Normenkette
KapMuG § 26; BörsG § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 aF, § § 44ff aF; VerkaufsprospektG §§ 13, 8g aF
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerden der Musterrechtsbeschwerdeführerin und der Rechtsbeschwerdeführerinnen zu 2 und zu 3 wird der Musterentscheid des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 23. Dezember 2020 unter den Ziffern I und II der Entscheidungsformel aufgehoben.
Das Feststellungsziel I.1. wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Vorlagebeschluss des Landgerichts Hamburg vom 30. Januar 2019 ist hinsichtlich der Feststellungsziele I.2., II.1.a), b), c) und 3.e) gegenstandslos.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Musterrechtsbeschwerdeführerin und der Rechtsbeschwerdeführerinnen zu 2 und zu 3 tragen die Musterklägerin und die Beigeladenen wie folgt:
Musterklägerin |
12,13% |
Beigeladener zu 1 |
1,46% |
Beigeladener zu 2 |
8,51% |
Beigeladene zu 3 |
3,89% |
Beigeladener zu 4 |
1,74% |
Beigeladener zu 5 |
2,76% |
Beigeladener zu 6 |
2,76% |
Beigeladener zu 7 |
2,76% |
Beigeladener zu 8 |
8,28% |
Beigeladene zu 9 |
2,76% |
Beigeladener zu 10 |
8,10% |
Beigeladener zu 11 |
4,14% |
Beigeladene zu 12 |
2,76% |
Beigeladener zu 13 |
2,76% |
Beigeladener zu 14 |
7,97% |
Beigeladene zu 15 |
4,14% |
Beigeladene zu 16 |
2,76% |
Beigeladener zu 17 |
2,76% |
Beigeladener zu 18 |
2,76% |
Beigeladener zu 19 |
2,76% |
Beigeladener zu 20 |
3,31% |
Beigeladener zu 21 |
4,97% |
Beigeladene zu 22 |
3,76% |
Ihre außergerichtlichen Kosten tragen die Musterklägerin und die Beigeladenen jeweils selbst.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf bis zu 440.000 € festgesetzt.
Der Gegenstandswert für die außergerichtlichen Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird für den Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdeführerin und der Rechtsbeschwerdeführerinnen zu 2 und zu 3 auf bis zu 440.000 € und für die Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin auf bis zu 50.000 € festgesetzt.
Gründe
A.
Rz. 1
Die Parteien streiten im Rahmen eines Verfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) darüber, ob der bei der Emission des Fonds E. GmbH & Co. KG ("Best of Shipping I", im Folgenden: Fonds oder Fondsgesellschaft) am 20. Dezember 2007 aufgelegte Prospekt (im Folgenden: Prospekt) fehlerhaft ist und ob die Musterbeklagten hierfür aufgrund bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen werden können. Gegenstand des Fonds war der Erwerb von und das Handeln mit Anteilen an Schifffahrtsgesellschaften am Zweitmarkt für Schiffsbeteiligungen. Nach Abschluss der Investitionsphase sollte der Fonds konzeptionsgemäß Anteile an ca. 100 Schifffahrtsgesellschaften halten. Anleger konnten sich mittelbar über eine Treuhandkommanditistin - die Musterbeklagte zu 3 - am Kommanditkapital des Fonds beteiligen.
Rz. 2
Die Musterbeklagte zu 1 ist Initiatorin des Beteiligungsangebots und Prospektverantwortliche. Die Musterbeklagte zu 3 fungierte als Treuhänderin. Die Musterbeklagte zu 2 war mit der Übernahme des Portfoliomanagements betraut. Die Musterbeklagten zu 1 bis 3 sind Gründungskommanditistinnen der Fondsgesellschaft mit Pflichteinlagen in Höhe von 100 € (Musterbeklagte zu 1), in Höhe von 100 € (Musterbeklagte zu 2) und in Höhe von 6.100 € (Musterbeklagte zu 3).
Rz. 3
Die Musterklägerin und die Beigeladenen haben seit dem Jahr 2018 Klagen gegen die Musterbeklagten anhängig gemacht. In diesen Klageverfahren verlangen sie von den Musterbeklagten Schadensersatz wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Beteiligung an der Fondsgesellschaft nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne.
