Leitsatz (amtlich)

Vorlage an den BGH zur Frage, ob ein zum Betreuer für einen mittellosen Betroffenen bestellter Rechtsanwalt für anwaltsspezifische Tätigkeiten, für welche ihrer Art nach Prozesskostenhilfe nicht gewährt wird, grundsätzlich aus der Staatskasse Aufwendungsersatz i.H.d. vollen BRAGO-Gebühren beanspruchen kann.

 

Normenkette

BGB § 1835 Abs. 1 und Abs. 3; BRAGO § 123; BerHG § 1; FGG § 28 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 03.02.2003; Aktenzeichen 13 T 21162/02)

AG München (Aktenzeichen 706 VII 714/00)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 20.12.2006; Aktenzeichen XII ZB 118/03)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des LG München I vom 3.2.2003 wird dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.

 

Gründe

I. Für die mittellose Betroffene sind seit November 2001 zwei Betreuer für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Vertretung ggü. Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Vertretung in allen Vollstreckungsverfahren und in Steuerangelegenheiten bestellt. Einer der beiden vertritt die Betroffene in einem Zwangsversteigerungsverfahren. Ein von ihm gestellter Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsversteigerung gem. § 30 a ZVG vom 28.2.2002 wurde einschließlich eines für diesen Antrag gestellten Prozesskostenhilfeantrags am 21.1.2003 zurückgewiesen. Von ihm geführte Verhandlungen mit den Gläubigern führten aber zunächst zu einer einstweiligen Einstellung der Zwangsversteigerung auf Antrag der Gläubiger gem. § 30 ZVG.

Der Betreuer beantragte am 18.6.2002 die Festsetzung seiner Vergütung und des Ersatzes seiner Aufwendungen aus der Staatskasse. Dabei rechnete er als Aufwendungsersatz seine Vertretung im Zwangsversteigerungsverfahren nach der BRAGO ab. Er beantragte eine 3/10-Gebühr von 498,50 Euro gem. § 68 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO, eine Postgebührenpauschale von 20 Euro gem. § 26 BRAGO sowie Umsatzsteuer von 82,98 Euro, insgesamt 601,58 Euro. Das AG setzte unter Anwendung der Sätze für die Vergütung eines Anwalts bei Prozesskostenhilfe gem. § 123 BRAGO einen Betrag von 156,48 Euro fest und wies den weiter gehenden Antrag zurück.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde des Betreuers gegen diesen Beschluss stattgegeben. Mit ihrer hiergegen eingelegten, zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Staatskasse ihr Ziel weiter, eine Abrechnung nach den Sätzen entspr. § 123 BRAGO zu erreichen.

II. Das zulässige, insb. vom LG zugelassene (§ 69 e S. 1, § 56 g Abs. 5 S. 2 FGG) Rechtsmittel ist dem BGH vorzulegen, da der Senat darüber nicht befinden kann, ohne von der auf sofortige weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung des OLG Köln vom 26.6.2002 (OLG Köln v. 26.6.2002 – 16 Wx 109/02, NJW-RR 2003, 712) abzuweichen (§ 28 Abs. 2 S. 1 FGG).

1. Der Senat möchte die sofortige weitere Beschwerde zurückweisen.

a) Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Der Betreuer habe Anspruch auf eine 3/10 Gebühr nach § 68 Nr. 1 Ziff. 1 BRAGO für seine allgemeine Tätigkeit im Zwangsversteigerungsverfahren. Für diese könne Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden. Diese sei auch nur für den von dem Betreuer gestellten Antrag auf Einstellung der Zwangsversteigerung abgelehnt worden. Das berühre aber die übrige Tätigkeit des Betreuers im Zwangsversteigerungsverfahren nicht. Für eine analoge Anwendung von § 123 BRAGO sei kein Raum. Diese Vorschrift gelte nur für den Fall der Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Diese ausdrückliche Voraussetzung stehe einer entspr. Anwendung auf Fälle anwaltlicher Vertretung entgegen, für welche Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden könne. Der Gesetzgeber habe bewusst eine generelle Reduzierung der Rechtsanwaltsgebühren für den Fall der Eintrittspflicht der Staatskasse auf anderer Rechtsgrundlage als § 114 ZPO nicht vorgesehen, obwohl er das neue Betreuungsrecht bei der Anpassung der BRAGO an dieses berücksichtigt habe. Auch aus § 1835 Abs. 3 und Abs. 4 BGB ergebe sich keine entspr. Einschränkung.

b) Nach Auffassung des Senats halten diese Ausführungen der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

aa) Kern der sofortigen weiteren Beschwerde ist die Frage, ob ein Rechtsanwalt, der für einen mittellosen Betroffenen zum Betreuer bestellt worden ist, für die allgemeine Vertretung des Betroffenen in einem Zwangsversteigerungsverfahren Aufwendungsersatz nach den vollen BRAGO-Sätzen verlangen kann oder ob er sich mit den geringeren Sätzen entspr. § 123 BRAGO oder § 132 BRAGO begnügen muss. Grundlage seines Anspruches ist § 1835 Abs. 1 i.V.m. § 1908i Abs. 1 S. 1 BGB. Hiernach kann ein Betreuer nach Maßgabe der für den Auftrag geltenden Vorschriften der §§ 669, 670 BGB Ersatz für Aufwendungen verlangen, die er zum Zwecke der Führung der Betreuung getätigt hat. Als Aufwendungen gelten nach § 1835 Abs. 3 BGB auch solche Dienste des Betreuers, die zu seinem Beruf gehören. Darunter fällt bei einem Rechtsanwalt nach der Rspr. des Senats (BayObLGZ 2001, 368 [372]) regelmäßig auch die Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfah...

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