Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbeschwerde in Verfahren nach der Gesamtvollstreckungsordnung. Keine Anwendbarkeit von § 7 InsO. Rechtsirrtum über Anwendbarkeit. Keine Nachholungsmöglichkeit durch Ergänzungsbeschluss. Keine Bindung des Senats durch Berichtigungsbeschluss trotz formeller Rechtskraft. Nachträgliche Zulassung widerspricht getroffener Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
Die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht bindend, wenn das Beschwerdegericht bei seiner ursprünglichen Entscheidung irrtümlich davon ausgegangen ist, die Rechtsbeschwerde sei schon nach dem Gesetz statthaft.
Normenkette
ZPO §§ 318-319, 321, 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; InsO §§ 4, 7
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Schwerin vom 9.7.2008, berichtigt durch Beschluss vom 13.8.2008, wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1) als unzulässig verworfen.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 152.408,29 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
[1] Der (weitere) Beteiligte zu 1) war Verwalter in dem am 2.9.1997 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Mit Beschluss des Gesamtvollstreckungsgerichts vom 28.9.2004 wurde er entlassen.
[2] Mit Schriftsatz vom 8.11.2004 hat der Beteiligte zu 1) beantragt, seine restliche Vergütung abzgl. entnommener Vorschüsse auf weitere 81.325,46 EUR festzusetzen. Hierauf hat das Insolvenzgericht wegen Verwirkung des Anspruchs die Vergütung auf 0 EUR festgesetzt und ihn zugleich aufgefordert, die bereits entnommenen Vorschüsse an die Masse zurückzuleisten. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg. Nach Zurückweisung der Beschwerde durch Beschluss vom 9.7.2008 hat das Beschwerdegericht in einem weiteren Beschluss vom 13.8.2008 den Tenor seiner Entscheidung dahingehend ergänzt, dass die Rechtsbeschwerde zugelassen werde. Nach der Begründung dieser Entscheidung war es bei Erlass des Beschlusses vom 9.7.2008 irrtümlich von der Anwendbarkeit des § 7 InsO auf Rechtsbeschwerden gegen Entscheidungen der Beschwerdegerichte im Gesamtvollstreckungsverfahren ausgegangen.
[3] Mit der Rechtsbeschwerde erstrebt der Beteiligte zu 1) die Festsetzung seiner Vergütung unter Berücksichtigung entnommener Vorschüsse von 83.216, 22 EUR auf noch 69.192,07 EUR.
II.
[4] Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.
[5] 1. Die Rechtsbeschwerde nach §§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ist nicht gegeben. § 7 InsO ist gem. Art. 103 Satz 1 EGInsO auf den Rechtsmittelzug in Verfahren nach der Gesamtvollstreckungsordnung nicht anzuwenden (BGH, Beschl. v. 15.1.2004 - IX ZB 62/03, ZInsO 2004, 274, 275). Die Rechtsbeschwerde ist in diesen Verfahren nur dann statthaft, wenn sie in dem Beschluss, mit dem über die sofortige Beschwerde entschieden wurde, gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ausdrücklich zugelassen worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 24.11.2003 - II ZB 37/02, NJW 2004, 779; Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 574 Rz. 14; Hk-ZPO/Kayser, 2. Aufl., § 574 Rz. 14).
[6] 2. Eine das Rechtsbeschwerdegericht nach § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO bindende Zulassung liegt nicht vor.
[7] a) Bei dem Beschluss vom 13.8.2008 handelt es sich - ungeachtet seiner Bezeichnung durch das Beschwerdegericht als Berichtigungsbeschluss - nach Tenor und Gründen um eine Ergänzungsentscheidung entsprechend § 321 ZPO, die jedoch unzulässig ist. Der BGH (Beschl. v. 24.11.2003, a.a.O.) hat für § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO entschieden, dass eine im Beschwerdebeschluss unterbliebene Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht durch einen Ergänzungsbeschluss nachgeholt werden kann. Enthält der Beschluss keinen Ausspruch der Zulassung, so heißt das, dass die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird. Eine nachträgliche Zulassung holt nicht, wie in § 321 ZPO vorausgesetzt wird, eine unterbliebene Entscheidung nach, sondern widerspricht entgegen § 318 ZPO der bereits getroffenen Entscheidung und ändert sie ab. Dies gilt sowohl für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO n.F. als auch für den vergleichbaren Fall der Zulassung der Rechtsbeschwerde durch Ergänzungsbeschluss (BGH, Beschl. v. 24.11.2003, a.a.O.).
