Leitsatz (amtlich)
1. Die Unanfechtbarkeit einer Untersuchungs- und Vorführungsanordnung gem. § 68b Abs. 3 S. 2 FGG erstreckt sich auch auf die damit verbundene Gestattung der Gewaltanwendung und des Betretens der Wohnung des Betroffenen.
2. Ist der Betroffene zur Beobachtung und Erstellung eines Gutachtens untergebracht und endet die Unterbringung nach Einlegung der weiteren Beschwerde hiergegen, so kann er das Verfahren der weiteren Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit fortführen.
3. Zu den Voraussetzungen der Unterbringung zur Beobachtung gem. § 68b Abs. 4 FGG im Einzelfall.
Normenkette
FGG § 68b Abs. 3-4
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 18.02.2002; Aktenzeichen 42 T 362/02, 41 T 363/02) |
AG Kempten (Aktenzeichen XVII 36/02) |
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG Kempten (Allgäu) vom 18.2.2002 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Das AG prüft aufgrund behördlicher Hinweise derzeit erneut, ob für den Betroffenen ein Betreuer zu bestellen ist, nachdem es im November 2001 ein solches Verfahren, ohne eine Betreuung anzuordnen, eingestellt hat. Es ordnete am 7.2.2002 die Untersuchung des Betroffenen durch den diensthabenden Arzt im Bezirkskrankenhaus und die Vorführung des Betroffenen zur Untersuchung an. Der Betreuungsbehörde gestattete es, bei der Durchführung der Vorführung erforderlichenfalls Gewalt anzuwenden, die Unterstützung der Polizei in Anspruch zu nehmen und die Wohnung des Betroffenen zum Vollzug der Vorführung zu betreten. Der Betroffene wurde am selben Tag in das Bezirkskrankenhaus eingeliefert.
Am 8.2.2002 ordnete das AG mit sofortiger Wirksamkeit die vorläufige Unterbringung des Betroffenen in der geschlossenen Abteilung des Bezirkskrankenhauses zur Untersuchung seines Gesundheitszustandes bis einschl. 28.2.2002 an. Diese Entscheidung wurde mit dem Datum 11.2.2002 ausgefertigt.
Gegen beide Beschlüsse legte der Betroffene Beschwerde ein.
Das LG hat am 18.2.2002 die Beschwerde gegen den Beschluss vom 7.2.2002 verworfen und die gegen den Beschluss vom 8.2.2002, den es mit dem Ausfertigungsdatum bezeichnet hat, zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Betroffene am 20.2.2002 weitere Beschwerde mit dem Ziel seiner sofortigen Entlassung eingelegt. Er wurde am 28.2.2002 nach Abschluss der angeordneten Untersuchung aus dem Bezirkskrankenhaus entlassen. Am 23.5.2002 beantragte der zwischenzeitlich anwaltschaftlich vertretene Betroffene die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsanordnung.
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Soweit das LG das Rechtsmittel des Betroffenen als unzulässig verworfen hat (Anordnung der Untersuchung und Vorführung), ist entgegen der Rechtsmittelbelehrung des LG nicht die sofortige weitere, sondern die (einfache) weitere Beschwerde gegeben (vgl. BayObLG v. 30.3. 2001 – 3Z BR 80/01, FamRZ 2001, 1559). Sie ist unabhängig von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde zulässig (BayObLG v. 24.6.1993 – 3Z BR 111/93, BayObLGZ 1993, 253 [255] = BayObLGReport 1993, 96), jedoch schon deshalb unbegründet, weil die Erstbeschwerde – wie das LG zutreffend ausgeführt hat – nach der ausdrücklichen Regelung in § 68b Abs. 3 S. 2 FGG ausgeschlossen ist. Soweit die Betreuungsbehörde durch die Anordnung ermächtigt wurde, die Unterstützung durch die Polizei in Anspruch zu nehmen (vgl. § 33 Abs. 2 S. 1 und 3 FGG) und die Wohnung des Betroffenen zum Vollzug der Vorführung zu betreten (vgl. Art. 13 Abs. 2 GG), handelt es sich um die Anordnung unselbstständiger Modalitäten zum Vollzug der Vorführungsanordnung, die deshalb ebenfalls unter § 68b Abs. 3 S. 2 FGG fällt und nicht anfechtbar ist (vgl. BayObLG FamRZ 1994, 1190; OLG Hamm v. 20.6.1996 – 15 W 143/96, FamRZ 1997, 440 [441]). Auf die Erledigung der Hauptsache kommt es hier angesichts der Unstatthaftigkeit der Erstbeschwerde nicht mehr an.
2. Soweit sich der Betroffene gegen die Unterbringung wendet, ist entgegen der Rechtsmittelbelehrung des LG ebenfalls die einfache weitere Beschwerde statthaft (BayObLG v. 30.3.2001 – 3Z BR 80/01, FamRZ 2001, 1559; Bassenge/Herbst/Roth, FGG/RPflG, 9. Aufl., § 68b FGG Rz. 11). Zwar ist mit Ablauf der Unterbringung Erledigung der Hauptsache eingetreten (vgl. Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 19 Rz. 87 „Freiheitsentziehung”). Das eingelegte Rechtsmittel bleibt gleichwohl zulässig, weil der Betroffene, wie sich aus der Beschwerdebegründung vom 23.5.2002 ergibt, die Feststellung begehrt, dass die Unterbringung rechtswidrig war (BVerfG v. 10.5.1998 – 2 BvR 978/97, NJW 1998, 2432; InfAuslR 2002, 132; BayObLGZ 1999, 24; 2000, 220 [221]).
3. Das LG hat ausgeführt, die Voraussetzungen des § 68b Abs. 4 FGG lägen vor. Nach Ansicht der Sachverständigen, einer Ärztin des Bezirkskrankenhauses, bestehe der Verdacht auf eine Persönlichkeitsstörung, deren Art derzeit noch nicht klassifiziert werden könne. Zur Untersuchung seien voraussichtlich drei Wochen notwendig.
4. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO n.F.) auch insoweit stand.
a) § 68b Abs. 4 FGG