Normenkette
WoEigG § 21 Abs. 4 aF
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15. Juli 2021 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen insoweit aufgehoben, als der Beschlussanfechtungsklage wegen eines materiellen Beschlussmangels stattgegeben worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurück-verwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 49.970 €.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Parteien bilden eine zerstrittene, verwalterlose Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE); den Klägern und den Beklagten gehören jeweils zwei Einheiten, wobei die Beklagten über eine knappe Mehrheit der Stimmen verfügen. Die Parteien streiten seit längerem über die Erforderlichkeit einer Dachsanierung. Nach Vorprozessen einigten sie sich auf eine sachverständige Begutachtung. Der daraufhin beauftragte Sachverständige stellte in seinem Gutachten vom 5. Dezember 2017 einen kurzfristigen Reparaturbedarf fest. Die Sanierung des Daches empfahl er erst nach Ablauf von drei bis fünf Jahren. Nach wechselseitiger anwaltlicher Korrespondenz luden die Beklagten mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 zu einer Eigentümerversammlung für den 19. November 2019 ein, zu der die Kläger nicht erschienen. Die Beklagten beschlossen zu TOP 1 die vollständige Sanierung des Daches und zu TOP 2 die Erhebung einer Sonderumlage von 100.000 €.
Rz. 2
Die allein gegen den Beschluss zu TOP 1 gerichtete Anfechtungsklage der Kläger ist am 19. Dezember 2019 bei Gericht eingegangen. Der am 30. Dezember 2019 angeforderte Kostenvorschuss ging am 15. Januar 2020, die Klagebegründung am 20. Januar 2020 (Montag) ein. Nachdem eine Sachstandsanfrage des Klägervertreters am 6. Juli 2020 bei Gericht eingegangen war, wurde die Zustellung der Klage veranlasst, und sie erfolgte am 14. Juli 2020. Das Amtsgericht hat die Klage wegen Versäumung der Klagefrist abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht den Beschluss zu TOP 1 für ungültig erklärt und die Revision nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde, deren Zurückweisung die Kläger beantragen, verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter.
II.
Rz. 3
Das Berufungsgericht sieht die Klagefrist als gewahrt an, weil die Zustellung im Sinne von § 167 ZPO „demnächst“ erfolgt sei. Da die Kläger mit der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses die ihnen obliegenden Mitwirkungshandlungen erbracht hätten, sei es ihnen nicht anzulasten, dass sie vor einer Sachstandsanfrage an das Gericht fast sechs Monate zugewartet hätten. Insoweit könne die gesetzliche Wertung des § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB herangezogen werden. Die dort vorgesehene Frist von sechs Monaten hätten die Kläger gewahrt. Der gefasste Beschluss sei formell rechtmäßig, weil sich aus der anwaltlichen Korrespondenz ergebe, dass die Kläger die Beklagten ermächtigt hätten, zu einer Eigentümerversammlung einzuladen. Er erweise sich aber als materiell rechtswidrig, weil er auf einer unzureichend ermittelten Tatsachengrundlage gefasst worden sei.
III.
Rz. 4
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat insoweit Erfolg, als sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht einen materiellen Beschlussmangel angenommen hat.
Rz. 5
1. Soweit das Berufungsgericht die Klagefristen des - hier noch anwendbaren (§ 48 Abs. 5 WEG) - § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 WEG aF für gewahrt hält, ist die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung allerdings nicht gegeben und die Zulassung der Revision nicht veranlasst. Zwar ist die Zustellung der Klage erst am 14. Juli 2020 erfolgt. Da aber der angeforderte Gerichtskostenvorschuss am 15. Januar 2020 und damit rechtzeitig eingezahlt worden war, steht die Ansicht des Berufungsgerichts, die Zustellung sei „demnächst” im Sinne von § 167 ZPO erfolgt, jedenfalls im Ergebnis im Einklang mit der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, zu deren Fortentwicklung der Fall keinen Anlass gibt.
Rz. 6
a) Das Berufungsgericht legt die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zugrunde, nach der Verzögerungen im Zustellungsverfahren, die - wie hier - durch eine fehlerhafte Sachbehandlung des Gerichts verursacht sind, dem Kläger grundsätzlich nicht zuzurechnen sind. Hat er alle von ihm geforderten Mitwirkungshandlungen für eine ordnungsgemäße Klagezustellung erbracht, insbesondere den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt, so sind er und sein Prozessbevollmächtigter im Weiteren nicht mehr gehalten, das gerichtliche Vorgehen zu kontrollieren und durch Nachfragen auf die beschleunigte Zustellung hinzuwirken (grundlegend BGH, Urteil vom 12. Juli 2006 - IV ZR 23/05, BGHZ 168, 306 Rn. 20 ff.; im Anschluss daran BGH, Urteil vom 22. September 2009 - XI ZR 230/08, BGHZ 182, 284 Rn. 16; Urteil vom 1. Oktober 2019 - II ZR 169/18, juris Rn. 11; Urteil vom 25. Februar 2021 - IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rn. 45; Urteil vom 21. März 2022 - VIa ZR 275/21, WM 2022, 745 Rn. 20 f.).
