Leitsatz (amtlich)
Jedenfalls dann, wenn die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Insolvenzrechtsbeschwerde nicht gegeben sind, kann vor dem Rechtsbeschwerdegericht ein Gläubigerantrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr einseitig für erledigt erklärt werden.
Normenkette
InsO §§ 7, 14 Abs. 1, § 34 Abs. 1; ZPO § 574 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Aurich (Beschluss vom 28.10.2003; Aktenzeichen 4 T 448/03) |
AG Leer |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Aurich v. 28.10.2003 wird auf Kosten der Antragstellerin verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 500.000 EUR.
Gründe
I.
Die Antragstellerin kaufte von der T. GmbH und der K. GmbH & Co. KG - die gemeinsam die Aktien der Korte AG (fortan: Schuldnerin) hielten - sämtliche Aktien der Schuldnerin. Als auflösende Bedingung war vereinbart, dass die Antragstellerin bis zu einem bestimmten Termin eine Bareinlage von 500.000 EUR direkt an die Schuldnerin leisten sollte. Wegen verspäteter Zahlung erklärten die Verkäufer, dass die auflösende Bedingung eingetreten, der Kaufvertrag mithin nicht mehr gültig sei. Nachdem die Schuldnerin einer Aufforderung der Antragstellerin zur Rückzahlung der 500.000 EUR keine Folge leistete, hat die Antragstellerin Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin gestellt.
Das Insolvenzgericht hat die Eröffnung abgelehnt, weil die Antragstellerin ihre Forderung und den von ihr behaupteten Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht glaubhaft gemacht habe. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das LG zurückgewiesen. Dagegen hat sich die Antragstellerin mit ihrer Rechtsbeschwerde gewandt. Später hat das Insolvenzgericht auf Antrag eines Dritten das Insolvenzverfahren eröffnet. Daraufhin hat die Antragstellerin "das Rechtsbeschwerdeverfahren" in der Hauptsache für erledigt erklärt. Der Insolvenzverwalter hat sich dazu nicht geäußert.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Demgemäß ist eine Erledigung nicht eingetreten.
1. Für den Zivilprozess ist umstritten, ob nur die Hauptsache oder auch ein Rechtsmittel für erledigt erklärt werden kann (offen gelassen von BGH v. 14.7.1994 - IX ZR 193/93, BGHZ 127, 74 [82] = MDR 1994, 1142; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 91a Rz. 61 f; Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., § 91a Rz. 8; Bergerfurth, NJW 1992, 1655 [1656]; Gaier, JZ 2001, 445). Zum insolvenzrechtlichen Beschwerdeverfahren liegen dazu - soweit ersichtlich - bislang noch keine Stellungnahmen vor. Einer abschließenden Äußerung des Senats bedarf es insoweit nicht. Denn der Erledigungserklärung der Antragstellerin ist - trotz ihres Wortlauts - zu entnehmen, dass sie nicht das Rechtsbeschwerdeverfahren, sondern die Hauptsache für erledigt erklären wollte. Die Antragstellerin hat beantragt, "die Verfahrenskosten" der Masse aufzuerlegen. Da die Kosten der Vorinstanzen der Antragstellerin auferlegt worden sind, ist dieses Ziel für sie nur erreichbar, wenn sich ihre Erledigungserklärung auf das Verfahren im Ganzen bezieht. Die bloße Erledigung des Rechtsbeschwerdeverfahrens ließe die Kostenverteilung in den Vorinstanzen unberührt.
2. Solange nicht das Gericht den Eröffnungsbeschluss erlassen hat, kann bei einem Fremdantrag der Antragsteller die Hauptsache für erledigt erklären (OLG Celle NZI 2001, 150; OLG Köln NZI 2001, 318 [319]; Ganter in MünchKomm/InsO, § 4 Rz. 28; Schmahl in MünchKomm/InsO, § 13 Rz. 112; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 14 Rz. 84; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 13 Rz. 126). Im vorliegenden Fall ist zwar ein Eröffnungsbeschluss ergangen, aber eben nicht auf den Antrag der Antragstellerin hin; dieser ist vielmehr abgelehnt geblieben und kann sich infolge "prozessualer Überholung" erledigt haben.