Rz. 4
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30. Januar 2019 dem Oberlandesgericht Feststellungsziele zum Zweck der Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt. Mit ihnen wird geltend gemacht, dass der Prospekt fehlerhaft sei, weil er konkrete Risiken und Besonderheiten, die im Zusammenhang mit dem Fonds stünden, nicht oder nur ungenügend darstelle (Feststellungsziele II.1.a) bis g)), weil die Ausführungen im Kontext mit der Fremdfinanzierung unzureichend seien (Feststellungsziele II.2.a) und b)) und weil konzeptionelle und anlegergefährdende Risiken nicht oder nur ungenügend erläutert würden (Feststellungsziele II.3.a) bis m)), dass die Musterbeklagten aufgrund ihrer vorvertraglichen Aufklärungspflicht nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne verantwortlich seien (Feststellungsziel I.1.), dass die Musterbeklagten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne schuldhaft gehandelt hätten (Feststellungsziel I.2.) und dass die Musterbeklagten verpflichtet gewesen seien, über die unrichtigen, unvollständigen und irreführenden Punkte im Prospekt aufzuklären und wegen Verletzung ihrer vorvertraglichen Aufklärungspflichten haften würden (Feststellungsziel I.3.).
Rz. 5
Mit Musterentscheid vom 23. Dezember 2020 hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der Prospekt das Risiko aus der hohen Volatilität des Charterratenmarktes nicht genügend darstelle (Tenor zu I.1.), dass der Prospekt insoweit unvollständig bzw. fehlerhaft sei, als er nicht darauf hinweise, dass die Preise für Gebrauchtschiffe in Abhängigkeit vom volatilen Charterratenniveau extrem schwankten (Tenor zu I.2.), als er es mangels Darstellung aussagekräftiger Orderbuchzahlen nicht ermögliche, das konkrete künftige Wachstum an Tonnage und die daraus resultierende Übertonnage zu erkennen (Tenor zu I.3.), und als die Liquiditäts- und Ergebnisprognose nicht nachvollziehbar dargestellt seien (Tenor zu I.4.). Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass die Musterbeklagten für die festgestellten Prospektmängel nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne verantwortlich seien und insoweit auch schuldhaft gehandelt hätten (Tenor zu II.). Im Übrigen hat das Oberlandesgericht die Feststellungsziele zurückgewiesen.
Rz. 6
Die Musterbeklagten haben gegen den Musterentscheid Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der sie sich gegen die getroffenen Feststellungen wenden.
Rz. 7
Mit Senatsbeschluss vom 17. März 2021 ist die Musterbeklagte zu 1 zur Musterrechtsbeschwerdeführerin bestimmt worden.
B.
Rz. 8
Die Rechtsbeschwerden haben Erfolg.
I.
Rz. 9
Die Rechtsbeschwerden der Musterrechtsbeschwerdeführerin und der Rechtsbeschwerdeführer zu 2 und zu 3 sind zulässig. Sie sind rechtzeitig eingelegt und begründet worden (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde formuliert einen ordnungsgemäßen Rechtsbeschwerdeantrag (§ 20 Abs. 1 Satz 1 KapMuG i.V.m. § 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Der Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit er die Musterrechtsbeschwerdeführerin und die Musterbeklagten zu 2 und zu 3 beschwert und insoweit nach den "letzten Anträgen der Musterrechtsbeschwerdeführerin sowie der Musterbeklagten zu 2 und zu 3 im Musterverfahren zu erkennen", lässt vorliegend erkennen, welche Abänderungen beantragt werden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Oktober 2020 - XI ZB 28/19, WM 2020, 2411 Rn. 21 und vom 15. Dezember 2020 - XI ZB 24/16, BGHZ 228, 133 Rn. 34 ff., jeweils mwN).
II.
Rz. 10
Die Rechtsbeschwerden der Musterrechtsbeschwerdeführerin und der Rechtsbeschwerdeführerinnen zu 2 und zu 3 sind begründet. Sie führen dazu, dass das Feststellungsziel I.1. als unbegründet zurückgewiesen wird und dass der Vorlagebeschluss hinsichtlich der Feststellungsziele I.2., II.1.a), b), c) und 3.e) gegenstandslos ist.
