Leitsatz (amtlich)

1) Im Auskunftserzwingungsverfahren gemäß § 132 AktG ist nicht zu prüfen, ob eine erteilte Auskunft unrichtig ist, es sei denn, sie ist nicht ernst gemeint, ersichtlich unvollständig oder von vornherein unglaubhaft.

2) Bestehen Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Auskunft, kann dem Aktionär ein Anspruch auf eidesstattliche Versicherung zustehen (Aufgabe von BayObLGZ 2002, 227).

3) Der Anspruch auf eidesstattliche Versicherung kann ebenfalls im Verfahren nach § 132 AktG, gegebenenfalls im Wege des Stufenantrags, geltend gemacht werden.

4) Die eigene - nicht offensichtlich unzutreffende - Wertangabe eines Antragstellers zu Beginn des Verfahrens stellt ein gewichtiges Indiz für eine zutreffende Bewertung gemäß § 36 Abs. 1 GNotKG dar.

5) Die Befugnis des Rechtsmittelgerichts zur Abänderung einer erstinstanzlichen Geschäftswertfestsetzung aus § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GNotKG erstreckt sich auf die gesamte Wertfestsetzung, auch wenn nur ein Teil des erstinstanzlichen Hauptgegenstands in die Rechtsmittelinstanz gelangt ist.

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 5 HK O 9709/19)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 30. Juli 2020 wird verworfen.

II. Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu gleichen Teilen zu tragen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

IV. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt. Die Festsetzung des Geschäftswerts für den ersten Rechtszug in Ziffer III. des Beschlusses des Landgerichts München I vom 30. Juli 2020 wird dahin abgeändert, dass der Geschäftswert auf 70.000,00 EUR festgesetzt wird.

 

Gründe

A. Die Antragsgegnerin ist eine dualistische Societas Europaea (SE). Ihr Grundkapital ist unterteilt in [...] Stamm- und ...] Vorzugsaktien.

Die Antragsteller sind Aktionäre der Antragsgegnerin. Sie halten insgesamt ein Drittel des Grundkapitals ([...], die übrigen Aktien halten die P. SE [...] sowie die P. Vermögenswaltungs KG [...].

Im Jahr 2016 kaufte die Antragsgegnerin für insgesamt [...] EUR drei Aktienpakete bestehend aus Aktien der Volkswagen AG, der Daimler AG und der BMW AG. Diesen Erwerb beanstandeten die Antragsteller bereits im Jahr 2018.

Anfang 2019 verkaufte die Antragsgegnerin die Aktienpakete und erlöste dafür insgesamt einen etwa 18 % unter dem Einkaufspreis liegenden Betrag [...].

Am 28. Juni 2019 fand eine Hauptversammlung der Antragsgegnerin statt. In dem dort zur Einsichtnahme durch die Aktionäre ausgelegten Abhängigkeitsbericht zum 31. Dezember 2018 waren die Aktienpakete und die Abschreibungen darauf aufgeführt. Im Abhängigkeitsbericht zum 31. Dezember 2017, der bei der Hauptversammlung im Jahr 2018 ausgelegen hatte, waren die Aktienpakete nicht erwähnt worden.

An der Hauptversammlung nahmen die Antragsteller sowie deren Verfahrensbevollmächtigter als Vertreter des Antragstellers zu 1) teil; sie erklärten, dass sie sich jeweils alle Fragen der anderen Antragsteller zu eigen machten. Neben zahlreichen anderen Fragen wurde von Seiten der Antragsteller die Frage gestellt, ob ein Verkauf der Aktienpakete an die Mehrheitsaktionärin, an ein mit dieser verbundenes Unternehmen oder an eine hinter dieser Mehrheitsaktionärin stehende Person erfolgt sei. Das wurde verneint; der Vorstand erklärte, dass ein Verkauf an der Börse erfolgt sei. Daraufhin stellte die Antragstellerseite eine weitere Frage zum Inhalt des Abhängigkeitsberichts, über deren Wortlaut ebenso Streit besteht wie über den Wortlaut der Antwort des Vorstands.

Am 12. Juli 2019 haben die Antragsteller beim Landgericht München I einen Auskunftsantrag gestellt, mit dem sie die Beantwortung von vierzehn Fragen begehrt haben. Sie haben - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - vorgetragen, der anwaltliche Vertreter des Antragstellers zu 1) habe folgende Frage gestellt:

Warum haben die Aktienpakete VW, Daimler, BMW und die Abschreibungen darauf Eingang in den Abhängigkeitsbericht gefunden?

Der Vorstand habe hierzu erklärt, man habe diese Vermögenswerte und die Abschreibungen hierauf aufgenommen, damit der Bericht vollständiger erscheine.

Soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung haben die Antragsteller vor dem Landgericht beantragt,

den Vorstand der Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen über folgende in der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 28. Juni 2019 gestellten Fragen Auskunft zu geben:

[...]

14. Warum haben die Aktienpakete VW, Daimler und BMW und die Abschreibungen darauf Eingang in den Abhängigkeitsbericht gefunden?

Die Antragsgegnerin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die vom Antragsteller zu 1) gestellte Frage habe gelautet:

Im Abhängigkeitsbericht sind Erträge aus Wertpapieren vermerkt. Das sind die Dividenden der Automobilaktien, ebenso die Abschreibungen auf diese Automobilaktien. Das verstehe ich nicht. Was hat das im Abhängigkeitsbericht zu suchen?

Ihr Vorstand habe wie folgt geantwortet:

Der Verkauf der Aktien als Rechtsgeschäft mi...

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