Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung einer Anwalts-Aktiengesellschaft zur Rechtsanwaltschaft. Verbot der Sternsozietät
Leitsatz (amtlich)
a) Das Verbot der Sternsozietät ist zur Zeit nicht verfassungswidrig.
b) Das Verbot der Sternsozietät gilt auch für die Anwaltsaktiengesellschaft.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; BRAO § 59a Abs. 1 S. 1, § 59e Abs. 1 S. 2, Abs. 2
Verfahrensgang
AGH Hamburg (Beschluss vom 27.09.2004; Aktenzeichen I ZU 8/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 1. Senats des AGH in der Freien und Hansestadt Hamburg v. 27.9.2004 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und die der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Gegenstandswert wird auf 75.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist eine Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft in Gründung. Sie wurde von Rechtsanwälten errichtet, die bis auf einen - dieser ist Rechtsanwalt in Frankreich - ihren Kanzleisitz im Bundesgebiet haben.
Gegenstand des Unternehmens ist nach § 3 Abs. 1 und 2 der Satzung
"die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, einschließlich der Rechtsberatung durch Übernahme von Rechtsanwaltsaufträgen, deren Ausführung durch die im Dienste der Gesellschaft stehenden, zugelassenen Rechtsanwälte, die unabhängig und eigenverantwortlich unter Beachtung ihres Berufsrechts erfolgt" sowie
"die Berufstätigkeit im Dienste der Gesellschaft stehender Angehöriger anderer Berufe im Rahmen ihrer eigenen berufsrechtlichen Befugnisse, mit denen sich Rechtsanwälte nach ihrem Berufsrecht verbinden können".
Die Aktien lauten auf den Namen. Nach § 16 Abs. 3 Buchst. b der Satzung kann der Vorstand die Zustimmung zu der Verfügung über Aktien verweigern, wenn
"die Zulassung zur Folge hätte, dass Personen Aktionäre werden, die nicht zugleich selbst bzw. durch ihre Sozietät Mitglied der D. ... sind".
Nach § 17 Abs. 2 Buchst. h der Satzung kann eine Aktie ohne Zustimmung des Aktionärs eingezogen werden, wenn der
"Aktionär nicht mehr selbst oder durch seine Sozietät Mitglied der D. ... ist".
Die Antragstellerin erstrebt ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Diesen Antrag hat die Antragsgegnerin mit Bescheid v. 16.12.2002 mit der Begründung zurückgewiesen, eine Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft könne nicht zugelassen werden, außerdem verstoße die Antragstellerin mit ihrer Satzung gegen das Verbot der Sternsozietät. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der AGH mit Beschluss v. 27.9.2004 zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
II.
Das Rechtsmittel ist gem. § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO zulässig. Es hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1. Allerdings kann - entgegen der Auffassung des AGH - eine Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden. Dies hat der Senat mit Beschluss v. 10.1.2005 (BGH, Beschl. v. 10.1.2005 - AnwZ (B) 27, AnwZ (B) 28/03, BGHZ 161, 376 ff. = NJW 2005, 1568 ff.) entschieden. Daran ist festzuhalten.
2. Die in dieser Entscheidung verlangten notwendigen Voraussetzungen für die berufsrechtliche Zulassung einer Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft sind jedoch nicht durchweg erfüllt.
a) Zwar ist die Eigenverantwortlichkeit und Weisungsfreiheit der in der Aktiengesellschaft tätigen Rechtsanwälte sichergestellt. Wie in der Senatsentscheidung v. 10.1.2005 gefordert, ist der Kreis der Aktionäre und Vorstandsmitglieder beschränkt. Aktionäre können nur aktiv in der Gesellschaft mitarbeitende Rechtsanwälte und sozietätsfähige Personen sein.
