Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsgesellschaft. GmbH. Umwandlung. Aktiengesellschaft. Widerruf. Zulassung. Rechtsform. Formwechsel
Leitsatz (amtlich)
a) Die Umwandlung einer als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassenen GmbH in eine Aktiengesellschaft rechtfertigt nach § 59h Abs. 3 i.V.m. § 59c Abs. 1 BRAO den Widerruf der Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft.
b) Zur berufsrechtlichen Zulassung einer Aktiengesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft.
Normenkette
BRAO §§ 59c, 59h
Verfahrensgang
AGH Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 17.01.2003; Aktenzeichen 1 ZU 58/02 und 1 ZU 57/02) |
Tenor
In dem Verfahren AnwZ (B) 27/03 wird die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 1. Senats des AGH Nordrhein-Westfalen v. 17.1.2003 zurückgewiesen.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin werden in dem Verfahren AnwZ (B) 28/03 der Beschluss des 1. Senats des AGH des Landes Nordrhein-Westfalen v. 17.1.2003 und der Bescheid der Antragsgegnerin v. 18.6.2002 aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, über den Hilfsantrag der Antragstellerin auf Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Die Kosten der Verfahren werden gegeneinander aufgehoben.
Der Geschäftswert für die Verfahren AnwZ (B) 27/03 und AnwZ (B) 28/03 wird auf insgesamt 50.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die am 20.9.2000 gegründete "DWP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH" wurde am 19.2.2001 in das Handelsregister eingetragen (HRB AG D.) und am 11.4.2001 als Rechtsanwaltsgesellschaft nach § 59c BRAO zugelassen. Nach Maßgabe des Beschlusses der Gesellschafterversammlung v. 27.9.2001 entstand durch Umwandlung im Wege des Formwechsels dieser Gesellschaft die "DWP Rechtsanwaltsaktiengesellschaft", die am 14.2.2002 in das Handelsregister eingetragen wurde (HRB AG D.).
Die Satzung der Antragstellerin enthält u.a. folgende Bestimmungen:
"I. Allgemeine Bestimmungen
§ 2 Gegenstand des Unternehmens
1. Gegenstand des Unternehmens ist die Übernahme von Aufträgen, die zur Berufstätigkeit von Rechtsanwälten gehören (Anwaltsaufträge), deren Ausführung nur (durch) in Diensten der Gesellschaft stehende Rechtsanwälte eigenverantwortlich, unabhängig und weisungsfrei unter Beachtung ihres Berufsrechts und ihrer Berufspflichten erfolgt, wofür die Gesellschaft die erforderlichen personellen, sachlichen und räumlichen Voraussetzungen zur Verfügung stellt sowie die damit zusammenhängenden Geschäfte tätigt; im Übrigen darf die Gesellschaft nur Maßnahmen durchführen, die den Gesellschaftszweck der gemeinschaftlichen Berufsausübung der Gesellschafter im Rahmen ihrer beruflicher Aufgaben und Befugnisse fördert.
2. Gegenstand des Unternehmens ist ferner die Berufstätigkeit in Diensten der Gesellschaft stehender Angehöriger anderer Berufe im Rahmen ihrer eigenen beruflichen Befugnisse, mit denen sich Rechtsanwälte nach dem Berufsrecht zu gemeinschaftlicher Berufsausübung verbinden können.
3. Die Amtsausübung der Notare gehört nicht zum Gegenstand des Unternehmens. Dies gilt auch für das Amt des Notars im Nebenberuf bei Anwaltsnotaren (§ 3 Abs. 2 BNotO).
4. Die Gesellschaft ist zu allen Handlungen berechtigt, die unmittelbar oder mittelbar dem vorstehenden Zweck zu dienen geeignet sind. Die Gesellschaft kann Zweigniederlassungen errichten und sich an gleichartigen oder ähnlichen Unternehmen im In- und Ausland beteiligen, wenn deren Ausgestaltung mit den berufsrechtlichen Vorschriften und der Rechtsprechung zur überörtlichen Sozietät im Einklang stehen.
