Tenor
Auf die weitere sofortige Beschwerde des Beklagten werden die Beschlüsse des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Februar 2001 und der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 6. November 2000 aufgehoben.
Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Januar 2000 gewährt.
Dem Beklagten wird Prozeßkostenhilfe für das Verfahren der weiteren sofortigen Beschwerde versagt.
Beschwerdewert: 120.000 DM
Gründe
I. Gegen den Beklagten ist durch das Landgericht Düsseldorf am 12. Januar 2000 Versäumnisurteil ergangen, das am 8. Februar 2000 durch Niederlegung zugestellt worden ist. Er hat dagegen durch anwaltlichen Schriftsatz, beim Landgericht Düsseldorf eingegangen am 19. Juli 2000, Einspruch eingelegt und sodann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist beantragt. Mit Beschluß vom 6. November 2000, zugestellt am 5. Dezember 2000, hat das Landgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und den Einspruch als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten hat das Oberlandesgericht durch am 5. März 2001 zugestellten Beschluß vom 27. Februar 2001 zurückgewiesen. Hiergegen hat der Beklagte weitere sofortige Beschwerde, beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingegangen am 26. März 2001, eingelegt. Zur Durchführung der weiteren sofortigen Beschwerde beantragt er Prozeßkostenhilfe.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte weitere sofortige Beschwerde (§ 568 a ZPO) ist zulässig und begründet. Der Beklagte war ohne Verschulden verhindert, die Notfrist für die Einlegung eines Einspruchs einzuhalten (§ 339 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 233 ZPO).
1. Der Beklagte, griechischer Staatsangehöriger, hat vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht:
Am 10. April 1999 sei er aus N. in sein Heimatland gereist, weil sich seine Mutter einen Oberschenkelhalsbruch zugezogen habe. Am 27. Juli 1999 sei die Mutter verstorben. Mitte August 1999 habe sich einer seiner Brüder bei einem Unfall erhebliche Verletzungen zugezogen; der vom Bruder gesteuerte Traktor sei umgestürzt und habe den Fahrer unter sich begraben. Etwas später sei ein anderer Bruder erkrankt. Aufgrund dieser Umstände habe er sich als ausgebildeter Chirurg länger als ursprünglich geplant – und zwar bis zum 3. Juni 2000 – in Griechenland aufgehalten. Im August 1999 seien seine Ehefrau und seine älteste Tochter gleichfalls nach Griechenland nachgekommen. In der ehelichen Wohnung in N. seien allein die beiden jüngeren Töchter, geboren 1984 und 1985, verblieben. Die Töchter habe er angewiesen, die eingehende Post zu lesen und ihm darüber telefonisch Bericht zu erstatten. Wichtige Post hätten sie ihm auftragsgemäß per Telefax zukommen lassen. Unterlagen über den Rechtsstreit hätten beide Töchter indes in der eingegangenen Post nicht vorgefunden, auch keinen Benachrichtigungsschein über eine beim Postamt abzuholende Sendung. Ein Schreiben der Stadtsparkasse D. vom 29. Mai 2000 habe eine Pfändung seitens des Klägers angezeigt. Dieses Schreiben hätten ihm die Töchter am 3. Juni 2000 per Fax übermittelt. Daraufhin habe er am 4. Juni 2000 die Rückreise nach N. angetreten.
2. Zu Recht ist das Oberlandesgericht von einer wirksamen Ersatzzustellung des Versäumnisurteils am 8. Februar 2000 nach § 182 ZPO ausgegangen. Insbesondere handelte es sich bei der Wohnung in N. auch zu diesem Zeitpunkt noch um die Wohnung des Beklagten. Wie das Beschwerdegericht zutreffend näher ausführt, hat der Beklagte, der sich nur aufgrund der nacheinander eingetretenen Erkrankungen mehrerer Familienmitglieder länger als geplant in Griechenland an verschiedenen Orten aufgehalten hat, dort keinen neuen Lebensmittelpunkt begründet. Dies wird mit der weiteren Beschwerde auch nicht (mehr) angegriffen.
3. Den Beklagten trifft kein Verschulden an der Versäumung der Einspruchsfrist. Ein etwaiges schuldhaftes Verhalten der Töchter ist dem Beklagten nicht zuzurechnen. Ihm kann gemäß § 85 Abs. 2 ZPO nur ein Verschulden von Bevollmächtigten angelastet werden. Die beiden in der Wohnung verbliebenen Töchter waren indes nicht seine Bevollmächtigten; sie waren seine Hilfspersonen, die ihm halfen, seinen Obliegenheiten bei möglichen Zustellungen nachzukommen (vgl. Beschluß des Senats vom 28. Juli 1999 – VIII ZB 3/99 – NJW-RR 2000, 444 unter 2 b). Dem Beklagten gereicht es auch nicht zum Verschulden, seine beiden Töchter als Hilfspersonen in Anspruch genommen zu haben. Zwar waren beide Töchter noch nicht volljährig (§ 2 BGB). Doch muß angesichts der Umstände angenommen werden, daß die Jugendlichen in ihrem Reifeprozeß hinreichend vorangeschritten waren. Anderenfalls hätte es nicht gelingen können, daß die Töchter, allein auf sich gestellt, ohne Eltern in der Zeit von November 1999 bis Anfang Juni 2000 in der Wohnung in N. lebten und die Schule besuchten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß in § 181 ZPO „erwachsene” Personen als mögliche Empfänger von Ersatzzustellungen genannt werden. Abgesehen davon, daß hier kein Fall des § 181 ZPO vorliegt, ist der Begriff „erwachsen” nicht mit „volljährig” gleichzusetzen. Erforderlich ist insoweit lediglich nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 13. Januar 1981 – VI ZR 180/79 – NJW 1981, 1613 unter 1 a), daß die Person nach ihrem Auftreten und äußerem Erscheinungsbild erwarten läßt, sie werde das zuzustellende Schriftstück ordnungsgemäß weitergeben und die Person ihrer körperlichen Entwicklung nach einem Erwachsenen ähnlich ist. Dies wird bereits meist bei 15jährigen Jugendlichen angenommen (Nachweise bei Musielak/Wolst, ZPO, 2. Aufl., § 181 Rdnr. 6).
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts kann dem Beklagten auch nicht vorgeworfen werden, seine Töchter über den Umgang mit eingehenden Postsendungen nur unzureichend unterwiesen zu haben. Wie die Töchter an Eides statt versichern, hat ihr Vater ihnen „… eingehend aufgegeben, alle eingehende Post Tag für Tag zu öffnen, zu lesen und ihm darüber telefonisch Bericht zu erstatten, gegebenenfalls die entsprechenden Schreiben per Fax nach Griechenland zu übermitteln”. Es sind keine Anhaltspunkte vorhanden, die Zweifel am Inhalt dieser Versicherung begründen könnten.
III. Prozeßkostenhilfe konnte dem Beklagten nicht gewährt werden. Die von ihm vorgelegte Erklärung gemäß § 117 Abs. 2 ZPO über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse läßt eine Bedürftigkeit im Sinne des § 114 ZPO nicht erkennen. Die Formularfrage nach Einnahmen aus nichtselbständiger oder selbständiger Tätigkeit ist nicht beantwortet; es ist auch nicht mitgeteilt, weshalb der Beklagte derzeit kein Einkommen erzielen kann.
Unterschriften
Dr. Deppert, Dr. Hübsch, Dr. Leimert, Wiechers, Dr. Wolst
Fundstellen
NJW 2002, 681 |
NJW-RR 2002, 137 |
VersR 2002, 1169 |