Leitsatz (amtlich)
Im Verbraucherinsolvenzverfahren kann die Mindestvergütung des § 13 InsVV ausnahmsweise um einen Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV gekürzt werden, wenn wegen der Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse und der geringen Anzahl der Gläubiger oder der geringen Höhe der Verbindlichkeiten der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens beträchtlich unterschritten wird, die Arbeitserleichterung nicht bereits darauf zurückzuführen ist, dass die Unterlagen nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt worden sind, und sich ohne die zusätzliche Kürzung eine unangemessene hohe Vergütung ergäbe.
Normenkette
InsVV § 3 Abs. 2 Buchst. e, § 13
Verfahrensgang
LG Krefeld (Beschluss vom 04.04.2018; Aktenzeichen 7 T 54/18) |
AG Krefeld (Entscheidung vom 15.02.2018; Aktenzeichen 95 IK 5/16) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Krefeld vom 4.4.2018 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1) zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 238,01 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Der weitere Beteiligte zu 1) (fortan: Verwalter) war Verwalter in dem am 6.4.2016 eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. Der Schuldner hatte über seinen Verfahrensbevollmächtigten die Eröffnung des Verfahrens und Restschuldbefreiung beantragt und dem Antrag die in § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO genannten Verzeichnisse beigefügt, die von dem Verfahrensbevollmächtigten erstellt worden waren. Dem Schuldner wurden die Verfahrenskosten gestundet. In dem schriftlich durchgeführten Verfahren meldeten drei Gläubiger Forderungen im Gesamtbetrag von 34.571,29 EUR zur Insolvenztabelle an. Da lediglich unpfändbare Vermögenswerte vorhanden waren und der Schuldner Einkommen nur in unpfändbarer Höhe erzielte, konnte der Verwalter keine Vermögenswerte zur Masse ziehen. Mit Beschluss vom 17.11.2017 wurde das Insolvenzverfahren ohne Verteilung nach § 200 InsO aufgehoben.
Rz. 2
Mit Schreiben vom 12.9.2017 hat der Verwalter beantragt, seine Vergütung unter Zugrundelegung der nach § 13 InsVV auf 800 EUR gekürzten Mindestvergütung einschließlich Auslagen, Zustellungskosten und Umsatzsteuer auf 1.219,99 EUR festzusetzen. Das Insolvenzgericht hat einen Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV i.H.v. 200 EUR vorgenommen und die Vergütung auf insgesamt 981,98 EUR festgesetzt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Verwalters hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Verwalter den abgewiesenen Teil seines Vergütungsantrags weiter.
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 4, 6 Abs. 1, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO) und auch im Übrigen zulässig. Entgegen der Ansicht des Schuldners war nicht schon die sofortige Beschwerde des Verwalters nach § 64 Abs. 3 Satz 2 InsO, § 567 Abs. 2 ZPO unzulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes, der nach diesen Bestimmungen 200 EUR übersteigen muss, bestimmt sich nach dem Unterschiedsbetrag zwischen dem in der angefochtenen Entscheidung zugebilligten und dem in der Beschwerdeinstanz beantragten Betrag (BGH, Beschl. v. 19.4.2012 - IX ZB 162/10, ZInsO 2012, 972 Rz. 10). Dieser Unterschied beträgt hier 238,01 EUR. Der darin enthaltene, der abzuführenden Umsatzsteuer entsprechende und vom Verwalter nach § 7 InsVV zur Festsetzung beantragte Betrag ist nicht herauszurechnen.
Rz. 4
In der Sache bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
Rz. 5
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, ein Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV komme auch dann in Betracht, wenn die Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 InsVV bereits nach § 13 InsVV gekürzt worden sei. Die Tätigkeit des Verwalters habe derjenigen eines früheren Treuhänders entsprochen. Bei Betrachtung der gesamten Umstände sei ein Absenken der Vergütung auf 600 EUR und damit auf das Vergütungsniveau eines Treuhänders nach altem Recht angezeigt.
Rz. 6
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand. Maßgeblich für die Bemessung der Vergütung sind die Regelungen der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung in der ab dem 1.7.2014 geltenden Fassung, weil das Insolvenzverfahren nach dem 30.6.2014 beantragt worden ist (§ 19 Abs. 4 InsVV).
Rz. 7
a) Die Bemessung von Zu- und Abschlägen zum Regelsatz der Vergütung ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Sie ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf zu überprüfen, ob sie die Gefahr der Verschiebung von Maßstäben mit sich bringt (BGH, Beschl. v. 6.4.2017 - IX ZB 48/16 WM 2017, 825 Rz. 8 m.w.N.; st.Rspr.).
