Leitsatz (amtlich)
Auf die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei kommt es nicht entscheidend an, wenn im Einzelfall eine konkrete Anweisung erteilt worden ist, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätte.
Normenkette
ZPO § 233
Verfahrensgang
LG Dresden (Aktenzeichen 5 O 5672/98) |
OLG Dresden (Aktenzeichen 9 U 942/99) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 27. Dezember 1999 aufgehoben.
Dem Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
Beschwerdewert: 23.465,35 DM
Gründe
I.
Der Beklagte hat gegen ein ihm nachteiliges landgerichtliches Urteil rechtzeitig am 1. April 1999 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsschrift ist am 4. Mai 1999 beim Berufungsgericht eingegangen. Der Beklagte hat nach Mitteilung dieses Eingangsdatums rechtzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Er hat unter Vorlage von zwei eidesstattlichen Versicherungen zur Begründung vorgetragen, sein Prozeßbevollmächtigter habe die Berufungsbegründungsschrift am Nachmittag des 3. Mai 1999 der sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten L. gesondert mit der ausdrücklichen Anweisung übergeben, den Schriftsatz sofort an das Berufungsgericht zu faxen, da die Frist am selben Tage ablaufe. Frau L. habe diese Anweisung bestätigt. Anschließend sei sie aber durch ein Telefongespräch so abgelenkt worden, daß sie den Berufungsbegründungsschriftsatz in den normalen Postgang gegeben habe. Bei Dienstschluß habe Frau L. dann die Berufungsbegründungsfrist im Fristenbuch gestrichen und dort einen Erledigungsvermerk angebracht, ohne daß der Schriftsatz per Fax versandt worden war.
Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht den Antrag des Beklagten, ihm wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Nach dem glaubhaft gemachten Sachverhalt ist der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten seiner Verpflichtung, für den rechtzeitigen Eingang der Berufungsbegründung zu sorgen, dadurch nachgekommen, daß er der Kanzleiangestellten L. eine konkrete Einzelanweisung erteilt hat, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß eine Angestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, derartige Weisungen befolgt (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 26. September 1995 – XI ZB 13/95, NJW 1996, 130; vom 13. April 1997 – XII ZB 56/97, NJW 1997, 1930; vom 11. Februar 1998 – XII ZB 184/97, NJW-RR 1998, 787, 788). Es besteht keine Verpflichtung, sich anschließend über die Ausführung zu vergewissern.
Auf allgemeine organisatorische Vorkehrungen eines Rechtsanwalts für die Fristwahrung, mit denen sich das Berufungsgericht befaßt hat, kommt es nicht entscheidend an, wenn konkrete Anweisungen erteilt worden sind, die bei Befolgung die Fristwahrung sichergestellt hätten (BGH, Beschluß vom 18. März 1998 – XII ZB 180, 96, NJW-RR 1998, 1360, 1361). Allgemeine Hinweise für das Verhalten im Telefaxverkehr konnten sich ohnedies nicht auswirken, da der Angestellten L. entfallen war, daß die Berufungsbegründung per Telefax zu übermitteln war.
Unterschriften
Ullmann, Thode, Haß, Wiebel, Wendt
Fundstellen
BB 2000, 1964 |
DStZ 2000, 804 |
HFR 2001, 716 |
NJW 2000, 2823 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2000, 1158 |
VersR 2001, 783 |
MittRKKöln 2000, 326 |