Rz. 7
b) Mit dieser Rechtsprechung ist der von dem Berufungsgericht allgemein für richtig erachtete Rechtsverlust nach Ablauf einer (mit der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses beginnenden) Frist von sechs Monaten allerdings unvereinbar. Insbesondere ergibt sich eine derartige Frist nicht aus § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB (gemeint ist wohl Satz 3). Diese Norm betrifft die Hemmung der Verjährung und damit anders gelagerte materiell-rechtliche Fragen. Eine allgemeine Frist von (nur) sechs Monaten wäre zudem unpassend. Da der Kläger darauf vertrauen darf, dass das Gericht seine Aufgaben wahrnimmt, ist er zu einer Kontrolle des Gerichts und Nachfragen grundsätzlich nicht gehalten, zumal die Zustellung auch deshalb unterbleiben kann, weil gerichtsinterne Gründe einen Terminierungsrückstand zur Folge haben. Hat der Rechtssuchende alles getan, was das Gesetz ihm auferlegt, kann ein Rechtsverlust aufgrund von Fehlern des Gerichts allenfalls in besonderen Ausnahmefällen dann in Betracht kommen, wenn für die Partei klar und eindeutig erkennbar ist, dass sie eine Mitwirkungsobliegenheit trifft; gerade in Fristfragen muss schon aus verfassungsrechtlichen Gründen für den Rechtsuchenden klar erkennbar sein, was er zu tun hat, um einen Rechtsverlust zu vermeiden (BVerfG, NJW 2005, 3346, 3347; NJW 1991, 2076).
Rz. 8
c) Der Rechtsfehler hat sich aber nicht ausgewirkt, weil das Berufungsgericht die Klagefristen als gewahrt angesehen hat. Deshalb besteht kein Anlass zur Klärung der Frage, ob die Treuepflicht der Wohnungseigentümer in wohnungseigentumsrechtlichen Beschlussanfechtungsverfahren mit Blick auf den Zweck der Klagefrist nach einer längeren Zeit - etwa unter Heranziehung der einjährigen Wiedereinsetzungsfrist (§ 45 Satz 2 WEG i.V.m. § 234 Abs. 3 ZPO) - eine Pflicht zur Sachstandsanfrage begründet (vgl. OLG Düsseldorf, ZWE 2008, 142 ff.: Zustellung einer Beschlussanfechtungsklage erst nach zwei Jahren).
Rz. 9
2. Auch der Umstand, dass das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung der Korrespondenz der Parteien zu der Annahme gelangt ist, dass die Kläger die Beklagten ermächtigt haben, zu einer Eigentümerversammlung zu laden, weist zulassungsrelevante Rechtsfehler nicht auf. Insoweit wird von einer näheren Begründung abgesehen (§ 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).
Rz. 10
3. Das angefochtene Urteil ist aber gemäß § 544 Abs. 9 ZPO insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht einen materiellen Beschlussmangel angenommen und dabei den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Rz. 11
a) Das Berufungsgericht geht davon aus, der zu TOP 1 gefasste Beschluss habe ordnungsmäßiger Verwaltung widersprochen, weil er auf der Grundlage einer unzureichend ermittelten Tatsachengrundlage gefasst worden sei. Der von den Parteien einvernehmlich beauftragte Sachverständige habe die vollständige Reparatur nicht für erforderlich gehalten. Im Rahmen der Beschlussfassung hätten sich die Parteien mit dem Ergebnis des Gutachtens auseinandersetzen müssen, und sie hätten nicht ohne weitere Prüfung die Einschätzung der beauftragten Dachdeckerfirma übernehmen dürfen. Es entspreche nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, zuerst einen Sachverständigen mit der Schadenermittlung zu beauftragen, um sich anschließend - wenn die mit der Reparatur beauftragte Dachdeckerfirma weiteren Sanierungsbedarf sehe bzw. die Feststellungen des Sachverständigen für unzutreffend halte - ohne weitere Prüfung der Einschätzung der Dachdeckerfirma anzuschließen. Das gelte insbesondere deshalb, weil die Parteien seit langem über die Sanierungsbedürftigkeit des Daches stritten. Insofern sei es auch erforderlich gewesen, den Wohnungseigentümern mit der Einladung die entsprechenden Unterlagen - z.B. eine schriftliche Stellungnahme des beauftragten Reparaturbetriebs - zur Verfügung zu stellen.