Rz. 11
1. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung des Musterentscheids - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - ausgeführt:
Rz. 12
Die Feststellung zum Feststellungsziel II.1.a) sei zu treffen, weil im Prospekt zumindest darauf hätte hingewiesen werden müssen, dass nach den historischen Erfahrungen das Risiko eines rasanten Verfalls von Charterraten nicht auszuschließen sei. Die Feststellung zum Feststellungsziel II.1.b) sei zu treffen, weil es an einer Darstellung der Entwicklung der "Second-Hand-Preise" für Schiffe fehle, ohne die der Anleger keinen Anhaltspunkt für die Einschätzung der Wahrscheinlichkeit der Wirtschaftlichkeits- bzw. Ergebnisprognose habe. Die Feststellung zum Feststellungsziel II.1.c) sei zu treffen, weil eine Darstellung aussagekräftiger Orderbuchzahlen unverzichtbar sei, um dem Anleger jedenfalls ansatzweise eine Beurteilung der im Prospekt enthaltenen Prognosen zu ermöglichen, und weil sich aus den Orderbuchzahlen ein im Prospekt offenzulegender Risikofaktor ergebe. Die Feststellung zum Feststellungsziel II.3.e) sei zu treffen, weil eine Darstellung der historischen Entwicklung der Charterraten im Prospekt fehle, die für die Ertragslage des Fonds entscheidend sei.
Rz. 13
Die Feststellung zum Feststellungsziel I.1. sei zu treffen, weil sich die Verantwortlichkeit der Musterbeklagten im Sinne der Prospekthaftung im weiteren Sinne für die festgestellten Prospektfehler aus der Stellung der Musterbeklagten als Gründungskommanditistinnen der Fondsgesellschaft ergebe und die Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht durch die spezialgesetzliche Prospekthaftung verdrängt werde. Die Feststellung zum Feststellungsziel I.2. sei zu treffen, weil die Musterbeklagten hinsichtlich der festgestellten Prospektfehler die Verschuldensvermutung aus § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht widerlegt hätten.
Rz. 14
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Oberlandesgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Prospekt fehlerhaft im Sinne der Feststellungsziele II.1.a), b), c) und II.3.e) ist. Denn die Rechtsbeschwerden haben aus einem anderen Grund Erfolg. Das Feststellungsziel I.1. ist - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts - wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung als unbegründet zurückzuweisen. Somit ist der Vorlagebeschluss hinsichtlich der Feststellungsziele II.1.a), b), c) und II.3.e) und hinsichtlich des Feststellungsziels I.2. gegenstandslos.
Rz. 15
a) Durch das Feststellungsziel I.1. sollte nur eine Verantwortlichkeit der Musterbeklagten nach den Grundsätzen der "Prospekthaftung im weiteren Sinne" für das Verwenden eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden. Denn das Feststellungsziel I.1. hat ausschließlich das Bestehen einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht der Musterbeklagten "nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung im weiteren Sinne" zum Gegenstand. Mit dem hieran anknüpfenden Feststellungsziel I.2. soll ein schuldhaftes Handeln der Musterbeklagten bezüglich der vorvertraglichen Aufklärungspflicht betreffend die im Feststellungsziel II. genannten Prospektfehler festgestellt werden. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich ebenfalls, dass mit den Feststellungszielen ausschließlich eine Haftung der Musterbeklagten für den fehlerhaften Inhalt des Prospekts nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne festgestellt werden soll. Im Feststellungsziel II. geht es um verschiedene Prospektfehler, im Feststellungsziel I.1. um die Passivlegitimation der Musterbeklagten, im Feststellungsziel I.3. um das Vorliegen einer Pflichtverletzung der Musterbeklagten und im Feststellungsziel I.2. um das Verschulden der Pflichtverletzung.
Rz. 16
Das Feststellungsziel I.1. ist danach im Einklang mit den Feststellungszielen I.2. und I.3. so auszulegen, dass die in ihm angesprochene Verantwortlichkeit der Musterbeklagten "aufgrund ihrer vorvertraglichen Aufklärungspflicht" nur auf die Verwendung eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gestützt wird. Feststellungsziele sind so auszulegen, dass ein prozessual zulässiges Ergebnis erreicht wird. Feststellungen zu einem Schadensersatzanspruch, der nicht an eine falsche, irreführende oder unterlassene öffentliche Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung anknüpft, wären im Kapitalanleger-Musterverfahren unstatthaft (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 21).
