Entscheidungsstichwort (Thema)
Neubewilligung von PKH nach Entzug wegen Nichtzahlung der festgesetzten Raten
Leitsatz (amtlich)
Wird die Prozesskostenhilfe gem. § 124 Nr. 4 ZPO wegen Nichtzahlung der festgesetzten Raten entzogen, so kommt für dieselbe Instanz gleichwohl eine Neubewilligung in Betracht, wenn sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei verschlechtert haben. Die Neubewilligung darf in diesem Fall nur dann abgelehnt werden, wenn greifbare Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Partei die Anordnung von Ratenzahlungen erneut missachten wird.
Normenkette
ZPO § 124 Nr. 4
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 08.10.2003; Aktenzeichen I-8 W 30/03) |
LG Mönchengladbach |
Tenor
Dem Rechtsbeschwerdeführer wird für die Rechtsbeschwerde Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. bewilligt. Der Rechtsbeschwerdeführer hat auf die Prozesskosten monatliche Raten i.H.v. 45 EUR zu zahlen. Die Zahlungen sind an die Bundeskasse zu leisten.
Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 8.10.2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt den Beklagten mit der vorliegenden Klage auf Schadensersatz wegen eines behaupteten augenärztlichen Behandlungsfehlers in Anspruch. Auf seinen erstmaligen Antrag wurde ihm Prozesskostenhilfe bewilligt gegen monatliche Ratenzahlung von 310 DM ab 1.9.2001. Diese Bewilligung der Prozesskostenhilfe wurde widerrufen, weil der Kläger mit der Ratenzahlung länger als drei Monate in Rückstand geraten war und auf Mahnung hin nur unvollständig Raten erbracht hatte. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom OLG zurückgewiesen.
Mit Verfügung v. 20.2.2003 setzte das LG dem Kläger zur Zahlung eines Auslagenvorschusses von 1.200 EUR für die Einholung eines Sachverständigengutachtens eine Frist bis zum 17.3.2003.
In der Folge begehrte der Kläger erneut die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens und zwar unter Hinweis auf seine am 1.1.2003 eingetretene Arbeitslosigkeit. Das LG hat diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, nach der Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 124 Nr. 4 ZPO komme eine erneute Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht in Betracht. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen hinsichtlich der Frage, ob eine erneute Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse ausgeschlossen ist.
II.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, eine Neubewilligung von Prozesskostenhilfe sei in Fällen der vorliegenden Art wegen des Sanktionscharakters des § 124 Nr. 4 ZPO auch dann ausgeschlossen, wenn das neue Prozesskostenhilfegesuch auf die Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse gestützt werde. Die in § 124 Nr. 4 ZPO vorgesehene Aufhebung der Bewilligung stelle eine Sanktion dafür dar, dass der Hilfebedürftige anhaltend gegen seine Ratenzahlungspflicht verstoße. Würde man der betroffenen Partei trotz der vorangegangenen Aufhebung erneut Prozesskostenhilfe bewilligen, würde der mit der Regelung des § 124 Nr. 4 ZPO verfolgte Zweck weitgehend verfehlt. Denn die Partei habe normalerweise durch die Aufhebung keine Nachteile zu befürchten. Zwar würde die Neubewilligung nur für die Zukunft wirken. Dennoch würde die Neubewilligung im Regelfall erneut alle Kosten der Partei abdecken, weil die Bewilligung auch rückständige Gerichtskosten erfasse (§ 122 Abs. 1 Nr. 1a ZPO) und weil ganz überwiegend die Auffassung vertreten werde, dass der beigeordnete Rechtsanwalt alle Gebühren gegen die Staatskasse geltend machen könne, die seit seiner Beiordnung erstmals oder auch nur wiederholt entstünden.
Eine andere Handhabung sei auch dann nicht gerechtfertigt, wenn der Antrag auf Neubewilligung - wie hier - darauf gestützt werde, dass sich die Einkommensverhältnisse nach der Aufhebung derart verschlechtert hätten, dass ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen wäre; denn die Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe hätte dann sogar zur Folge, dass die Partei nachträglich von allen Kosten freigestellt werde, obwohl sie sich den ihr zumutbaren Ratenzahlungen in der Vergangenheit entzogen habe. Dass dies nicht mit der gesetzlichen Regelung in Einklang stünde und zu einer eindeutigen und ungerechtfertigten Bevorzugung gegenüber denjenigen Parteien führen würde, die den Ratenzahlungsanordnungen Folge leisteten, solange ihnen dies möglich sei, liege auf der Hand.
Aus dem Beschwerdevorbringen ergebe sich im Übrigen auch nicht, dass die Nichteinhaltung der monatlichen Ratenzahlungsverpflichtung ab dem 1.9.2001 auf eine Verschlechterung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse zurückzuführen sei; denn die vom Kläger angeführte Arbeitslosigkeit sei erst zum 1.1.2003 eingetreten.
