1 Leitsatz

Für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung ist der objektive Inhalt der Mitteilung maßgeblich, die an die die Fristverlängerung beantragende Partei gerichtet ist; auf diesen kann sich der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers grundsätzlich verlassen. Hat das Berufungsgericht die Begründungsfrist bis zu einem konkret bezeichneten Tag verlängert, kommt es auf den Beginn der verlängerten Frist nicht an, weil das Ende der Frist konkret feststeht.

2 Normenkette

§ 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO; Art. 103 Abs. 1 GG

3 Das Problem

Ein AG verurteilt Wohnungseigentümer B, an die klagende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K einen Betrag in Höhe von 1.096,47 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Eine Feststellungswiderklage des B weist es ab. In dem Termin vor dem AG wird B durch einen Rechtsanwalt Z vertreten. Das Urteil wird laut Postzustellungsurkunde ungeachtet dessen nicht Z, sondern B persönlich am 6.8.2020 durch Niederlegung in einen zu dem Geschäftsraum des B gehörenden Briefkasten zugestellt. B legt mit einem am 7.9.2020 (Montag), eingegangenen Schriftsatz Berufung ein. Mit Schriftsatz vom 7.10.2020 (Mittwoch) beantragt B, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis zum 9.11.2020 (Montag) zu verlängern. Die Vorsitzende der Berufungskammer verlängert die Berufungsbegründungsfrist entgegen diesem Antrag nur bis zum 6.11.2020 (Freitag). Die Berufungsbegründungsschrift geht schließlich am 7.11.2020 bei dem Berufungsgericht (LG) ein. Das LG verwirft die Berufung nach Beweisaufnahme durch Urteil als unzulässig. Es hält die Berufung für unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet worden sei. Die Berufungsbegründungsfrist sei bewusst nur bis zum 6.11.2020 verlängert worden. Denn das erstinstanzliche Urteil sei bereits am 6.8.2020 zugestellt worden. Die Zustellung sei auch wirksam. Das AG habe die Entscheidung nicht an Z zustellen müssen. Denn die in dem AG-Termin vorgelegte Vollmacht des Z sei auf die Terminvertretung beschränkt gewesen und habe Zustellungen nicht erfasst. Die Postzustellungsurkunde erbringe den Beweis dafür, dass die Voraussetzungen für die Zustellung durch Niederlegung vorgelegen hätten und der Zusteller den Umschlag mit dem Urteil in den richtigen Briefkasten gelegt habe. B habe den möglichen Gegenbeweis nicht geführt. Denn die Beweisaufnahme habe insoweit ein "non liquet" ergeben. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist könne nicht gewährt werden. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde will B eine Entscheidung in der Sache herbeiführen.

4 Die Entscheidung

Im Ergebnis ohne Erfolg! B habe die Berufung nicht innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet (§ 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Die Nichtzulassungsbeschwerde rüge zu Unrecht, dass das LG den Anspruch des B auf rechtliches Gehör verletzt habe, indem es die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an B persönlich als zulässig angesehen und den angebotenen Sachverständigenbeweis zum Vorliegen eines Zustellmangels nicht erhoben habe (Art. 103 Abs. 1 GG). Diese Rüge sei unbeachtlich, weil es nicht auf den Beginn der verlängerten Berufungsbegründungsfrist ankomme. Für den Umfang einer gerichtlichen Fristverlängerung sei nämlich der objektive Inhalt der Mitteilung maßgeblich, die an die die Fristverlängerung beantragende Partei gerichtet sei. Habe ein Berufungsgericht die Begründungsfrist bis zu einem konkret bezeichneten Tag verlängert, komme es auf den Beginn der verlängerten Frist nicht an, weil das Ende der Frist konkret feststehe. Im Fall sei die Fristverlängerung durch das Berufungsgericht ihrem objektiven Inhalt nach eindeutig. Die Frist zur Begründung der Berufung sei danach nur bis zum 6.11.2020 verlängert worden. B habe diese gerichtliche Frist nicht gewahrt.

5 Hinweis

Problemüberblick

Die Berufungsbegründungsfrist beträgt 2 Monate. Sie beginnt gem. § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils, spätestens 5 Monate nach dessen Verkündung, und damit gleichzeitig mit der Berufungsfrist (§ 517 ZPO). Die Berufungsbegründungsfrist kann verlängert werden. Ohne Einwilligung um bis zu 1 Monat, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt (§ 522 Abs. 2 Satz 3 ZPO); mit Einwilligung darüber hinaus (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO).

Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist

Eine Verlängerung setzt grundsätzlich einen vor Fristablauf gestellten Antrag voraus. Der gewünschte Verlängerungszeitraum muss beim Antrag nicht angegeben werden. Zuständig für die Entscheidung über den Verlängerungsantrag ist der Vorsitzende. Gibt er einem eindeutigen Antrag statt, ist die Rechtslage klar. Bewilligt er einen kürzeren Zeitraum, und begründet er dies nicht, wird zugleich der weiter gehende Antrag abgelehnt.

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Die Verwaltung ist prozessual nicht in der Lage, ohne Einschaltung eines Rechtsanwaltes für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das Verfahren in der Berufung zu führen....

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