Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert des Patentnichtigkeitsverfahrens. Interesse des Nichtigkeitsklägers an der Nichtigerklärung. Streitwerterhöhung
Leitsatz (amtlich)
a) Der Gegenstandswert des Patentnichtigkeitsverfahrens wird durch den gemeinen Wert des Patents bei Klageerhebung zzgl. des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen bestimmt.
b) Bei der Festsetzung des Gegenstandswerts kann von dem Streitwert eines auf das Streitpatent gestützten Verletzungsprozesses ausgegangen werden, der regelmäßig das Interesse des Nichtigkeitsklägers an der Nichtigerklärung des Patents widerspiegelt. Dem Umstand, dass der gemeine Wert des Patents in der Regel über dieses Individualinteresse hinausgeht, ist bei der Wertfestsetzung mangels anderweitiger Anhaltspunkte dadurch Rechnung zu tragen, dass der Gegenstandswert um ein Viertel höher als der Streitwert des Verletzungsprozesses angenommen wird.
Normenkette
GKG § 51 Abs. 1
Verfahrensgang
BPatG (Entscheidung vom 09.09.2008; Aktenzeichen 1 Ni 28/07 (EU)) |
Tenor
Auf die Gegenvorstellung der Beklagten wird unter Abänderung des Beschlusses des Senats vom 14.3.2011 der Streitwert für das Berufungsverfahren auf 1.667.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Klägerin hat, nachdem sie ihre Nichtigkeitsklage zurückgenommen hat, den Streitwert für das Berufungsverfahren mit 2 Mio. EUR angegeben. Auf diesen Betrag hat das BPatG in erster Instanz den Streitwert festgesetzt. Nach Mitteilung der Beklagten ist in dem parallelen Verletzungsverfahren der Streitwert vorläufig ebenfalls auf 2 Mio. EUR festgesetzt worden. Mit Beschluss vom 14.3.2011 hat der Senat den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 2.500.000 EUR festgesetzt. Mit ihrer Gegenvorstellung macht die Beklagte geltend, das BPatG habe den Streitwert auf 2 Mio. EUR festgesetzt und bestimmt, dass von den Kosten des Rechtsstreits die Beklagte zwei Drittel zu tragen habe. Da nur die Beklagte gegen dieses Urteil Berufung eingelegt habe, betrage der Streitwert 1.333.333 EUR.
Rz. 2
Der Streitwert im Patentnichtigkeitsverfahren ist nach § 51 Abs. 1 GKG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dafür im Allgemeinen der gemeine Wert des Patents bei Erhebung der Klage bzw. der Einlegung der Berufung zzgl. des Betrags der bis dahin entstandenen Schadensersatzforderungen maßgeblich (BGH, Beschl. v. 11.10.1956 - I ZR 28/55, GRUR 1957, 79; BGH, Beschl. v. 7.11.2006 - X ZR 138/04, GRUR 2007, 175 - Sachverständigenentschädigung IV; Beschl. v. 28.7.2009 - X ZR 153/04, GRUR 2009, 1100 - Druckmaschinen-Temperierungssystem III). Ist zu diesem Zeitpunkt über die streitige Höhe des wegen Verletzung des Streitpatents bereits entstandenen Schadens noch keine abschließende gerichtliche Entscheidung ergangen, entspricht es regelmäßig billigem Ermessen, den bezifferten Betrag der Schadensersatzforderung in voller Höhe in die Wertbestimmung einzustellen (Beschluss vom 28.7.2009, a.a.O.). Mangels solcher oder weiterer Anhaltspunkte legt der Senat die (vorläufige) Streitwertfestsetzung im Verletzungsverfahren zugrunde. Diese beziffert regelmäßig das Interesse des Nichtigkeitsklägers an der erstrebten Vernichtung des Streitpatents, mit der der Patentverletzungsklage die Grundlage entzogen werden soll. Eine Streitwertfestsetzung im Nichtigkeitsverfahren unterhalb dieses Betrages kommt daher regelmäßig nicht in Betracht.
Rz. 3
Damit ist der in der Regel über das Interesse des Nichtigkeitsklägers hinausgehende gemeine Wert des Patents jedoch noch nicht in seiner Gesamtheit erfasst; insb. ist noch nicht der Eigennutzung des Streitpatents durch den Patentinhaber Rechnung getragen. Diese berücksichtigt der Senat in seiner neueren Praxis mangels anderer Anhaltspunkte regelmäßig mit einem Zuschlag von 25 % auf den nach den zuvor erörterten Gesichtspunkten ermittelten Streitwert.
Rz. 4
Von dem sich danach hier ergebenden Betrag von 2.500.000 EUR ist jedoch, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, ein Drittel abzuziehen. Das Patentgericht hat das Streitpatent teilweise für nichtig erklärt und der Klägerin ein Drittel sowie der Beklagten zwei Drittel der Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Da nur die Beklagte Berufung eingelegt hat, geht in den Berufungsstreitwert nur deren in erster Linie weiter verfolgtes Ziel ein, die vollständige Abweisung der Nichtigkeitsklage zu erreichen. Dem ist durch eine Ermäßigung des Streitwerts um den Anteil Rechnung zu tragen, in dem das erstinstanzliche Urteil nicht angefochten ist (BGH, Beschl. v. 12.7.2005 - X ZR 56/04, GRUR 2005, 972 - Streitwert im Nichtigkeitsberufungsverfahren). Mangels anderer Anhaltspunkte ist daher im vorliegenden Fall eine Ermäßigung um ein Drittel vorzunehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 2705106 |
DB 2011, 8 |