Verfahrensgang
Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 3. Mai 2023 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO auf ihre Kosten zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.
Streitwert: 26.015,06 €
Gründe
I.
Rz. 1
Die Klägerin erklärte am 17. März 2009, der vormals zweitbeklagten Kommanditgesellschaft (nachfolgend: Fondsgesellschaft) über einen Treuhänder mit einer Einlage von 80.000 € zzgl. 6 % Agio beizutreten, und leistete diese Einlage später in Höhe von 56.150 €. Die Beklagte war Gründungsgesellschafterin, Kapitalvermittlerin und Komplementärin der Fondsgesellschaft.
Rz. 2
Zum Zeitpunkt des Beitritts war E. Alleinvorstand der Beklagten und Geschäftsführer der M. GmbH sowie an beiden Gesellschaften kapitalmäßig beteiligt. Zudem war er Geschäftsführer der O. GmbH, die von der Beklagten mit dem Untervertrieb der Beteiligungen an der Fondsgesellschaft beauftragt war. Der Emissionsprospekt legte offen, dass E. Vorstand der Beklagten war und diese mit dem Vertrieb der angebotenen Vermögensanlage betraut war, nicht hingegen seine Bezüge zur M. GmbH und zur O. GmbH.
Rz. 3
Am 5. Juni 2018 kündigte die Klägerin ihre Beteiligung außerordentlich. Die Fondsgesellschaft zahlte ihr auf der Grundlage einer Auseinandersetzungsbilanz 31.266,88 €. Am 21. Juli 2021 leistete die Klägerin aufgrund ihrer Beteiligung an der Fondsgesellschaft eine Einkommensteuernachzahlung für den Veranlagungszeitraum 2010 in Höhe von 1.131,94 €.
Rz. 4
Die Klägerin hat zuletzt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe von 26.015,06 € nebst Zinsen verlangt, weil sie vor ihrem Beitritt durch den Vermittler T. nicht ordnungsgemäß über die Risiken der Beteiligung aufgeklärt worden sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts auf die Berufung der Beklagten im Zinsausspruch teilweise abgeändert und das Rechtsmittel im Übrigen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.
II.
Rz. 5
Die Revision ist durch Beschluss zurückzuweisen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg und Zulassungsgründe liegen nicht vor (§ 552a ZPO).
Rz. 6
1. Das Berufungsgericht (OLG München, Urteil vom 3. Mai 2023- 7 U 4308/22, juris) hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, zur Begründung ausgeführt:
Rz. 7
Der Prospekt, der Grundlage des Beratungsgesprächs zwischen der Klägerin und dem Vermittler T. gewesen sei, kläre unzutreffend bzw. unvollständig über die Verflechtungen auf. Der Untervertrieb durch die M. GmbH und die Tätigkeit von E. als deren Geschäftsführer sei unerwähnt geblieben. Letzteres hätte schon nach § 12 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VermVerkProspV im Prospekt angegeben werden müssen. Das Bestehen eines Untervertriebsvertrags zur M. GmbH stehe aufgrund der Beweisaufnahme fest. Entgegen der Sicht der Beklagten fehle es an einer Interessenkollision nicht deswegen, weil die Tätigkeit von E. für die mit dem Vertrieb der Beteiligungen befasste Beklagte offengelegt worden sei. Seine Tätigkeit für die Untervertriebsgesellschaften vertiefe den Interessenkonflikt, weil nunmehr auch diese aus dem Kuchen der Anlegergelder zu versorgen seien. Ob nur die prospektierten Margen zwischen der Beklagten und der M. GmbH verteilt worden seien, sei ebenso unbeachtlich wie der Hinweis des Prospekts auf die Möglichkeit der Einschaltung von Untervermittlern. In gleicher Weise sei eine Aufklärung über die Stellung von E. als Geschäftsführer in der O. GmbH geboten gewesen. Der Anspruch der Klägerin gemäß § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB sei auch nicht durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG i.V.m. §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung ausgeschlossen.