b) Ein Zulassungshindernis ist auch nicht darin zu sehen, dass zum satzungsgemäßen Gegenstand des Unternehmens die Berufstätigkeit von Angehörigen der nach § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO sozietätsfähigen Berufe gehört. Teilweise ist der Senatsentscheidung v. 10.1.2005 entnommen worden, der BGH wolle der Aktiengesellschaft eine derartige Öffnung nicht erlauben (Römermann, BB 2005, 1135 [1136]). Dies ist unzutreffend. In dem angegebenen Beschluss (BGH, Beschl. v. 10.1.2005 - AnwZ (B) 27, AnwZ (B) 28/03, BGHZ 161, 376 ff. = NJW 2005, 1568 [1571], unter 3b dritter Spiegelstrich) hat der Senat die "Beschränkung des Kreises der Aktionäre auf die in der Gesellschaft beruflich tätige(n) Rechtsanwälte und Angehörige(n) der in § 59a Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BRAO genannten Berufe" gefordert. Er hat damit - in Übereinstimmung mit Stimmen in der Literatur (Henssler in Henssler/Streck, Handbuch des Sozietätsrechts, 2001, E, Rz. 152; Henssler, AnwBl. 2005, 374 [375]; Brandi in Kilian/vom Stein, Praxishandbuch für Anwaltskanzlei und Notariat, 2005, § 18 Rz. 159 f.) - für die Aktiengesellschaft die zu enge Fassung des § 59c Abs. 1 ergänzt. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der sich in § 59e Abs. 1 BRAO ausdrücklich zur interprofessionellen Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung bekannt hat.
c) Die Satzung der Antragstellerin weicht zwar auch insoweit von den Vorgaben in der Senatsentscheidung v. 10.1.2005 ab, als sich die Antragstellerin an Zusammenschlüssen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung soll beteiligen dürfen. Die Antragstellerin hat jedoch erklärt, dass sie ihre Satzung entsprechend dem Verbot des § 59c Abs. 2 BRAO ändern wird. Auch dieser Punkt rechtfertigt deshalb nicht eine Versagung der Zulassung.
d) Nicht zulassungsfähig ist die Antragstellerin indes deswegen, weil ihre Satzung die Bildung einer Sternsozietät erlaubt. Von dieser satzungsmäßigen Erlaubnis möchte die Antragstellerin ersichtlich auch Gebrauch machen.
aa) Aus § 16 Abs. 3 Buchst. b, § 17 Abs. 2 Buchst. h der Satzung lässt sich entnehmen, dass Aktionäre Rechtsanwälte sein können, die - außer an der Antragstellerin - auch an Sozietäten, also BGB-Gesellschaften, beteiligt sind. Dies widerspricht § 59a Abs. 1 S. 1, § 59e Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BRAO. Nach § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO darf sich ein Rechtsanwalt mit anderen Angehörigen sozietätsfähiger Berufe in einer Sozietät zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden. Das Wort "einer" ist hier nicht als unbestimmter Artikel, sondern als Zahlwort zu verstehen. Dies ist vom Gesetzgeber in § 59e Abs. 2 BRAO bekräftigt worden. Danach ist es den Gesellschaftern untersagt, ihren in einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung ausgeübten Beruf in einem weiteren beruflichen Zusammenschluss auszuüben. Dieses Gesetzesverständnis ergibt sich zudem aus den Materialien (BT-Drucks. 12/4993, 33, 13/9820, 14). In Rechtsprechung und Schrifttum herrscht darüber weitgehend Einigkeit (BGH, Beschl. v. 21.6.1999 - AnwZ (B) 89/98, MDR 1999, 1160 m. Anm. Zuck = NJW 1999, 2970 [2971]; v. 29.9.2003 - AnwZ (B) 24/00, BGHReport 2003, 1443 = MDR 2004, 179 = NJW 2003, 3548 [3549]; Henssler, ZIP 1998, 2121 [2123 ff.]; Zuck, NJW 1999, 263 [265]; Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 59a Rz. 14; Kleine-Cosack, BRAO, 3. Aufl., § 59a Rz. 3). Solche konzernähnlichen Strukturen werden missbilligt. Sich mit einem Kapitalanteil an einem solchen Zusammenschluss zu beteiligen, wäre nach § 59e Abs. 2 BRAO zwar möglich (Henssler, NJW 1999, 241 [245]; Kilian, NZG 2001, 150 [155]). Die Übernahme einer bloßen Kapitalbeteiligung ohne aktive Tätigkeit ist jedoch durch § 59e Abs. 1 S. 2 BRAO verboten. Die Einhaltung dieser Bestimmungen hat der Senat in seiner Entscheidung v. 10.1.2005 auch für die Aktionäre einer Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft gefordert.