II. Grundkapital und Aktien
§ 4 Höhe und Einteilung des Grundkapitals
1. ...
2. Die Aktien lauten auf den Namen.
3. Die Aktien sind nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragbar. Über die Erteilung der Zustimmung beschließt die Hauptversammlung. Zu beachten sind hierbei berufsrechtliche Vorschriften, wonach Aktionäre nur Rechtsanwälte oder Angehörige anderer Berufe, mit denen sich die Rechtsanwälte nach ihrem Berufsrecht zu gemeinschaftlicher Berufsausübung verbinden können (vgl. insb. § 59a BRAO), werden können und wonach die Mehrheit der Aktien und die Mehrheit der Stimmrechte in der Hand von Rechtsanwälten liegen müssen, die ihren Beruf aktiv in der Gesellschaft ausüben.
III. Der Vorstand
§ 5 Zusammensetzung
Der Vorstand besteht aus einem oder mehreren Mitgliedern. (...)
Zu Vorstandsmitgliedern können nur Rechtsanwälte bestellt werden. Verliert ein Vorstandsmitglied seine Zulassung als Rechtsanwalt, ist dieses Vorstandsmitglied unverzüglich abzuberufen.
IV. Aufsichtsrat
§ 8 Zusammensetzung, Amtsdauer
1. Der Aufsichtsrat besteht aus drei Mitgliedern. Zu den Mitgliedern des Aufsichtsrates können nur Rechtsanwälte oder Angehörige anderer Berufe, mit denen sich die Rechtsanwälte aus ihrem Berufsrecht zu einer gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden können (§ 59a BRAO), bestellt werden. Rechtsanwälte müssen stets die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder bilden. Verliert ein Aufsichtsratsmitglied seine berufsrechtliche Zulassung, so ist dieses aus wichtigem Grund umgehend abzuberufen und zugleich ein neues Mitglied zu bestellen, welches in seiner Person die Bedingungen der vorstehenden Vorschriften erfüllt. Das Untersuchungsrecht des Aufsichtsrates umfasst nicht die Befugnis, Unterlagen von Mandanten der Gesellschaft einzusehen.
V. Hauptversammlung
§ 12 Beschlussfassung
1. Jede Aktie gewährt eine Stimme. Das Stimmrecht beginnt mit der Leistung der gesetzlichen Mindesteinlage.
2. Beschlüsse der Hauptversammlung werden, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst. ...
3. Zur Ausübung von Gesellschafterrechten können nur Gesellschafter bevollmächtigt werden, die Rechtsanwälte oder Angehörige anderer Berufe, mit denen sich die Rechtsanwälte nach ihrem Berufsrecht zur gemeinschaftlicher Berufsausübung verbinden können (§ 59a BRAO), sind.
VII. Einziehung
§ 14 Einziehung von Aktien
1. ...
2. Die Einziehung der Aktien ist - unter Beachtung der zwingenden Grenzen des § 71 Aktiengesetz - ohne Zustimmung des Aktionärs zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, insb. wenn
a) eine Verfügung i.S.d. § 4 Abs. 3 der Satzung vorliegt und die Hauptversammlung die entsprechende Zustimmung verweigert hat;
b) über das Vermögen des Aktionärs das Insolvenzverfahren eröffnet oder mangels Masse abgewiesen werden sollte oder der Aktionär die Richtigkeit seines Vermögensverzeichnisses an Eides statt zu versichern hat;
...
d) ein Aktionär seine Zulassung als Rechtsanwalt bzw. Angehöriger eines sonstigen sozietätsfähigen Berufes (§ 59a BRAO) verliert oder die entsprechenden Eignungsvoraussetzungen entfallen sind;
...
f) ein Aktionär seine Aktien für Rechnung, im Interesse oder als Treuhänder für Dritte hält oder Dritte am Gewinn der Gesellschaft beteiligt;
g) die Aktien von Todes wegen auf einen Erben oder einen Vermächtnisnehmer übergegangen sind.