Rz. 8
2. Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegt nicht mehr vor.
Rz. 9
a) Das Berufungsgericht hat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, weil es mit seiner Entscheidung über das Verhältnis der Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB zur spezialgesetzlichen Prospekthaftung von der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs abweiche.
Rz. 10
b) Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (nachstehend jeweils als aF bezeichnet) in Betracht kommt, wenn der Gründungsgesellschafter dadurch einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand setzt, dass er entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderem übernommenen Vertrieb Verantwortung trägt (BGH, Beschluss vom 11. Juli 2023 - XI ZR 60/22, AG 2023, 585 Rn. 7; Beschluss vom 11. Juli 2023- XI ZB 20/21, ZIP 2023, 2037 Rn. 41; Beschluss vom 25. Juli 2023- XI ZB 11/21, ZIP 2023, 1798 Rn. 16). Eine Haftung der Beklagten gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB ist danach nicht ausgeschlossen, weil die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als Gründungsgesellschafterin den Vertrieb der Beteiligungen unter Einschaltung von Untervermittlern übernommen hat.
Rz. 11
3. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg.
Rz. 12
a) Der erkennende Senat hat nach dem Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die Altgesellschafter einer Publikumskommanditgesellschaft nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz) vom 28. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2630) Aufklärungspflichten nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB weiterhin treffen, wenn sie entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernehmen oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung tragen (BGH, Urteil vom 24. Oktober 2023 - II ZR 57/21, juris Rn. 27, zVb in BGHZ). Die Beklagte traf danach eine Vertriebsverantwortung, wie bereits ausgeführt.
Rz. 13
b) Die Revision wendet sich auch ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Beklagte ihre Aufklärungspflichten verletzt hat.
Rz. 14
aa) Einem Anleger muss vor seiner Beteiligung an einer Fondsgesellschaft ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, das heißt, er muss über alle Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen speziellen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden (BGH, Urteil vom 4. Juli 2017 - II ZR 358/16, ZIP 2017, 1664 Rn. 9; Urteil vom 6. November 2018- II ZR 57/16, ZIP 2019, 22 Rn. 15; Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 139/17, ZIP 2019, 513 Rn. 21 ff.; Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, ZIP 2023, 29 Rn. 33; Urteil vom 24. Oktober 2023 - II ZR 57/21, juris Rn. 8, zVb in BGHZ).
Rz. 15
Erforderlich für eine vollständige Aufklärung ist eine Darstellung der wesentlichen kapitalmäßigen und personellen Verflechtungen zwischen einerseits der Fondsgesellschaft, ihren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern und andererseits den Unternehmen sowie deren Geschäftsführern und beherrschenden Gesellschaftern, in deren Hand die Beteiligungsgesellschaft die nach dem Prospekt durchzuführenden Vorhaben ganz oder wesentlich gelegt hat, und die Aufklärung über die diesem Personenkreis gewährten Sonderzuwendungen oder Sondervorteile (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980- II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 345; Urteil vom 10. Oktober 1994 - II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851, 1852; Urteil vom 7. April 2003 - II ZR 160/02, WM 2003, 1086, 1088; Urteil vom 29. Mai 2008 - III ZR 59/07, ZIP 2008, 1481 Rn. 25; Urteil vom 22. April 2010 - III ZR 318/08, ZIP 2010, 1132 Rn. 24; Urteil vom 22. April 2010 - III ZR 321/08, ZIP 2010, 