bb) Dass § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO die Beteiligung eines Rechtsanwalts an einer BGB-Gesellschaft und § 59e Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BRAO diejenige an einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung betrifft, besagt nicht, dass im Umkehrschluss auf eine weiter gehende Freiheit der übrigen Gesellschaftsformen geschlossen werden kann (so jedoch Römermann in BB 2005, 1135 [1136]). Da der Gesetzgeber die Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft nicht geregelt und der BGH diese Lücke unter Übernahme der Regeln zur Anwalts-GmbH geschlossen hat, gilt jedenfalls § 59e Abs. 1 S. 2 BRAO entsprechend auch für die Rechtsanwalts-Aktiengesellschaft.
cc) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist das Verbot der § 59a Abs. 1, § 59e Abs. 2 BRAO - jedenfalls derzeit - nicht verfassungswidrig.
(1) Im Schrifttum wird überwiegend die Meinung vertreten, das Verbot der Sternsozietät halte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht Stand (Henssler, ZIP 1998, 2121 [2124]; Henssler, NJW 1999, 241 [245]; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 31 BORA Rz. 8 ff.; Zuck, NJW 1999, 263 [265]; Deichfuß, AnwBl. 2001, 645 [647]; Kilian, NZG 2001, 150 [155 f.]; Steinkraus/Schaaf, JuS 2001, 275 [277 f.]; Jawansky, DB 2002, 2699 [2701 f.]; Hartung in Henssler/Streck Handbuch des Sozietätsrechts, 2001, D, Rz. 34; Michalski/Römermann in Henssler/Streck, Handbuch des Sozietätsrechts, 2001, B, Rz. 210; Römermann in Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, 2. Aufl., § 31 BORA Rz. 29 f.; a.A. Feuerich/Weyland, BRAO, 6. Aufl., § 59a Rz. 14; Braun, Anwalt 4/2003, 8).
(2) Dieser Meinung folgt der Senat nicht.
Das Verbot der Sternsozietät verletzt nicht die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit der Antragstellerin. Zur Berufsausübung gehört das Recht, sich beruflich zusammenzuschließen (BVerfG v. 4.7.1989 - 1 BvR 1460/85, 1 BvR 1239/87, BVerfGE 80, 269 [278]; v. 3.7.2003 - 1 BvR 238/01, MDR 2003, 1081 = NJW 2003, 2520 [2522]). Die vorliegend gegebene Einschränkung der Berufsausübung hat vor Art. 12 Abs. 1 GG Bestand, weil sich das Verbot auf beachtliche Gründe des Gemeinwohls stützen lässt.
Eine Anwaltschaft, die zu erheblichen Teilen aus angestellten Rechtsanwälten in anonymen, konzernähnlich verflochtenen Kapitalgesellschaften bestünde, wäre weder frei noch unabhängig. Zudem möchte, wer anwaltliche Leistungen in Anspruch nimmt, ohne komplizierte Nachfrage wissen, wem er die Wahrnehmung seiner rechtlichen Belange anvertraut und ob der Beauftragte nicht zugleich widerstreitende Interessen vertritt oder auf sonstige Weise in der Gefahr einer Interessenkollision steht (BGH, Beschl. v. 19.11.2001 - AnwZ (B) 75/00, BGHReport 2002, 438 m. Anm. Johnigk = MDR 2002, 667 = NJW 2002, 1419). Der Rechtsuchende, der sich mannigfach verschachtelten, intransparenten Rechtsanwaltsgesellschaften gegenüber sähe, müsste befürchten, dass für ihn unerkennbare Rücksichtnahmen und Interessenkollisionen die Qualität der rechtlichen Dienstleistung beeinflussen und mindern können. Er könnte auch nicht ohne weiteres ausschließen, dass der Gegner von anderen Rechtsanwälten desselben Dienstleistungskonzerns vertreten wird.