Die Aktionäre sind im vorstehenden Fall 2d verpflichtet, die Einziehung zu beschließen. Gleiches gilt für die vorstehenden Fälle 2 f und 2g, falls der Dritte oder der Erbe/Vermächtnisnehmer nicht die Aktionärseigenschaft des § 4 Ziff. 3 dieser Satzung erfüllt."
Die Antragsgegnerin widerrief mit Verfügung v. 18.6.2002 ggü. der Antragstellerin die der "DWP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH" erteilte berufsrechtliche Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft; mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag lehnte die Antragsgegnerin den von der Antragstellerin hilfsweise gestellten Antrag ab, in der Rechtsform der Aktiengesellschaft erneut als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen zu werden.
Der AGH hat die Anträge auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen (BRAK 2003, 186). Dagegen richten sich die sofortigen Beschwerden der Antragstellerin. Sie macht geltend, dass die ihr als GmbH erteilte berufsrechtliche Zulassung auch nach dem Formwechsel der Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft fortbestehe (AnwZ (B) 27/03). Für den Fall der Rechtmäßigkeit des Zulassungswiderrufs verfolgt die Antragstellerin ihren Hilfsantrag weiter, mit dem sie in ihrer neuen Rechtsform die Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft begehrt (AnwZ (B) 28/03). Der Senat hat beide Verfahren verbunden.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin im Verfahren über den Widerruf der Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft (AnwZ (B) 27/03) ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die berufsrechtliche Zulassung der Antragstellerin als Rechtsanwaltsgesellschaft ist von der Antragsgegnerin nach dem Formwechsel der Gesellschaft mit Recht widerrufen worden.
Nach § 59h Abs. 3 BRAO ist die berufsrechtliche Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft u.a. dann zu widerrufen, wenn die Rechtsanwaltsgesellschaft nicht mehr die Voraussetzungen des § 59c BRAO erfüllt. Dies ist bei der Antragstellerin der Fall. Sie ist nicht mehr, wie es § 59c Abs. 1 BRAO für die Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft verlangt, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung.
Dem Widerruf steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin ihre Rechtsform durch einen Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG geändert hat. Trotz des identitätswahrenden Charakters der formwechselnden Umwandlung war die Antragsgegnerin zum Widerruf der berufsrechtlichen Zulassung berechtigt, weil die Zulassung von personenbezogenen Voraussetzungen abhängt (insb. §§ 59e und 59 f BRAO), deren Fortbestand bei einem Formwechsel der Gesellschaft nicht gewährleistet ist. Die erteilte Zulassung geht deshalb, wie bereits der BFH ausgeführt hat, bei einer Umwandlung nicht automatisch mit über, sondern muss neu erteilt werden (BFH, Beschl. v. 3.6.2004 - IX B 71/04, GmbHR 2004, 1105 = BFH/NV 2004, 1290). Dem schließt sich der Senat an.
III.
Die ebenfalls zulässige sofortige Beschwerde in dem Verfahren über den Hilfsantrag der Antragstellerin, in ihrer geänderten Rechtsform als Aktiengesellschaft erneut als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen zu werden (AnwZ (B) 28/03), ist begründet und führt zur Verpflichtung der Antragsgegnerin, über diesen Antrag neu zu entscheiden.
Die Antragstellerin kann - unter bestimmten Voraussetzungen - auch in ihrer neuen Rechtsform als Aktiengesellschaft beanspruchen, als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen zu werden. Dies ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus der Bundesrechtsanwaltsordnung, denn §§ 59c ff. BRAO sehen die Zulassung einer Aktiengesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft nicht vor. Gleichwohl hat auch eine Aktiengesellschaft einen dahingehenden Anspruch, sofern sie die wesentlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Kapitalgesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft in Anlehnung an die Bestimmungen in §§ 59c ff. BRAO erfüllt. Dies folgt aus höherrangigem Recht (Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG).