1801 Rn. 25; Urteil vom 21. September 2010- XI ZR 232/09, ZIP 2010, 2140 Rn. 29; Beschluss vom 15. Januar 2013- II ZR 43/12, juris Rn. 7; Beschluss vom 23. September 2014 - II ZR 320/13, juris Rn. 23; Beschluss vom 4. Juni 2019 - II ZR 256/18, juris Rn. 16; Beschluss vom 13. Januar 2020 - II ZR 97/19, juris Rn. 15; Beschluss vom 12. Januar 2021 - XI ZB 18/17, ZIP 2021, 1051 Rn. 88; Beschluss vom 18. Mai 2021- XI ZB 19/18, WM 2021, 1426 Rn. 46). Derartige Verflechtungen begründen die Gefahr einer Interessenkollision zum Nachteil der Gesellschaft und der beitretenden Gesellschafter. Der einzelne Anleger kann deshalb erwarten, dass er über diesen Sachverhalt aufgeklärt wird, damit er in Kenntnis des Risikos seine Entscheidung treffen und gegebenenfalls der bestehenden Gefährdung begegnen kann (BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337, 345; Urteil vom 10. Oktober 1994 - II ZR 95/93, ZIP 1994, 1851, 1852). Ihm müssen hinreichende Informationen geboten werden, um selbst beurteilen zu können, ob faktisch eine Beeinflussung der Entscheidungen droht (BGH, Beschluss vom 24. Februar 2015 - II ZR 104/13, juris Rn. 19; Beschluss vom 4. Juni 2019- II ZR 256/18, juris Rn. 16; Beschluss vom 18. Mai 2021 - XI ZB 19/18, ZIP 2021, 2393 Rn. 46; Urteil vom 24. Oktober 2023 - II ZR 57/21, juris Rn. 39, zVb in BGHZ).
Rz. 16
Aus den spezialgesetzlichen Regelungen über die notwendigen Angaben in einem Verkaufsprospekt sind keine hiervon abweichenden Aufklärungspflichten abzuleiten. Diese entsprechen vielmehr den zuvor vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen über die gebotene Aufklärung (BGH, Beschluss vom 22. März 2022 - XI ZB 24/20, ZIP 2023, 1373 Rn. 45; Urteil vom 24. Oktober 2023 - II ZR 57/21, juris Rn. 40, zVb in BGHZ).
Rz. 17
bb) Das Berufungsgericht hat hiervon ausgehend zutreffend angenommen, dass eine Aufklärung auch darüber geboten war, dass der Alleinvorstand der Beklagten E. auch Geschäftsführer der M. GmbH und der O. GmbH war, die von der Beklagten mit dem Untervertrieb der Beteiligungen beauftragt waren. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 VermVerkProspV in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung muss der Verkaufsprospekt über die Mitglieder der Geschäftsführung oder des Vorstands des Emittenten angeben, in welcher Art und Weise diese auch für Unternehmen tätig sind, die mit dem Vertrieb der angebotenen Vermögensanlagen betraut sind. Diese Angabepflichten erstrecken sich, wenn das Geschäftsführungsorgan des Emittenten seinerseits eine Gesellschaft ist, die nur durch ihre Organe handeln kann, auf die Gesellschaft, für die natürliche Personen handeln (Assmann in Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, Prospektrecht Kommentar, 4. Aufl., § 12 VermVerkProsV Rn. 10). Mit dem Vertrieb der angebotenen Vermögensanlagen betraut ist ein Unternehmen unabhängig davon, ob es den Vertriebsauftrag direkt vom Emittenten oder im Rahmen eines Untervertriebsauftrags von einem Dritten erhalten hat (OLG München, Urteil vom 13. November 2019 - 7 U 605/19, juris Rn. 24 f.; Assmann in Assmann/Schlitt/von Kopp-Colomb, Prospektrecht Kommentar, 4. Aufl., § 12 VermVerkProsV Rn. 24, § 7 VermVerkProsV Rn. 31; Katzorke/Wagner in Siering/Izzo-Wagner, VermAnlG, § 12 VermVerkProspV Rn. 30; Unzicker, VerkProspG, § 12VermVerkProspV Rn. 7, § 7 VermVerkProspV Rn. 38).
Born |
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B. Grüneberg |
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V. Sander |
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von Selle |
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Adams |
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Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Fundstellen
Dokument-Index HI16208947 |