Rz. 8
aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass die in massearmen Verfahren zu gewährende Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 InsVV auch in Verbraucherinsolvenzverfahren um einen Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV gekürzt werden kann, wenn der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens erheblich unterschritten wird. Voraussetzung ist, dass der qualitative und quantitative Zuschnitt des Verfahrens so weit hinter den Kriterien eines durchschnittlichen massearmen Verfahrens, das schon seiner Art nach regelmäßig mit einem verminderten Aufwand verbunden ist, zurückbleibt, dass der Regelsatz der Mindestvergütung zu einer unangemessen hohen Vergütung führen würde (BGH, Beschl. v. 14.12.2017 - IX ZB 101/15, WM 2018, 242 Rz. 13 ff.).
Rz. 9
bb) Ein Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV kann auch von der nach § 13 InsVV gekürzten Mindestvergütung vorgenommen werden. Nach dieser durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15.7.2013 (BGBl. I 2379) mit Wirkung vom 1.7.2014 neu gefassten Norm ermäßigt sich die Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 Satz 1 InsVV auf 800 EUR, wenn in einem Verbraucherinsolvenzverfahren die Unterlagen nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt werden. Die Vorschrift zeigt, dass der Gesetzgeber die Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 InsVV in Fällen verminderten Aufwands für unterschreitbar hielt. Es ist auch nicht anzunehmen, dass § 13 InsVV solche Fälle abschließend regeln will (BGH, Beschl. v. 14.12.2017, a.a.O., Rz. 15). Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht (Wischemeyer/Schur, ZVI 2017, 171, 177; Gortan, NZI 2016, 339, 341; Nerlich/Römermann/Stephan, InsO, 2017, § 13 InsVV Rz. 17; HK-InsO/Keller, 9. Aufl., § 13 InsVV Rz. 19; Stoffler in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2016, § 13 InsVV Rz. 9; HmbKomm-InsO/Büttner, 7. Aufl., § 13 InsVV Rz. 14 ff.; Graeber/Graeber, InsVV, 3. Aufl., § 3 Rz. 316; Haarmeyer/Mock, InsVV, 6. Aufl., § 3 Rz. 119; BeckOK-InsO/Budnik, 2020, § 13 InsVV Rz. 9; ders. NZI 2020, 128) trifft es auch nicht zu, dass der ebenfalls durch das Gesetz vom 15.7.2013 neu geschaffene Abschlagstatbestand des § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV bereits in die Regelung des § 13 InsVV "integriert" sei und nicht beide Kürzungsvorschriften kumulativ angewandt werden könnten (offen gelassen von LG Münster, NZI 2020, 126). Die beiden Regelungen betreffen unterschiedliche Tatbestände (so auch Wischemeyer/Schur, a.a.O.; Gortan, a.a.O., S. 339). Während es bei § 13 InsVV um den im Vergleich zum Regelinsolvenzverfahren geringeren Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters infolge der von einer geeigneten Stelle erstellten und deshalb verlässlicheren Verzeichnisse des Vermögens und Einkommens des Schuldners, seiner Gläubiger und ihrer Forderungen geht (vgl. BT-Drucks. 17/11268, 37), betrifft § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV die Arbeitserleichterung, die sich für den Verwalter ergibt, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist. Die jeweiligen Tatbestände können, müssen aber nicht zusammentreffen. Es kann Fälle geben, in denen die Voraussetzungen des § 13 InsVV, nicht aber diejenigen des § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV gegeben sind; die Mindestvergütung beträgt dann 800 EUR. Liegen zusätzlich die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV vor, kann dies wegen des - nochmals - geringeren Arbeitsaufwands eine Herabsetzung der Mindestvergütung des § 13 InsVV rechtfertigen. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber den Abschlagstatbestand des § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV in die Regelung des § 13 InsVV habe einbeziehen wollen, sind nicht erkennbar. Der Sache nach gleicht § 13 InsVV einem weiteren Regelbeispiel zu § 3 Abs. 2 InsVV (Zimmer, InsVV, § 13 Rz. 2). Auch dies spricht dafür, dass auf der Grundlage der geltenden Regelung ein Abschlag nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV von der Mindestvergütung des § 13 InsVV möglich ist. Eine abweichende Regelung wäre vom Verordnungsgeber zu treffen.
