Entscheidungsstichwort (Thema)
Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung. Einseitige Erledigungserklärung für Insolvenzeröffnungsantrag. Kostenentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Erklärt der Antragsteller seinen Eröffnungsantrag einseitig für erledigt, findet gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, welche die Erledigung des Antrags feststellt und dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt, die sofortige Beschwerde nach §§ 6, 34 Abs. 2 InsO statt; § 91a ZPO ist nicht anwendbar.
Normenkette
InsO §§ 6-7, 34 Abs. 2; ZPO §§ 91a, 99 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 09.05.2007; Aktenzeichen 326 T 22/07) |
AG Hamburg (Beschluss vom 19.03.2007; Aktenzeichen 67B IN 265/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 26 des LG Hamburg vom 9.5.2007 wird auf Kosten der Schuldnerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des AG Hamburg vom 19.3.2007 als unzulässig verworfen wird.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 6.804 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Die weitere Beteiligte (fortan: Gläubigerin) hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin beantragt. Die Schuldnerin hat die Forderung der Gläubigerin sowie das Vorliegen der Eröffnungsvoraussetzungen bestritten. Nach Einholung eines Gutachtens hat das Insolvenzgericht den Eröffnungsantrag abgewiesen und die Verfahrenskosten der Gläubigerin auferlegt. Gegen diesen Beschluss hat die Gläubigerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie hat sodann ihren Antrag für erledigt erklärt, weil die Eröffnungsvoraussetzungen durch während des Beschwerdeverfahrens getroffene Stundungsvereinbarungen entfallen seien. Die Schuldnerin hat der Erledigung widersprochen. Mit Beschluss vom 19.3.2007 hat das Insolvenzgericht den Beschluss über die Abweisung des Eröffnungsantrags aufgehoben, die Erledigung des Antrags festgestellt und die Verfahrenskosten der Schuldnerin auferlegt.
[2] Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen die in diesem Beschluss getroffene Kostenentscheidung ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin die Abweisung des Eröffnungsantrags sowie eine Kostenentscheidung zum Nachteil der Gläubigerin erreichen.
II.
[3] Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, § 91a Abs. 2 Satz 1 ZPO statthaft. Entgegen der Ansicht der Gläubigerin ist sie nicht durch § 99 Abs. 1 ZPO ausgeschlossen. Das Beschwerdegericht hat formal eine Entscheidung nach "§ 4 InsO i.V.m. §§ 91a Abs. 2, 99 Abs. 2, 567 ff. ZPO" getroffen. Gegen Entscheidungen gem. § 91a Abs. 2 ZPO ist die Rechtsbeschwerde gegeben, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Ob die Heranziehung des § 91a Abs. 2 ZPO in der Sache zutreffend war, ist eine Frage der Begründetheit der Rechtsbeschwerde.
III.
[4] Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin war nach §§ 4 InsO, 99 Abs. 1 ZPO unzulässig.
[5] 1. Im streitigen Zivilprozess gilt § 99 Abs. 1 ZPO, nicht § 91a Abs. 2 ZPO, wenn nach einer einseitig gebliebenen Erledigungserklärung des Klägers die Klage abgewiesen wird und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt werden. Der Kläger kann dann nicht gem. § 91a Abs. 2 ZPO sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung einlegen, sondern muss das Urteil insgesamt mit dem Rechtsmittel der Berufung angreifen (vgl. BGHZ 57, 224, 226; BGH, Urt. v. 9.3.1993 - VI ZR 249/92, NJW-RR 1993, 765, 766). In der Berufungsinstanz werden Zulässigkeit und Begründetheit des Feststellungsantrags erneut geprüft. Erforderlichenfalls wird über die erledigenden Tatsachen sowie über die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage im Zeitpunkt der Erledigung Beweis erhoben (BGH, Urt. v. 27.2.1992 - I ZR 35/90, NJW 1992, 2235, 2236).
[6] 2. Ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann vom antragstellenden Gläubiger ebenfalls für erledigt erklärt werden (BGHZ 149, 178, 181).