Das Verbot der Sternsozietät verletzt auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG, wonach (im Wesentlichen) gleiche Sachverhalte nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund unterschiedlich behandelt werden dürfen. Zwar sind Wirtschaftsprüfer nicht auf die Tätigkeit in einer Sozietät beschränkt, können also auch mehreren angehören (§ 44b Abs. 1 WPO). Einem Steuerberater ist es ebenso wenig verwehrt, sich an mehreren Steuerberatungsgesellschaften zu beteiligen, weil die Regelungen in den §§ 49 bis 55 StBerG keine dem § 59e Abs. 2 BRAO entsprechende Norm enthalten. Auch auf Patentanwälte trifft das Verbot nicht zu (Deichfuß, AnwBl. 2001, 645 [647]). Nach der Rechtsprechung des BVerfG bedürfen auf Grund der Artverwandtschaft der rechts- und wirtschaftsberatenden Berufe differenzierende Beschränkungen ihrer Assoziierungsfreiheit regelmäßig einer besonderen Rechtfertigung (BVerfG v. 8.4.1998 - 1 BvR 1773/96, MDR 1998, 864 = ZIP 1998, 1068). Eine solche lässt sich jedoch in dem Umstand finden, dass sich Rechtsanwälte schwerpunktmäßig mit rechtlichen Konfliktsituationen befassen, in denen auch die Gegenseite anwaltlich vertreten ist, während Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Patentanwälte nur ausnahmsweise in solchen Lagen tätig werden.
Zwar ist es einem vergesellschafteten Rechtsanwalt berufsrechtlich nicht untersagt, in beliebigem Umfang Einzelmandate zu übernehmen. Wenn eine solche "Teilung und Vermehrung" der anwaltlichen Tätigkeit durch Rechtsbesorgung außerhalb der Sozietät möglich ist, bedeutet es dennoch im Hinblick auf die erwünschte Transparenz einen Unterschied, ob diese Rechtsbesorgung durch den Rechtsanwalt als Einzelperson oder wiederum in Gesellschaft erfolgt.
Allerdings darf der Eingriff nicht weiter gehen, als es die rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (BVerfG v. 18.6.1980 - 1 BvR 697/77, BVerfGE 54, 301 [313] = FR 1980, 538 = MDR 1981, 113), Eingriffszweck und Eingriffsintensität müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen (BVerfG v. 15.12.1999 - 1 BvR 1904/95, 1 BvR 602/96, 1 BvR 1032/96, 1 BvR 1395/97, 1 BvR 2284/97, 1 BvR 1126/94, 1 BvR 1158/94, 1 BvR 1661/95, 1 BvR 2180/95, 1 BvR 283/97, 1 BvR 224/97, 1 BvR 35/98, BVerfGE 101, 331 [347] = UR 2000, 114). Insofern wird geltend gemacht, es genüge, die bestehende Regelung der Prävarikation in § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA um ein Tätigkeitsverbot für Mehrfachgesellschafter zu ergänzen (Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 31 BORA Rz. 8). Dies erscheint unzutreffend, weil bei verschachtelten, konzernähnlichen Gebilden die Einhaltung eines Tätigkeitsverbots nur mit Schwierigkeiten zu kontrollieren wäre. Außerdem wäre durch ein Tätigkeitsverbot die erforderliche Transparenz und die im Interesse der freien Advokatur gebotene persönliche Unabhängigkeit der Rechtsanwälte nicht herzustellen.
(3) Selbst wenn das Verbot der Sternsozietät durch wichtige Belange des Gemeinwohls nicht (mehr) zu rechtfertigen oder ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz anzunehmen wäre, könnte zur Zeit noch von keinem verfassungswidrigen Zustand ausgegangen werden.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG hat der Gesetzgeber einen vom Gericht nur beschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum, wenn komplexe, in der Entwicklung begriffene Sachverhalte Gegenstand der Gesetzgebung sind. Soweit Ziele, Wertungen und Prognosen in Rede stehen, ist ein angemessener Zeitraum zu gewähren, um Erfahrungen zu sammeln, Klarheit zu gewinnen und Mängeln einer Regelung abzuhelfen (BVerfG v. 17.10.1990 - 1 BvR 283/85, BVerfGE 83, 1 [21 ff.] = BRAK 1991, 56; v. 15.12.1999 - 1 BvR 1904/95, 1 BvR 602/96, 1 BvR 1032/96, 1 BvR 1395/97, 1 BvR 2284/97, 1 BvR 1126/94, 1 BvR 1158/94, 1 BvR 1661/95, 1 BvR 2180/95, 1 BvR 283/97, 1 BvR 224/97, 1 BvR 35/98, BVerfGE 101, 331 [350 f.] = UR 2000, 114).