Rz. 10
cc) Bei der Beurteilung, ob und in welchem Umfang die Mindestvergütung des § 13 InsVV nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV herabgesetzt werden kann, ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Insolvenzverwalter aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 12 Abs. 1 GG) in einem seiner Qualifikation und seiner Tätigkeit angemessenen Umfang vergütet werden muss. Wegen des Grundsatzes der Querfinanzierung muss die Vergütung zwar nicht in jedem Einzelfall kostendeckend sein. Der Insolvenzverwalter muss aber auch dann, wenn er überwiegend in massearmen Verfahren beauftragt wird, im Durchschnitt dieser Verfahren eine auskömmliche Vergütung erzielen können (vgl. BGH, Beschl. v. 15.1.2004 - IX ZB 96/03 BGHZ 157, 282, 286, 288 ff.).
Rz. 11
Eine Kürzung der Mindestvergütung des § 2 Abs. 2 InsVV in Verbraucherinsolvenzverfahren sowohl nach § 13 InsVV als auch nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV darf deshalb nicht die Regel sein, sondern ist auf Ausnahmefälle zu beschränken. Massearme Verfahren, in denen die Mindestvergütung zum Tragen kommt, sind schon ihrer Art nach regelmäßig mit einem verminderten Aufwand verbunden. Nur wenn der durchschnittliche Aufwand eines massearmen Verfahrens nochmals beträchtlich unterschritten wird, kommt ein Abschlag von der Mindestvergütung in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 14.12.2017, a.a.O., Rz. 14). Zu beachten ist ferner, dass Umstände, auf denen die Ermäßigung der Mindestvergütung nach § 13 InsVV beruht, nicht erneut bei der Prüfung eines Abschlags nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV berücksichtigt werden dürfen. Die Vergütung eines Insolvenzverwalters in einem Verbraucherinsolvenzverfahren kann sich im Ergebnis am Vergütungssatz eines Treuhänders nach früherem Recht (§§ 313, 314 InsO a.F.) orientieren, wenn seine Tätigkeit tatsächlich nicht über dessen Aufgabenbereich hinausgeht (BGH, Beschl. v. 6.4.2017 - IX ZB 48/16 WM 2017, 825 Rz. 13); die Mindestvergütung von 600 EUR, die nach § 13 Abs. 1 Satz 3 InsVV a.F. einem Treuhänder zu gewähren war, darf jedoch nicht unterschritten werden (BGH, Beschl. v. 14.12.2017, a.a.O., Rz. 16).
Rz. 12
b) Die Entscheidung des Beschwerdegerichts stimmt mit diesen Grundsätzen überein. Seine Annahme, die Voraussetzungen eines Abschlags nach § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV seien gegeben, lässt nach dem im Rechtsbeschwerdeverfahren für die Bemessung von Zu- und Abschlägen geltenden eingeschränkten Prüfungsmaßstab keinen Rechtsfehler erkennen.
Rz. 13
Die Zahl von drei am Verfahren teilnehmenden Gläubigern war gering und die Vermögensverhältnisse des Schuldners waren überschaubar. Hierfür wird zwar nicht stets die Feststellung genügen, dass keine Insolvenzmasse vorhanden ist. Es kann auch Fälle geben, in denen der Verwalter erst aufgrund umfangreicher Tätigkeit ermitteln kann, dass Vermögensgegenstände vorhanden, diese aber nicht pfändbar sind und auch Einkünfte des Schuldners die Pfändungsfreigrenze nicht übersteigen. Schwierigkeiten dieser Art hat der Verwalter hier aber nicht dargelegt. Soweit er sich auf umfangreiche Korrespondenz mit dem Schuldner und dem Finanzamt hinsichtlich der Steuererklärungen berufen hat, hat er hierzu nichts Näheres vorgetragen, auch nachdem das Insolvenzgericht darauf hingewiesen hatte, dass sich hiervon im Schlussbericht und im Vergütungsantrag nichts finde. Tätigkeiten, die über den Aufgabenbereich eines Treuhänders nach altem Recht hinausgingen, hat der Verwalter nicht behauptet.
Fundstellen
Haufe-Index 13865392 |
DStR 2020, 12 |
NJW 2020, 10 |
NJW-RR 2020, 685 |
EWiR 2020, 467 |
KTS 2021, 103 |
WM 2020, 980 |
ZIP 2020, 1197 |
ZIP 2020, 42 |
JZ 2020, 361 |
NZI 2020, 161 |
NZI 2020, 521 |
Rpfleger 2020, 537 |
ZInsO 2020, 1156 |
ZInsO 2023, 1521 |
AGS 2021, 333 |
InsbürO 2020, 296 |
RENOpraxis 2020, 194 |
ZVI 2020, 228 |
VIA 2020, 52 |