Verfahrensgang
LG Duisburg (Entscheidung vom 07.01.2022; Aktenzeichen 11 T 96/21) |
AG Duisburg (Entscheidung vom 29.06.2021; Aktenzeichen 11a XIV (B) 81/21) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 7. Januar 2022 aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Duisburg vom 29. Juni 2021 den Betroffenen im Zeitraum bis zum 13. Juli 2021 in seinen Rechten verletzt hat.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Kreis Wesel auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
Gründe
Rz. 1
I. Der Betroffene ist ghanaischer Staatsbürger. Er reiste im Jahr 2015 in das Bundesgebiet ein. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte mit zwischenzeitlich in Bestandskraft erwachsenen Bescheid vom 29. Dezember 2017 seinen Asylantrag ab und drohte ihm die Abschiebung an. Ein Asylfolgeantrag des Betroffenen blieb ebenfalls ohne Erfolg.
Rz. 2
Mit Beschluss vom 29. Juni 2021 hat das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde gegen den Betroffenen Ausreisegewahrsam bis zum 14. Juli 2021 angeordnet. Die nach Abschiebung des Betroffenen noch auf Feststellung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 7. Januar 2022 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
Rz. 3
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
Rz. 4
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Verfahrensrechte des Betroffenen seien auch ohne die Anwesenheit der von ihm benannten Rechtsanwältin gewahrt worden.
Rz. 5
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht Stand. Die Verfahrensweise des Amtsgerichts hat den Betroffenen in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt.
Rz. 6
a) Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert jedem Betroffenen das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2014 - V ZB 32/14, InfAuslR 2014, 442 Rn. 8; vom 12. November 2019 - XIII ZB 34/19, juris Rn. 7; vom 15. Dezember 2020 - XIII ZB 123/19, InfAuslR 2021, 242 Rn. 8). Erfährt oder weiß das Gericht, dass der Betroffene einen Rechtsanwalt hat, muss es dafür Sorge tragen, dass dieser von dem Termin in Kenntnis gesetzt und ihm die Teilnahme an der Anhörung ermöglicht wird; gegebenenfalls ist unter einstweiliger Anordnung einer nur kurzen Haft nach § 427 FamFG ein neuer Termin zu bestimmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Oktober 2018 - V ZB 69/18, InfAuslR 2019, 152 Rn. 5; vom 7. April 2020 - XIII ZB 84/19, juris Rn. 9 f.; vom 15. Dezember 2020 - XIII ZB 28/20, juris Rn. 16; vom 5. Dezember 2023 - XIII ZB 91/22, juris Rn. 5). Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft; es kommt in diesem Fall nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf diesem Fehler beruht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. April 2017 - V ZB 59/16, InfAuslR 2017, 292 Rn. 7; vom 12. November 2019 - XIII ZB 34/19, juris Rn. 7; vom 5. Dezember 2023 - XIII ZB 15/23, juris Rn. 7).
Rz. 7
b) Unter Beachtung dieser Maßstäbe hätte das Amtsgericht dem Betroffenen Gelegenheit geben müssen, die von ihm benannte Rechtsanwältin zum Verfahren hinzuziehen, und Haft zunächst nur im Wege der einstweiligen Anordnung verhängen dürfen. Der Betroffene hat im Verlauf seiner persönlichen Anhörung bekundet, dass er die Vertretung von Frau Rechtsanwältin Dr. D. wünsche. Der Hinweis des Gerichts, dass zu allen drei (im Haftantrag) genannten Kanzleien, und damit auch zu derjenigen der Rechtsanwältin Dr. D., Kontakt aufgenommen worden sei, jedoch keiner der Rechtsanwälte zum Termin habe erscheinen können, enthob das Gericht nicht, dem Betroffenen durch eine geeignete Verfahrensgestaltung vor der abschließenden Entscheidung die gewünschte anwaltliche Vertretung zu ermöglichen. Darauf, dass keiner der im Haftantrag aufgeführten Vertreter einen Verlegungsantrag gestellt hat, kommt es nicht an. Weder aus dem Protokoll noch aus den vom Beschwerdegericht eingeholten dienstlichen Stellungnahmen lässt sich entnehmen, dass die vom Betroffenen benannte Rechtsanwältin rechtzeitig Kenntnis von dem Termin erlangt hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2022 - XIII ZB 50/21, NVwZ-RR 2022, 885 Rn. 8). Da der Haftantrag am 26. Juni 2021 erst um 11:20 Uhr per Fax beim Amtsgericht einging und die persönliche Anhörung noch am gleichen Tag stattfand, liegt das auch nicht nah.
Rz. 8
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
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Fundstellen
Dokument-Index HI16241342 |