Das Recht der beruflichen Zusammenarbeit von Rechtsanwälten und insb. der Rechtsanwaltsgesellschaften ist im Fluss. Die Vorschrift des § 59a BRAO, welche die berufliche Zusammenarbeit regelt, ist durch Gesetz v. 2.9.1994 (BGBl. I, 2278) in die Bundesrechtsanwaltsordnung eingefügt worden. Über die grundsätzliche Zulässigkeit des Zusammenschlusses von Rechtsanwälten zur gemeinsamen Berufsausübung in einer Kapitalgesellschaft hat erstmals das BayObLG in seinem Beschluss v. 24.11.1994 (BayObLG v. 24.11.1994 - 3Z BR 115/94, BayObLGReport 1994, 81 = GmbHR 1995, 42 = BRAK 1994, 34 = MDR 1995, 95 = NJW 1995, 199) entschieden. Diese Entscheidung und der durch sie eingeleitete Auffassungswandel über die - verfassungsrechtlich gebotene - Zulässigkeit einer Rechtsanwaltsgesellschaft mit beschränkter Haftung sind dann Anlass für die Einfügung der §§ 59c ff. durch Gesetz v. 31.8.1998 gewesen (BGBl. I, 2600). Seinerzeit wollte der Gesetzgeber "zur Frage der Zulassung anderer Gesellschaftsformen - insb. von Aktiengesellschaften - als Anwaltsgesellschaften (noch) keine Aussage" machen (BT-Drucks. 13/9820, 11). Inzwischen hat der Senat mit dem bereits mehrfach erwähnten Beschluss v. 10.1.2005 AnwZ (B) 27 und 28/03 (BGH v. 10.1.2005 - AnwZ (B) 27/03 AnwZ (B) 28/03, BGHZ 161, 376 ff. = NJW 2005, 1568 ff.) die Anwaltsaktiengesellschaft zugelassen. Zur Regelung von Einzelheiten ist der Gesetzgeber aufgerufen.
Dass diese Vorgänge im gesetzgeberischen Bereich noch zu keinem - wenigstens vorläufigen - Abschluss gekommen sind, zeigt u.a. der inzwischen vorliegende Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz v. 13.4.2005 zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, in dessen Art. 3 teilweise weit reichende, auch die Sternsozietät betreffende Änderungen der Bundesrechtsanwaltsordnung vorgesehen sind. Daran ist er nicht gehindert. Auch wenn das Verbot der Sternsozietät nicht verfassungswidrig ist, so kann der Gesetzgeber es dennoch aus Zweckmäßigkeitsgründen beseitigen oder einschränken. Aus diesen Gründen sollte dem Gesetzgeber nicht vorgegriffen werden.
dd) Das Verbot der Sternsozietät ist europarechtlich unbedenklich. Der in Frankreich als Rechtsanwalt zugelassene Gesellschafter der Antragstellerin wird nicht diskriminiert, weil er im Inland denselben Regelungen unterworfen wird wie seine deutschen Mitgesellschafter. Die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ist nicht tangiert, weil der französische Rechtsanwalt, der sich in Deutschland - oder in einem anderen Mitgliedstaat der Union außerhalb Frankreichs - beruflich betätigen will, keinen Anspruch darauf hat, dass das französische Berufsrecht über die Binnengrenzen hinweg angewendet wird. Art. 43 Abs. 2 EG garantiert lediglich die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten "nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats für seine eigenen Angehörigen" (BGH, Beschl. v. 19.9.2003 - AnwZ (B) 74/02, MDR 2004, 180 = BGHReport 2004, 72 = NJW 2003, 3706 [3707]).
Fundstellen
Haufe-Index 1471681 |
BB 2006, 238 |
NJW 2006, 1132 |
Inf 2006, 322 |
NWB 2006, 658 |
BGHR 2006, 337 |
EWiR 2006, 365 |
ZIP 2006, 282 |
AnwBl 2006, 210 |
VersR 2006, 677 |
WRP 2006, 357 |
NJW-Spezial 2006, 94 |
BRAK-Mitt. 2006, 82 |
KammerForum 2006, 111 |
Mitt. 2006, 141 |