[7] a) Schließt sich der Schuldner der Erledigung an, ist damit das Eröffnungsbegehren nicht mehr anhängig. Es ist nur noch eine Kostenentscheidung zu treffen (§§ 4 InsO, 91a ZPO; vgl. etwa Ganter in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 4 Rz. 28; Schmahl in MünchKomm/InsO, 2. Aufl., § 13 Rz. 135; FK-InsO/Schmerbach, 4. Aufl., § 13 Rz. 101). Die Kostenentscheidung kann gem. § 91a Abs. 2 ZPO mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden; die Rechtsbeschwerde ist nur nach Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
[8] b) Widerspricht der Schuldner, ist dagegen weiterhin über den durch die Erledigungserklärung geänderten Eröffnungsantrag zu entscheiden, darüber also, ob der Antrag zulässig und begründet war und sich durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis erledigt hat (BGHZ 149, 178, 182; MünchKomm/InsO/Ganter, a.a.O.). Im Insolvenzeröffnungsverfahren gelten die allgemeinen Grundsätze, die zur einseitig gebliebenen Erledigungserklärung im streitigen Zivilprozess entwickelt worden sind, zwar nur in modifizierter Form. Insbesondere finden keine weiteren Ermittlungen mehr dazu statt, ob ein Eröffnungsgrund gegeben war. Grundlage der vom Insolvenzgericht zu treffenden Entscheidung ist vielmehr der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Erledigungserklärung (BGH, Beschl. v. 11.11.2004 - IX ZB 258/03, NZI 2005, 108; OLG Köln NZI 2002, 157, 158). Ein reiner Parteienstreit über die Kostentragungspflicht ist mit § 5 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht vereinbar (vgl. Kirchhof in HK/InsO, 4. Aufl., § 14 Rz. 48); Amtsermittlungen (§ 5 Abs. 1 InsO) sind nicht mehr veranlasst, sobald feststeht, dass das Insolvenzverfahren wegen des geänderten Antrags nicht mehr eröffnet werden kann (dazu BGHZ 149, 178, 182; BGH, Beschl. v. 2.3.2006 - IX ZB 192/04, ZIP 2006, 767; vgl. auch MünchKomm/InsO/Ganter, a.a.O.). Gleichwohl bleibt der durch die Erledigungserklärung geänderte Eröffnungsantrag anhängig und muss beschieden werden. Stellt das Insolvenzgericht die Erledigung fest, kann der Schuldner den Beschluss gem. §§ 6, 34 Abs. 2 InsO mit der sofortigen Beschwerde anfechten; weist das Insolvenzgericht den Antrag ab, gelten §§ 6, 34 Abs. 1 InsO. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts findet nach § 7 InsO die Rechtsbeschwerde statt (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). § 91a ZPO ist dagegen weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (OLG Köln NZI 2002, 157, 158; MünchKomm/InsO/Ganter, a.a.O.; Jaeger/Gerhardt, InsO § 13 Rz. 69; a.A. AG Göttingen ZInsO 2007, 48; Häsemeyer, Insolvenzrecht 4. Aufl. Rz. 7.06; wohl auch Uhlenbruck, InsO, 10. Aufl., § 14 Rz. 84 f.).
[9] 3. Mit Beschluss vom 19.3.2007 hat das Insolvenzgericht die Erledigung des Eröffnungsantrags festgestellt und die Verfahrenskosten unter Hinweis auf §§ 4 InsO, 91 ZPO der Schuldnerin auferlegt. Gegen diesen Beschluss hätte die Schuldnerin gem. §§ 6, 34 Abs. 2 InsO sofortige Beschwerde mit dem Ziel der Abweisung des Insolvenzantrags einlegen können. Die Schuldnerin hat jedoch nur beantragt, die Kostenentscheidung zum Nachteil der Gläubigerin zu ändern. Es handelte sich also um eine sofortige Beschwerde nach §§ 4 InsO, 91a Abs. 2 ZPO, die nicht statthaft war, weil das Insolvenzgericht (zutreffend) nicht nur über die Kosten des Eröffnungsverfahrens, sondern auch über den Eröffnungsantrag selbst entschieden hatte. Die Anfechtung nur der Kostenentscheidung, nicht aber der Entscheidung über den Eröffnungsantrag war nach §§ 4 InsO, 99 Abs. 1 ZPO unzulässig (vgl. BGH, Beschl. v. 13.7.2006 - IX ZB 27/04, n.v.; Ganter in MünchKomm/InsO, a.a.O., § 4 Rz. 30).
IV.
[10] Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens entspricht dem Kosteninteresse der Parteien. § 58 Abs. 3 GKG findet keine Anwendung.
Fundstellen
BGHR 2009, 153 |
EBE/BGH 2008 |
NJW-RR 2009, 188 |
WM 2008, 2176 |
ZAP 2008, 1356 |
ZIP 2008, 2285 |
AnwBl 2009, 1 |
DZWir 2009, 40 |
MDR 2009, 51 |
NZI 2008, 736 |
ZInsO 2008, 1206 |