Rz. 17
b) Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts ist die mit dem Feststellungsziel I.1. geltend gemachte Feststellung nicht zu treffen, weil eine Haftung der Musterbeklagten als Prospektverantwortliche aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird - was der Senat bereits entschieden hat (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 22 ff.) - vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung verdrängt.
Rz. 18
Auf den am 20. Dezember 2007 veröffentlichten Prospekt findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) eröffnet.
Rz. 19
aa) Die Musterbeklagte zu 1 ist Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG aF. Denn sie hat die Verantwortung für den Prospekt ausdrücklich übernommen (Prospekt, Seite 5). Eine Haftung der Musterbeklagten zu 1 aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB, die, wie im Feststellungsziel I.1., auf die Verwendung des Prospekts gestützt wird, ist daher aufgrund des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung ausgeschlossen.
Rz. 20
bb) Gleiches gilt auch für eine Haftung der Musterbeklagten zu 2 und zu 3 aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB, die auf die Verwendung des Prospekts gestützt wird.
Rz. 21
Nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF haften neben denjenigen, die für den Prospekt im Sinne des § 8g VerkProspG aF die Verantwortung übernommen haben, im Falle von dort enthaltenen unrichtigen oder unvollständigen wesentlichen Angaben auch diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF). Damit sollen die Personen und Unternehmen getroffen werden, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgeht und die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 24 mwN). Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF ist von einer Prospektverantwortlichkeit eines Hintermannes als Prospektveranlasser unter anderem dann auszugehen, wenn dieser auf die Konzeption des konkreten, mit dem Prospekt beworbenen und vertriebenen Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit letztendlich auch für die Herausgabe des Prospekts verantwortlich ist. Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des Hintermannes sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospekts gegeben ist; ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist (Senatsbeschluss aaO).
Rz. 22
Nach diesen Grundsätzen sind die Musterbeklagten zu 2 und zu 3 Prospektverantwortliche im Sinne von § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF. Sie sind - was bereits ausreicht (Senatsbeschluss vom 12. Oktober 2021 - XI ZB 26/19, WM 2021, 2386 Rn. 24; vgl. auch Klöhn, NZG 2021, 1063, 1068 f.) - Gründungsgesellschafterinnen der Fondsgesellschaft mit Kommanditeinlagen von 100 € bzw. 6.100 €.
Rz. 23
cc) Die Musterbeklagten hafteten mithin als Prospektverantwortliche (Musterbeklagte zu 1) bzw. als Prospektveranlasserin (Musterbeklagte zu 2 und zu 3) für unrichtige oder unvollständige wesentliche Angaben nach den Grundsätzen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF. Neben dieser ist eine Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung des unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen (Senatsbeschluss vom 19. Januar 2021 - XI ZB 35/18, BGHZ 228, 237 Rn. 26). Das Feststellungsziel I.1. ist daher als unbegründet zurückzuweisen.
Rz. 24
c) Da der Antrag zu dem Feststellungsziel I.1. in der Sache unbegründet ist, ist der Vorlagebeschluss hinsichtlich der Feststellungsziele I.2., II.1.a), b), c) und II.3.e) gegenstandslos.
Rz. 25
Gegenstandslos wird der dem Musterverfahren zugrundeliegende Vorlagebeschluss hinsichtlich eines Feststellungsziels, wenn die Entscheidungserheblichkeit dieses Feststellungsziels aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen ist (Senatsbeschlüsse vom 22. November 2016 - XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 106, vom 19. September 2017 - XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 49, vom 23. Oktober 2018 - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 61 und vom 6. Oktober 2020 - XI ZB 28/19, WM 2020, 2411 Rn. 54).
Rz. 26
Das ist hier für die Feststellungsziele II.1.a), b), c) und II.3.e), die Prospektfehler zum Gegenstand haben, und hinsichtlich des Feststellungsziels I.2., mit dem geltend gemacht wird, die Musterbeklagten hätten hinsichtlich dieser Prospektfehler schuldhaft gehandelt, der Fall. Der Vorlagebeschluss ist dahin auszulegen, dass die Prospektfehler ausschließlich als anspruchsbegründende Voraussetzung einer Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden sollen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 19. September 2017 - XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 54 und vom 12. Oktober 2021 - XI ZB 26/19, WM 2021, 2386 Rn. 28). Im Vorlagebeschluss ist ausgeführt, dass die Parteien sämtlicher Musterverfahrensanträge um Schadensersatzansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne streiten würden. Das Verschulden soll nach dem Feststellungsziel I.2. ebenfalls nur im Hinblick auf eine Prospekthaftung im weiteren Sinne festgestellt werden. Da eine solche Haftung aus Rechtsgründen nicht gegeben ist, kommt es auf Feststellungen zu Prospektfehlern und zum Verschulden nicht mehr an.
