, Rigipsplatten und Dämmmaterial an.

Der Antragsteller hat beim AG beantragt, die Antragsgegner zu verpflichten, geeignete Maßnahmen gegen die durch die Umbauten verursachte Lärmbelästigung zu treffen. Das AG hat mit Beschluss vom 3.2.1997 den Antrag abgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Im Beschwerdeverfahren hat er beantragt, die vorgenommenen baulichen Veränderungen zu beseitigen. Das LG hat mit Beschluss vom 17.8.1999 die sofortige Beschwerde mit dem geänderten Antrag abgewiesen. Mit Senatsbeschluss vom 4.11.1999 (BayObLG, Beschl. v. 4.11.1999, ZMR 2000, 115) wurde dieser Beschluss aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

In der Eigentümerversammlung vom 10.5.2000 lehnten die Wohnungseigentümer den Antrag, die Dachflächenfenster im Wohn- und Schlafzimmer und die Abseiten in den ursprünglichen Zustand zurückzuführen, ab.

Das LG hat am 15.5.2003 entschieden:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG … aufgehoben.

2. Die Antragsgegner werden gesamtschuldnerisch verpflichtet, die Wände zu den Dachabseiten … wiederherzustellen und die baulichen Veränderungen hinter diesen Wänden bis zur Dachabschlussinnenseite zu entfernen … .

3. Die Antragsgegner werden gesamtschuldnerisch verpflichtet, das auf der Ostseite … vergrößerte Dachfenster in der Fläche so weit zu reduzieren, als damit die Fläche der übrigen auf der Ostseite befindlichen Dachfenster nicht überschritten wird.

4. Die Antragsgegner werden gesamtschuldnerisch verpflichtet, die auf der Westseite des Anwesens … befindlichen Dachfenster im Bereich Wohnen und Schlafen in der Fläche so weit zu reduzieren, als damit die Fläche der übrigen auf der Westseite befindlichen Dachfenster nicht überschritten wird.

5. Die Antragsgegner werden gesamtschuldnerisch verpflichtet, das auf der Westseite des Anwesens … zusätzlich geschaffene Dachfenster im Bereich Wohnen zu entfernen und den ursprünglichen Zustand ohne Dachfenster wiederherzustellen.

6. (Kostenentscheidung)

7. (Geschäftswertfestsetzung)

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner.

II. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur teilweisen Zurückverweisung der Sache an das LG.

1. Das LG hat ausgeführt: Die von den Antragsgegnern vorgenommenen baulichen Veränderungen müssten wieder beseitigt werden. Die Wohnungseigentümer hätten zwar am 10.5.2000 beschlossen, dass eine Rückführung in den ursprünglichen Zustand zu unterbleiben habe. Dadurch hätten die Wohnungseigentümer die bauliche Veränderung aber nicht genehmigt. Das gleiche gelte für die Dachabseiten. Die Dachabseiten seien im Aufteilungsplan zwar nicht als Gemeinschaftseigentum bezeichnet, dürften von den einzelnen Wohnungseigentümern aber nur als Stauraum und nicht als Wohnraum benutzt werden. Der vorge...

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