1. Die Aktiengesellschaft hat als juristische Person des Privatrechts gem. Art. 12 Abs. 1 GG das Grundrecht auf freie Berufswahl. Daraus folgt ihr Recht, Aufträge zu übernehmen, die zur Berufstätigkeit von Rechtsanwälten gehören, wenn ihr nicht eine solche Tätigkeit durch Regelungen verboten ist, die mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind. Denn für die Beurteilung, ob eine Aktiengesellschaft Anwaltsaufträge übernehmen darf, kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob es gesetzliche Bestimmungen gibt, die diese Tätigkeit zulassen; vielmehr ist umgekehrt zu prüfen, ob es rechtliche Regelungen gibt, die eine entsprechende Berufsausübung verbieten, und ob solche Regelungen, falls und soweit sie bestehen, mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind (BGH v. 25.11.1993 - I ZR 281/91, BGHZ 124, 224 [225] = AG 1994, 182 = GmbHR 1994, 325 = MDR 1994, 361) zur Tätigkeit einer Zahnbehandlungs-GmbH). Ein solches gesetzliches Verbot für die Tätigkeit einer Aktiengesellschaft auf dem Gebiet der anwaltlichen Berufsausübung besteht nicht, so dass eine derartige Tätigkeit grundsätzlich zulässig ist (so bereits BayObLG v. 27.3.2000 - 3Z BR 331/99, MDR 2000, 733 = AG 2001, 88 = BayObLGReport 2000, 36 = NJW 2000, 1647; Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., Vorbem. § 59c Rz. 18 f.; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 59a Rz. 34, § 59c Rz. 8).
a) Aus der Bundesrechtsanwaltsordnung ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zwar sieht § 59c Abs. 1 BRAO nur vor, dass Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten ist, unter den in § 59d BRAO näher bestimmten Voraussetzungen als Rechtsanwaltsgesellschaften zugelassen werden können. Daraus folgt aber nicht, dass einer Aktiengesellschaft der Zugang zur Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten deshalb verwehrt wäre, weil sie auf Grund ihrer Rechtsform nicht die Voraussetzungen nach § 59c ff. BRAO erfüllt. Diese Regelungen enthalten kein gesetzliches Verbot für ein Tätigwerden einer Aktiengesellschaft auf dem Gebiet anwaltlicher Berufsausübung, so dass sich die Frage, ob ein solches Verbot mit der in Art. 12 Abs. 1 GG auch einer Aktiengesellschaft gewährten Berufswahlfreiheit und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar wäre (verneinend Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., Vorbem. § 59c Rz. 20), nicht stellt. Aus der Begründung der Bundesregierung für den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, der Patentanwaltsordnung und anderer Gesetze (BT-Drucks. 13/9820) ist zu entnehmen, dass sich der Gesetzentwurf, dessen §§ 59c ff. BRAO im Wesentlichen unverändert verabschiedet worden sind, auf die Regelung der Rechtsanwalts- und Patentanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung beschränken und "zur Frage der Zulassung anderer Gesellschaftsformen - insb. von Aktiengesellschaften - als Anwaltsgesellschaften keine Aussage" machen wollte (BT-Drucks. 