Die erneute Bewilligung von Prozesskostenhilfe sei schließlich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Soweit der Kläger befürchte, den Prozess zu verlieren, weil er nicht in der Lage sei, den angeforderten Vorschuss für die angeordnete Einholung des Sachverständigengutachtens aufzubringen, sei zu berücksichtigen, dass das LG im Rahmen seines Ermessens sorgfältig zu prüfen habe, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens hier trotz der Nichtzahlung des Auslagenvorschusses durch die Partei ausnahmsweise von Amts wegen nach § 144 ZPO erforderlich sei.
2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 2 ZPO), und auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet.
a) Die Frage, ob trotz Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung nach § 124 Nr. 4 ZPO eine erneute Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bei veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen in Betracht kommt, wird unterschiedlich beantwortet.
Die vom Beschwerdegericht vertretene Auffassung, wonach eine erneute Bewilligung der Prozesskostenhilfe für denselben Gegenstand und dieselbe Instanz grundsätzlich ausgeschlossen sei, wird auch anderweit vertreten (OLG Düsseldorf v. 1.3.1995 - 3 U 36/92, FamRZ 1996, 617 f.; Wax in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 124, Rz. 14 [4, 3]; Musielak/Fischer, ZPO, 4. Aufl., § 124 Rz. 11; Schoreit/Dehn, BerH/PKH, 8. Aufl., § 124, Rz. 15). Teilweise wird diese Auffassung jedenfalls für den Fall vertreten, dass eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse nicht eingetreten ist (OLG Koblenz v. 17.4.1996 - 13 WF 286/96, FamRZ 1996, 1426 [1427]; OLG Naumburg v. 14.1.1997 - 3 WF 136/96, OLGReport Naumburg 1997, 72; OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.4.2004 - 9 WF 1213/04, FamRZ 2005, 531 f.) oder bei regelmäßiger Zahlung der auferlegten Raten im Zeitpunkt der erneuten Antragstellung sämtliche Kosten bezahlt gewesen wären (OLG Bremen v. 22.2.2001 - 4 WF 5/01, FamRZ 2001, 1534 [1535]).
Die Gegenmeinung nimmt an, dass eine Neubewilligung von Prozesskostenhilfe zumindest dann in Betracht komme, wenn sich die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Partei wesentlich verschlechtert haben, wobei dann allerdings die erneute Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur mit Wirkung ab Antragstellung erfolgen dürfe (OLG Zweibrücken v. 8.4.2002 - 5 WF 15/02, OLGReport Zweibrücken 2002, 343 = FamRZ 2002, 1418 [1419]; OLG Schleswig SchlHA 1984, 174; Zöller/Philippi, ZPO, 24. Aufl., § 124, Rz. 26; Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl., Rz. 496, 230a; vgl. auch: Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 124 Rz. 30, § 117 Rz. 33).
b) Nach Ansicht des Senats ist bei einer wesentlichen Verschlechterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse über ein Prozesskostenhilfegesuch ab Antragstellung erneut zu entscheiden.
Zwar ist dem Beschwerdegericht dahin zu folgen, dass die in § 124 Nr. 4 ZPO angeordnete Sanktion nicht dadurch unterlaufen werden darf, dass nach der Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen Nichtzahlung der Raten (bei unverändertem Sachstand) erneut Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Die Sanktion reicht aber nicht weiter, als es ihr Anlass gebietet. § 124 Nr. 4 ZPO sanktioniert die Missachtung der richterlichen Zahlungsanordnung (§ 120 Abs. 1 ZPO) durch die Partei. Sie schließt die erneute Bewilligung von Prozesskostenhilfe für dieselbe Instanz daher nur aus, wenn greifbare Anhaltspunkte eine erneute derartige Missachtung als möglich erscheinen lassen. Ist dies nicht der Fall oder ist sogar auf Grund der geänderten Verhältnisse Prozesskostenhilfe ohne die Anordnung einer Ratenzahlung zu bewilligen, kann der Sanktionszweck nicht greifen. Die Verweigerung der Prozesskostenhilfe würde in diesem Fall ohne ausreichenden sachlichen Grund die bedürftige Partei gegenüber einer vormals nicht bedürftigen Partei unangemessen benachteiligen und ihr die Rechtsverfolgung oder -verteidigung unangemessen erschweren. Die Tatsache, dass infolge der erneuten Bewilligung möglicherweise Gebührentatbestände abgedeckt werden, die bereits früher entstanden waren, führt zu keiner anderen Beurteilung.
3. Die Sache ist demnach an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Dieses wird über die sofortige Beschwerde unter Beachtung der vorstehenden Grundsätze zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1440356 |
BB 2005, 2435 |