[8] b) Nach der Rechtsprechung des BGH kann zwar eine Berichtigung des Beschlusses, in den eine beschlossene Zulassung versehentlich nicht aufgenommen wurde, nach § 319 ZPO erfolgen. Dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschlossen und nur versehentlich nicht im Beschluss ausgesprochen war, muss sich dann aber aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder mindestens aus den Vorgängen bei seinem Erlass oder seiner Verkündung ergeben, weil nur dann eine "offenbare" Unrichtigkeit vorliegen kann (BGH, Beschl. v. 24.11.2003, a.a.O.; vgl. BGHZ 20, 188, 191 f.; 78, 22 für die gleich gelagerten Fälle der Zulassung der Revision nach § 546 ZPO a.F.).
[9] Der Beschluss vom 13.8.2008 ist zwar vom Beschwerdegericht getroffen worden, um den Beschluss vom 9.7.2008 zu berichtigen. Aus der Begründung der Entscheidung ergibt sich aber, dass es sich tatsächlich nicht um eine Berichtigung handelt. Das Beschwerdegericht ist bei der Beratung der Sache aufgrund Rechtsirrtums von der Anwendbarkeit des § 7 InsO ausgegangen. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde hat es deshalb nicht für erforderlich gehalten. Der Beschluss gab das Ergebnis der Beratung vollständig und richtig wieder.
[10] Auch die weitere Voraussetzung, aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder zumindest aus den Vorgängen, die zu seinem Erlass geführt haben, müsse sich ergeben, dass eine "offenbare" Unrichtigkeit vorliegt, ist nicht erfüllt. Weder aus dem Beschluss selbst noch aus den Umständen, die zum Erlass der Entscheidung geführt haben, ist der Wille des Beschwerdegerichts zu entnehmen, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Obwohl der Senat schon 2004 entschieden hat, dass die Rechtsbeschwerde im Gesamtvollstreckungsverfahren nur statthaft ist, wenn sie vom Beschwerdegericht ausdrücklich zugelassen ist (BGH, Beschl. v. 15.1.2004, a.a.O.), hat sich das Beschwerdegericht in dem am 8.7.2008 getroffenen Beschluss weder im Tenor noch in den Gründen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde geäußert. Dieses Schweigen reicht aus, um von einer Nichtzulassung auszugehen (Hk-ZPO/Kayser, a.a.O.).
[11] c) Eine ergänzende Zulassung der Rechtsbeschwerde analog § 321a ZPO, die möglich ist, wenn in der Beschwerdeentscheidung durch willkürliche Nichtzulassung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletzt worden ist (BGH, Beschl. v. 19.5.2004 - IXa ZB 182/03, NJW 2004, 2529; v. 4.7.2007 - VII ZB 28/07, WM 2007, 2035, 2036), kommt vorliegend nicht in Betracht. Eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten des Beschwerdeführers wird von der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht. Sie ist auch nicht gegeben.
[12] d) Eine Bindung des Senats durch den Berichtigungsbeschluss vom 13.8.2008 ist nicht eingetreten. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH entfalten fehlerhafte Berichtigungsbeschlüsse, die erkennbar keine gesetzliche Grundlage haben, trotz formeller Rechtskraft keine verbindliche Wirkung (BGHZ 20, 188, 192 f.; BGH, Urt. v. 9.11.1994 - XII ZR 184/93, NJW 1995, 1033; Beschl. v. 11.5.2004 - VI ZB 19/04, NJW 2004, 2389).
Fundstellen
BGHR 2009, 810 |
EBE/BGH 2009, 163 |
NJW-RR 2009, 1349 |
WM 2009, 1058 |
ZAP 2009, 623 |
KKZ 2010, 217 |
MDR 2009, 887 |
NZI 2009, 744 |
ZInsO 2009, 885 |
NJW-Spezial 2009, 428 |