13/9820, 11). Die aus den Gesetzesmaterialien erkennbare Absicht des Gesetzgebers, sich einer Stellungnahme zur berufsrechtlichen Zulassung einer Aktiengesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft bewusst zu enthalten, steht zwar - methodisch - einer berufsrechtlichen Zulassung von Aktiengesellschaften im Wege einer schlichten Analogie zu den Bestimmungen in §§ 59c ff. BRAO entgegen, weil es insoweit an einer planwidrigen Unvollständigkeit der gesetzlichen Regelung fehlt. Aus dem Regelungsverzicht hinsichtlich der berufsrechtlichen Zulassung von Aktiengesellschaften ist aber ein - indirektes - gesetzliches Verbot für den Zugang einer Aktiengesellschaft zur anwaltlichen Berufstätigkeit nicht herzuleiten (BFH v. 11.3.2004 - VII R 15/03, BFHReport 2004, 577 = NJW 2004, 1974; Beschl. v. 22.10.2003 - I B 168/03, BFH/NV 2004, 224; BayObLG v. 27.3.2000 - 3Z BR 331/99, MDR 2000, 733 = AG 2001, 88 = BayObLGReport 2000, 36 = NJW 2000, 1647; Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., Vorbem. § 59c Rz. 19; a.A. Kempter/Kopp, NJW 2004, 3605 [3606], m.w.N.). Ein auf ein Verbot gerichtetes gesetzgeberisches Wollen muss sich aus dem gesetzlichen Regelungswerk mit hinreichender Deutlichkeit ergeben, wenn dadurch - wie hier - erheblich in grundrechtsrelevante Positionen eingegriffen würde (BVerfG v. 8.4.1998 - 1 BvR 1773/96, BVerfGE 98, 49 [59 f.] = MDR 1998, 864). Dazu ist die Formulierung in der Gesetzesbegründung, zur berufsrechtlichen Zulassung von Aktiengesellschaften "keine Aussage" zu machen (BT-Drucks. 13/9820, 11) zu ungenau. Da der Gesetzgeber ein dahingehendes Verbot somit nicht ausgesprochen hat, ist es den Gerichten verwehrt, ein solches Verbot durch eigene Rechtssätze zu entwickeln, die das Recht der Aktiengesellschaft auf Zugang zur anwaltlichen Berufstätigkeit einschränken würden (BVerfGE 34, 293 [300 ff.]; BGH v. 25.11.1993 - I ZR 281/91, BGHZ 124, 224 [229 f.] = AG 1994, 182 = GmbHR 1994, 325 = MDR 1994, 361).
b) Auch aus den Bestimmungen des Rechtsberatungsgesetzes ergibt sich kein Verbot des Zugangs einer Aktiengesellschaft zur anwaltlichen Berufstätigkeit. Das Rechtsberatungsgesetz hat eine andere Zielrichtung (BayObLG v. 24.11.1994 - 3Z BR 115/94, BayObLGReport 1994, 81 = GmbHR 1995, 42 = BRAK 1994, 34 = MDR 1995, 95 = NJW 1995, 199 [201], zur Rechtslage vor der gesetzlichen Regelung der Rechtsanwalts-GmbH). Die Berufsausübung der zugelassenen Rechtsanwälte wird vom Rechtsberatungsgesetz nicht berührt (§ 3 RBerG). Ob ein Anspruch auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft besteht, regelt das Rechtsberatungsgesetz nicht.
2. Der Anspruch einer Aktiengesellschaft auf Zugang zur anwaltlichen Berufstätigkeit durch Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft ist verfassungsrechtlich begründet in Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG (BFH v. 11.3.2004 - VII R 15/03, BFHReport 2004, 577 = NJW 2004, 1974; Beschl. v. 22.10.2003 - I B 168/03, BFH/NV 2004, 224; BayObLG v. 24.11.1994 - 3Z BR 115/94, BayObLGReport 1994, 81 = GmbHR 1995, 42 = BRAK 1994, 34 = MDR 1995, 95 = NJW 1995, 199 [201]; Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., Vorbem. § 59c Rz. 11 ff.; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 59a Rz. 34, § 59c Rz. 8; a.A. Kempter/Kopp, NJW 2004, 3605 [3607 f.], m.w.N.).
a) Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits aus der gesetzlichen Anerkennung von Aktiengesellschaften als Steuerberatungsgesellschaften (§ 49 Abs. 1 StBerG) und als Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (§ 28 WiPrO) der Anspruch von Rechtsanwälten herzuleiten ist, sich beruflich in gleicher Weise wie Steuerberater und Wirtschaftprüfer in einer Aktiengesellschaft zusammenschließen zu dürfen und auch in dieser Rechtsform zur anwaltlichen Berufsausübung zugelassen zu werden. Jedenfalls nachdem der GmbH die berufsrechtliche Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft durch §§ 59c ff. BRAO eröffnet worden ist, darf die Aktiengesellschaft in berufsrechtlicher Hinsicht nicht schlechter stehen als die GmbH, sofern die Aktiengesellschaft - abgesehen von ihrer Rechtsform - die wesentlichen Erfordernisse für die Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft ebenso erfüllt wie die GmbH. Mit Erwägungen, dass die anwaltliche Berufsausübung durch eine Kapitalgesellschaft mit dem gesetzlich und gewohnheitsrechtlich umrissenen Berufsbild des Rechtsanwalts grundsätzlich nicht vereinbar sei, kann der Aktiengesellschaft der Zugang zur anwaltlichen Berufsausübung nicht mehr verwehrt werden, nachdem der Gesetzgeber die GmbH zur anwaltlichen Berufsausübung zugelassen hat. Wenn die Aktiengesellschaft in einer ihrer Rechtsform entsprechenden Weise den wesentlichen Anforderungen genügt, die an die Zulassung einer Kapitalgesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft zu stellen sind und die in §§ 59c ff. BRAO für die Zulassung einer GmbH ihren Niederschlag gefunden haben, dann folgt aus dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG) ihr Anspruch, ebenfalls als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen zu werden. Denn die Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht (Art. 1 Abs. 3 GG). Die Unterschiede zwischen der Rechtsform einer Aktiengesellschaft und einer GmbH rechtfertigen - für sich genommen - keine Differenzierung in der Behandlung beider Kapitalgesellschaften, soweit es um deren Zugang zur anwaltlichen Berufsausübung geht, auf den beide Gesellschaften als juristische Personen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG gleichermaßen Anspruch haben.
b) Der Auffassung, eine Aktiengesellschaft könne - anders als eine GmbH - wegen der fehlenden gesetzlichen Normen für ein Zulassungsverfahren nach der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht als Berufsausübungsgesellschaft zugelassen, sondern nur als Organisations- oder Besitzgesellschaft tätig werden (Kempter/Kopp, NJW 2004, 3605 [3607]), kann nicht gefolgt werden. Es mag dahinstehen, ob die in der Beschränkung auf eine Organisations- oder Besitzgesellschaft liegende Einschränkung der Berufswahlfreiheit einer Kapitalgesellschaft verfassungsrechtlich zulässig gewesen wäre, als die Regelungen der §§ 59c ff. BRAO über die berufsrechtliche Zulassung einer GmbH noch nicht galten. Jedenfalls nachdem der Gesetzgeber den Anspruch einer GmbH, unter bestimmten Voraussetzungen als Rechtsanwaltsgesellschaft auch zur anwaltlichen Berufsausübung zugelassen zu werden, normiert hat, kann eine Aktiengesellschaft ebenfalls beanspruchen, nicht nur als Organisations- oder Besitzgesellschaft tätig werden zu können, sondern als Rechtsanwaltsgesellschaft zur Berufsausübung zugelassen zu werden, wenn auch sie die wesentlichen Voraussetzungen erfüllt, die für die Zulassung einer Kapitalgesellschaft gelten.
3. Die wesentlichen Voraussetzungen für die Zulassung einer Kapitalgesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft sind zunächst in der Rechtsprechung für die berufsrechtliche Zulassung einer GmbH herausgearbeitet worden, als diese gesetzlich noch nicht geregelt war. In den Bestimmungen der §§ 59c ff. BRAO sind sie vom Gesetzgeber präzisiert und weiterentwickelt worden. Daran hat sich die Zulassung einer Aktiengesellschaft als Rechtsanwaltsgesellschaft auszurichten, solange eine gesetzliche Normierung der Zulassungsvoraussetzungen hinsichtlich der Rechtsanwaltsaktiengesellschaft fehlt.