3. Es ist von einer einseitigen Erledigungserklärung der Antragstellerin auszugehen.
Teilweise wird zwar die Ansicht vertreten, wenn der dazu angehörte Schuldner keine Stellungnahme abgebe, sei sein Schweigen als Erledigungserklärung / Zustimmung zur Erledigungserklärung des Antragstellers zu verstehen (AG Hamburg v. 11.12.2000 - 67c IN 257/00, ZIP 2001, 257; Schmahl in MünchKomm/InsO, § 13 Rz. 115); andere nehmen in diesem Fall eine einseitige Erledigungserklärung an (OLG Köln NZI 2001, 318 [319]; HK-InsO/Kirchhof, § 14 Rz. 42; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 13 Rz. 126; FK-InsO/Schmerbach, 3. Aufl., § 13 Rz. 109; Huber, EWiR 2001, 680). Der Senat schließt sich der zweiten Auffassung an. Grundsätzlich gilt im Verfahrensrecht Schweigen nicht als Zustimmung, es sei denn, es ist etwas anderes vorgeschrieben (§ 91a Abs. 1 S. 2, § 269 Abs. 2 S. 4 ZPO). Dies ist hier nicht der Fall. Im Übrigen kann auch eine einseitige Erklärung zur Feststellung der Erledigung des Insolvenzeröffnungsantrags führen, so dass zu der Frage, ob der Antrag begründet gewesen ist, in keinem Falle mehr eine Sachaufklärung erfolgen muss.
4. Im Falle einer einseitigen Erledigungserklärung des antragstellenden Insolvenzgläubigers gelten die Grundsätze, die für den Zivilprozess zur einseitigen Erledigungserklärung des Klägers entwickelt worden sind, in modifizierter Form (OLG Köln NZI 2001, 318 [319]; Schmahl in MünchKomm/InsO, § 13 Rz. 119; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 14 Rz. 84; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 13 Rz. 126). Hier wie dort hat das Gericht zu prüfen, ob der Antrag bis zu der Erledigungserklärung zulässig gewesen ist. Wird die Erledigung in einem höheren Rechtszug erklärt, muss auch das Rechtsmittel zulässig sein (BGH, Beschl v. 15.1.2004 - IX ZB 197/03, NZI 2004, 216). Trifft diese Voraussetzung nicht zu, ist das Rechtsmittel zu verwerfen, und es sind gem. § 4 InsO, § 91 ZPO dem Antragsteller die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
5. In den Vorinstanzen ist entschieden worden, die Antragstellerin habe keinen gem. § 14 Abs. 1 InsO Erfolg versprechenden Antrag gestellt. Dieser sei unzulässig, weil eine Forderung der Antragstellerin gegen die Schuldnerin nicht glaubhaft gemacht sei; ein etwaiger Bereicherungsausgleich habe im Verhältnis zwischen den Kaufvertragsparteien stattzufinden. Demgemäß sei aus dem Umstand, dass die Schuldnerin die 500.000 EUR nicht zurückgezahlt habe, auch nicht auf deren Zahlungsunfähigkeit zu schließen. Die Rechtsbeschwerde hat nicht aufzuzeigen vermocht, dass sich insofern eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 4 InsO, § 574 Abs. 2 ZPO).
Die Rechtsbeschwerde hat - vor der Erledigungserklärung - der Sache grundsätzliche Bedeutung insoweit beigemessen, als höchstrichterlich noch nicht geklärt sei, ob die von der Rechtsprechung zum "Doppelmangel in der Bereicherungskette" entwickelten Grundsätze auch dann anwendbar seien, wenn das Tilgungsverhältnis unwirksam sei und ein Valutaverhältnis nicht bestehe (offen gelassen von BGH, Urt. v. 1.6.1989 - III ZR 261/87, MDR 1990, 29 = NJW 1989, 2879 [2881]; bejahend OLG Saarbrücken v. 11.8.1999 - 1 U 867/98-157, OLGReport Saarbrücken 2000, 19 = NJW-RR 2000, 845; Lieb in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 812 Rz. 47; Palandt/Sprau, BGB, 63. Aufl., § 812 Rz. 65 a.E.).
Eine rechtlich ungeklärte Forderung ist zur Glaubhaftmachung eines Insolvenzgrundes ungeeignet (BGH, Beschl. v. 19.12.1991 - III ZR 9/91, ZIP 1992, 947; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 14 Rz. 28). Denn wegen dieser Unklarheit konnte die Schuldnerin die Zahlung an die Antragstellerin verweigern, und dann folgte aus dem Unterbleiben der Zahlung nichts für eine Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin.
Fundstellen
BGHR 2005, 468 |
EBE/BGH 2005, 2 |
NJW-RR 2005, 418 |
WM 2005, 135 |
WuB 2005, 229 |
ZIP 2005, 91 |
DZWir 2005, 131 |
MDR 2005, 595 |
NZI 2005, 108 |
ZInsO 2005, 39 |
ZVI 2005, 125 |
ZVI 2006, 26 |