Rz. 27
Der Senat ist weder durch den Vorlagebeschluss noch durch den Musterentscheid an eine bestimmte Prüfungsreihenfolge der Feststellungsziele gebunden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. November 2016 - XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 106 und vom 12. Oktober 2021 - XI ZB 26/19, WM 2021, 2386 Rn. 29 ff.).
III.
Rz. 28
Der XI. Zivilsenat ist nach A. I. XI. Zivilsenat 1.c) des Geschäftsverteilungsplans des Bundesgerichtshofs für das Geschäftsjahr 2021 ausschließlich zuständig für Rechtsstreitigkeiten über Prospekthaftungsansprüche nach §§ 13, 13a VerkProspG. Er ist damit auch zuständig, über das Konkurrenzverhältnis zwischen gesetzlicher Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF und bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung zu entscheiden. Denn ob Letztere im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung anwendbar ist, ist keine Frage der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung, sondern eine Frage nach der Reichweite der Rechtsfolgen der gesetzlichen Prospekthaftung (vgl. Senatsbeschluss vom 27. April 2021 - XI ZB 35/18, BKR 2021, 774 mit zust. Anm. Ueding; Klöhn, NZG 2021, 1063, 1071).
IV.
Rz. 29
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens folgt aus § 26 Abs. 2 Satz 1 KapMuG. Danach haben die Musterklägerin und alle Beigeladenen die gesamten Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach dem Grad ihrer Beteiligung im erstinstanzlichen Musterverfahren zu tragen.
V.
Rz. 30
Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskosten folgt aus § 51a Abs. 2 GKG. Gemäß § 51a Abs. 2 GKG ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz bei der Bestimmung des Streitwerts von der Summe der in sämtlichen Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche auszugehen, soweit diese von den Feststellungszielen des Musterverfahrens betroffen sind. Infolgedessen sind bei der Streitwertbemessung auch die in den Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche der Beigeladenen zu berücksichtigen, die zwar dem Rechtsbeschwerdeverfahren nicht beigetreten sind, ihre Klage aber nicht innerhalb der Monatsfrist des § 8 Abs. 3 Nr. 2, § 24 Abs. 2 KapMuG zurückgenommen haben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. November 2016 - XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 117 und vom 23. Oktober 2018 - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 80). Der Gesamtwert der in sämtlichen ausgesetzten Ausgangsverfahren geltend gemachten Ansprüche beträgt vorliegend 399.741,24 €.
Rz. 31
Die Festsetzung des Gegenstandswerts für die außergerichtlichen Kosten richtet sich nach § 23b RVG. Danach bestimmt sich der Gegenstandswert nach der Höhe des von dem Auftraggeber oder gegen diesen im Prozessverfahren geltend gemachten Anspruchs, soweit dieser Gegenstand des Musterverfahrens ist. Für die Prozessbevollmächtigten, die mehrere Beteiligte im Rechtsbeschwerdeverfahren vertreten, ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten gemäß § 22 Abs. 1 RVG in Höhe der Summe der nach § 23b RVG zu bestimmenden Streitwerte festzusetzen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. November 2016 - XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 118 und vom 23. Oktober 2018 - XI ZB 3/16, BGHZ 220, 100 Rn. 81).
Rz. 32
Danach ist der Gegenstandswert für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdeführerin und der Rechtsbeschwerdeführerinnen zu 1 und zu 2 auf 411.060 € und für die Bestimmung der außergerichtlichen Kosten des Prozessbevollmächtigten der Musterrechtsbeschwerdegegnerin auf 49.750 € festzusetzen.
Ellenberger |
|
Grüneberg |
|
Dauber |
|
Schild von Spannenberg |
|
Ettl |
|
Fundstellen
Haufe-Index 15171838 |
NZG 2022, 671 |