a) Das BayObLG hatte bereits in seinem Beschluss v. 24.11.1994 (BayObLG v. 24.11.1994 - 3Z BR 115/94, BayObLGReport 1994, 81 = GmbHR 1995, 42 = BRAK 1994, 34 = MDR 1995, 95 = NJW 1995, 199), in dem über die grundsätzliche Zulässigkeit des Zusammenschlusses von Rechtsanwälten zur gemeinsamen Berufsausübung in einer Kapitalgesellschaft erstmals entschieden worden ist, ausgeführt, dass in einer Anwalts-GmbH die Wesensmerkmale des Anwaltsberufes als eines freien Berufes - insb. die Eigenverantwortung und Weisungsfreiheit in der Berufsausübung - durch entsprechende Bestimmungen im Gesellschaftsvertrag gewahrt bleiben müssten, und hatte daraus Mindestanforderungen für die Zulässigkeit und für eine gesetzliche Normierung der Anwalts-GmbH abgeleitet. Diese Entscheidung und der durch sie eingeleitete Auffassungswandel über die - verfassungsrechtlich gebotene - Zulässigkeit einer Anwalts-GmbH sind Anlass für die Regelung der Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung gewesen (Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., Vorbem. § 59c Rz. 5). Der Gesetzgeber hat sich bei der Regelung der §§ 59c ff. BRAO von dieser Entscheidung leiten lassen; die Begründung des Regierungsentwurfs zu §§ 59c ff. BRAO nimmt ausdrücklich auf sie Bezug (BT-Drucks. 13/9820, 11). Nur wenn die Aktiengesellschaft die wesentlichen Voraussetzungen für die berufsrechtliche Zulassung einer Kapitalgesellschaft, die gegenwärtig in §§ 59c ff. BRAO für die GmbH gesetzlich festgelegt sind, durch entsprechende Bestimmungen in ihrer Satzung wahrt, hat sie aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG ebenso wie die GmbH Anspruch auf Zugang zur anwaltlichen Berufsausübung durch Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft in einem § 59g BRAO entsprechenden Zulassungsverfahren.
b) Als notwendige Voraussetzung für die berufsrechtliche Zulassung einer Aktiengesellschaft müssen danach - in Anlehnung an § 59c ff. BRAO - folgende Erfordernisse durch die Satzung der Aktiengesellschaft zuverlässig sichergestellt sein (Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., Vorbem. § 59c Rz. 16 ff.):
- die Eigenverantwortlichkeit und Weisungsfreiheit der in der Aktiengesellschaft tätigen Rechtsanwälte;
- die Beschränkung des Unternehmensgegenstandes auf die Übernahme von Aufträgen, die zur Berufstätigkeit von Rechtsanwälten gehören (§ 3 Abs. 1 BRAO), und das Verbot eines beruflichen Zusammenschlusses für die Aktiengesellschaft (vgl. § 59c Abs. 1 und 2 BRAO);
- hinsichtlich der Aktionäre die Einhaltung der auch für die Gesellschafter einer GmbH geltenden Bestimmungen in § 59e BRAO, insb. die Beschränkung des Kreises der Aktionäre auf in der Gesellschaft beruflich tätige Rechtsanwälte und Angehörige der in § 59a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BRAO genannten Berufe (vgl. § 59e Abs. 1 S. 1 und 2 BRAO);
- Anforderungen an den Vorstand und den Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft, wie sie in § 59 f BRAO für die Geschäftsführung und - entsprechend - auch für den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH gelten (zum Aufsichtsrat der GmbH: Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., Vorbem. § 59 f. Rz. 9 ff.).
Darüber hinaus müssen die allgemeinen, nicht spezifisch gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen nach § 7 Nr. 9, § 59d Nr. 2 BRAO (kein Vermögensverfall) und nach § 59d Nr. 3, § 59j BRAO (hinreichende Berufshaftpflichtversicherung der Rechtsanwaltsgesellschaft; vgl. auch § 12 Abs. 2 S. 2, § 14 Abs. 2 Nr. 9, § 51 BRAO zur Berufshaftpflicht des Rechtsanwalts) gegeben sein.
Erfüllt die Aktiengesellschaft nach ihrer Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft diese Voraussetzungen nicht mehr, so führt dies in gleicher Weise zum Erlöschen, zur Zurücknahme oder zum Widerruf der berufsrechtlichen Zulassung wie bei der GmbH (vgl. § 59h BRAO).