Rz. 12
b) Damit hat das Berufungsgericht, wie die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht rügt, eine mit Art. 103 Abs. 1 GG unvereinbare Überraschungsentscheidung getroffen. Dass das Berufungsgericht zuvor auf seine Einschätzung hingewiesen und den Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, ist nicht aktenkundig gemacht worden. Zugleich hat es entscheidungserheblichen Sachvortrag nicht gewürdigt und den hierzu angebotenen Beweis nicht erhoben.
Rz. 13
aa) Gerichtliche Hinweispflichten (§ 139 ZPO) dienen der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Hieraus folgt nicht nur, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen darf, von dem Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund dessen eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich erachtet, sondern das Gericht darf auch in anderen Fällen ohne vorherigen Hinweis nicht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen, den es anders beurteilt als die Parteien und mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Es hat vielmehr in einem solchen Fall auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen und den Prozessbeteiligten eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu eröffnen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2021 - IV ZR 337/19, VersR 2022, 264 Rn. 16; Beschluss vom 16. Mai 2013 - VII ZR 63/11, NJW-RR 2013, 969 Rn. 8).
Rz. 14
bb) Daran gemessen hätte das Berufungsgericht auf seine Rechtsauffassung hinweisen müssen. Nachdem materielle Beschlussmängel zuvor keine Rolle gespielt hatten, mussten die in erster Instanz aus formellen Gründen siegreichen Beklagten nicht davon ausgehen, dass das Berufungsgericht der Klage wegen einer unzureichenden Tatsachenermittlung bzw. einer unterbliebenen Information stattgeben würde.
Rz. 15
(1) Damit konnten die Beklagten schon deshalb nicht rechnen, weil aus der von den Klägern vorgelegten Ladung zu der Eigentümerversammlung hervorging, dass dieser vier Angebote von verschiedenen Dachdeckerfirmen beigefügt waren. Zudem hatten die Beklagten vorgetragen, dass sie die Kläger über den Sanierungsbedarf und die Einschätzung des beauftragten Dachdeckers im Zusammenhang mit dem Streit um die Ladung zu einer Eigentümerversammlung ausführlich informiert hatten. Dazu hatten sie den Entwurf einer Klage vorgelegt, mit der sie sich ermächtigen lassen wollten, zu einer Eigentümerversammlung einzuladen. Darin wird dargestellt, dass der beauftragte Dachdecker festgestellt habe, dass das Dach völlig marode sei, dass er keine Möglichkeit sehe, die Reparaturen gemäß dem Gutachten durchzuführen und dass große Gefahren von dem Dach ausgingen, da die Ziegel großflächig herunterfallen könnten. Dieser Klageentwurf war den Klägern bekannt, und sie hatten daraufhin mitteilen lassen, sie würden sich dem Ansinnen, eine Eigentümerversammlung abzuhalten, nicht verschließen. Soweit sich das Berufungsgericht darauf stützt, der Dachdecker habe die von dem Sachverständigen veranschlagte Restlebensdauer von drei bis fünf Jahren in einer E-Mail als „ziemlich optimistisch“ bezeichnet und damit indirekt den Vortrag der Kläger bestätigt, würdigt es die E-Mail nur selektiv; in dieser hat der Dachdecker die komplette Modernisierung als „dringend notwendig“ bezeichnet und hat dies näher begründet.
Rz. 16
(2) Die Würdigung des Berufungsgerichts war zudem deshalb überraschend, weil sich die Kläger ihrerseits - wie die Nichtzulassungsbeschwerde zutreffend geltend macht - nicht auf eine unzureichende Tatsachenermittlung bzw. fehlende Informationen gestützt haben. Sie haben in der Klagebegründung primär einen formellen Beschlussmangel gerügt und in materieller Hinsicht lediglich ausgeführt, die beschlossene Maßnahme sei in der Sache selbst nicht erforderlich. Das ergebe sich bereits aus den Feststellungen des beauftragten Sachverständigen, der punktuelle Ausbesserungsmaßnahmen für erforderlich gehalten habe, die in der Folgezeit erfolgt seien, während er eine vollständige Dachsanierung tatsächlich erst für einen späteren Zeitpunkt als notwendig angesehen bzw. empfohlen habe. Sie haben hingegen nicht geltend gemacht, sie seien nicht informiert worden, ihnen hätten Unterlagen nicht vorgelegen oder die Beklagten seien einem Verlangen ihrerseits nach weiterer sachverständiger Begutachtung nicht nachgekommen; dass ein dahingehender Vortrag gehalten worden ist, lässt sich auch dem Berufungsurteil nicht entnehmen.
Rz. 17
c) Der Verstoß gegen das rechtliche Gehör ist entscheidungserheblich. Ob ein Beschlussmangel vorliegt, richtet sich nach der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes (vgl. Senat, Urteil vom 12. November 2021 - V ZR 204/20, NZM 2022, 214 Rn. 9).
Rz. 18
aa) Richtig ist zwar im Grundsatz, dass sich die zerstrittenen Parteien an ihre Vereinbarung und damit an das Ergebnis der sachverständigen Begutachtung halten mussten. Der aufgrund des Nichterscheinens der Kläger allein mit den Stimmen der Beklagten gefasste Beschluss hätte aber dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen, wenn sich der Sachverhalt aufgrund neuer Erkenntnisse dahingehend wesentlich verändert haben sollte, dass sich eine sofortige Instandsetzung des Daches als zwingend erforderlich erwies (vgl. auch Senat, Urteil vom 3. Februar 2012 - V ZR 83/11, WuM 2012, 399 Rn. 9). Dann wäre ein Abweichen von der Vereinbarung geboten gewesen, weil die Beklagten einen Anspruch auf Instandsetzung des Daches gehabt hätten (§ 21 Abs. 4 WEG aF; vgl. dazu Senat, Urteil vom 17. Oktober 2014 - V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 Rn. 10), und es umgekehrt ordnungsmäßiger Verwaltung widersprochen hätte, von einer - ggf. auch aus Verkehrssicherungsgründen - zwingend erforderlichen Dachsanierung unter Berufung auf ein überholtes Sachverständigengutachten abzusehen. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür liegt aufgrund der vorangegangenen Vereinbarung bei den Beklagten. Eine wesentliche Veränderung des Sachverhalts ließ sich nicht nur - was das Berufungsgericht mit dem Vorwurf der unzureichenden Tatsachenermittlung möglicherweise der Sache nach meint - mittels einer erneuten sachverständigen Begutachtung feststellen. Vielmehr waren weitergehende Erkenntnisse des von den Parteien bereits mit der (punktuellen) Reparatur betrauten Handwerkers grundsätzlich dazu geeignet, das Ergebnis des Sachverständigengutachtens zu widerlegen.
Rz. 19
bb) Daran gemessen ist die Rechtsverteidigung der Beklagten erheblich. Unter Zugrundelegung ihres Vortrags war das Ermessen der Wohnungseigentümer dahingehend reduziert, dass das Dach vollständig saniert werden musste. Sie haben in der Klageerwiderung unter Benennung des Dachdeckers als Zeugen vorgetragen, bei Durchführung der von dem Sachverständigen empfohlenen kurzfristigen Reparaturen habe sich herausgestellt, dass die Dachfläche völlig marode sei. Bestimmte Konstruktionsbestandteile des Daches im Bereich des Sondereigentums der Kläger seien dem Sachverständigen bei seiner zuvor erfolgten Begutachtung nicht zugänglich gemacht worden. Es sei dem Dachdecker insbesondere im Bereich des Sondereigentums der Kläger nicht mehr möglich gewesen, die Dachfläche punktuell zu reparieren; dort seien die Dachlatten teilweise so dünn und schadhaft, dass eine Begehung unmöglich sei.
IV.
Rz. 20
1. Danach ist die Beschwerde insoweit zurückzuweisen, als sie gegen die Ablehnung eines formellen Beschlussmangels (Ladung) gerichtet ist. Hierbei handelt es sich um einen abtrennbaren Teil des Streitstoffs (vgl. dazu Senat, Urteil vom 2. Oktober 2020 - V ZR 282/19, NJW-RR 2021, 141 Rn. 7). Soweit ein materieller Beschlussmangel angenommen worden ist, führt der Verstoß gegen das rechtliche Gehör gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, das die angebotenen Beweise zu erheben haben wird. Insoweit kommt es darauf an, ob ein vernünftiger Wohnungseigentümer aufgrund der Angaben des Dachdeckers im Zeitpunkt der Beschlussfassung zu der Überzeugung gelangen musste, dass eine vollständige Dachsanierung unaufschiebbar war. Dabei sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Insbesondere erhöht der Umstand, dass sich die Kläger an der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts nicht beteiligt haben, die Sorgfaltspflichten der Beklagten nicht. Es hätte den Klägern freigestanden, ihrerseits weitergehende Untersuchungen zu fordern.
Rz. 21
2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG aF, § 48 Abs. 5 WEG, § 47 Abs. 2 GKG.
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