Um die erforderliche Überprüfung der Zulassungsvoraussetzungen und ihres Fortbestandes zu ermöglichen, unterliegt die ihre Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft beantragende ebenso wie die bereits zugelassene Aktiengesellschaft der Pflicht zur Transparenz hinsichtlich ihrer für die Zulassung maßgeblichen Verhältnisse. Sie hat deshalb - in gleicher Weise, wie jeder Rechtsanwalt - an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 36a Abs. 2 BRAO) und hat - ebenso wie die GmbH (§ 59m Abs. 1 BRAO) - jede Änderung der Satzung, der Aktionäre, des Vorstands und des Aufsichtsrates sowie die Errichtung oder Auflösung von Zweigniederlassungen der Landesjustizverwaltung und der Rechtsanwaltskammer unverzüglich anzuzeigen. Dazu ist sie, was die Zusammensetzung des Kreises der Aktionäre angeht, dann in der Lage, wenn die Aktien nach der Satzung - wie hier - als vinkulierte Namensaktien ausgegeben werden, deren Übertragung an die Zustimmung der Gesellschaft gebunden bleibt (§ 68 Abs. 2 AktG). Im Übrigen gelten auch für die als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassene Aktiengesellschaft die anwaltlichen Berufspflichten sinngemäß (vgl. die für die GmbH geltende Verweisung in § 59m Abs. 2 BRAO).
4. Da die Antragsgegnerin eine Prüfung des Zulassungsantrags nach Maßgabe der vorgenannten Voraussetzungen bislang nicht vorgenommen hat, ist dies nachzuholen. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass gegen die Satzung der Antragstellerin insoweit Bedenken bestehen, als die Bestimmung in § 2 Nr. 4 S. 2 gegen das Verbot einer Beteiligung an Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verstößt (vgl. § 59c Abs. 2 BRAO). Auch genügt die Satzungsbestimmung in § 4 Nr. 3 über die Aktionäre der Antragstellerin den Anforderungen nicht hinreichend. Zwar ist durch die Beschränkung der Aktien auf Namensaktien, die nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragbar sind (§ 4 Nr. 2, Nr. 3 S. 1 der Satzung), die erforderliche Transparenz hinsichtlich der Aktionäre der Antragstellerin sichergestellt. Jedoch erfüllt § 4 Nr. 3 S. 2 der Satzung nicht das Erfordernis, dass - ebenso wie bei der GmbH - alle Anteilseigner in der Rechtsanwaltsgesellschaft beruflich tätig sein müssen (vgl. § 59e Abs. 1 S. 2 BRAO). Dementsprechend fehlt in der an § 4 Nr. 3 S. 2 anknüpfenden Bestimmung in § 14 Nr. 2 Buchst. d der Satzung eine Regelung über die Einziehung von Aktien, sofern die berufliche Tätigkeit des Aktionärs in der Rechtsanwaltsgesellschaft beendet ist. Dass Gesellschafter der Rechtsanwaltsgesellschaft nach geltendem Recht nur sein kann, wer in dieser beruflich tätig ist, beruht auf der Erwägung, dass nach außen erkennbar sein soll, wer hinter der Rechtsanwaltsgesellschaft steht; damit wird verdeckten Interessenkonflikten entgegengewirkt.
Der Antragstellerin ist vor der Entscheidung über ihren Zulassungsantrag Gelegenheit zu geben, den Bedenken durch eine entsprechende Satzungsänderung Rechnung zu tragen (vgl. für die GmbH § 59g Abs. 2 und 3 BRAO).
Fundstellen
Haufe-Index 1343841 |
DB 2005, 1050 |
HFR 2005, 1023 |
BGHR 2005, 950 |
MittBayNot 2005, 324 |
AG 2005, 531 |
MDR 2005, 1199 |
BRAK-Mitt. 2005, 109 |
BRAK-Mitt. 2005, 128 |
Mitt. 2005, 329 |