Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Rechtsanwalt. Fristenprüfung. Handaktenvorlage zur Berufungseinlegung. Berufungsbegründungsfrist. Fristversäumung. Prüfungspflicht. Richtigkeit des Fristeneintrags
Leitsatz (amtlich)
Wenn dem Rechtsanwalt die Handakten zur Anfertigung der Berufungsschrift vorgelegt werden, muss er auch prüfen, ob die Berufungsbegründungsfrist richtig notiert ist (Bestätigung von BGH, Beschl. v. 1.12.2004 - XII ZB 164/03, MDR 2005, 468 = BGHReport 2005, 457).
Normenkette
ZPO §§ 233, 85 Abs. 2, § 520 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Beschluss vom 08.06.2004; Aktenzeichen 7 S 14/04) |
AG Wiesbaden |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Wiesbaden v. 8.6.2004 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Wert des Beschwerdegegenstands: 3.338,17 EUR.
Gründe
I.
Die Beklagte hat gegen das ihm am 29.1.2004 zugestellte Urteil des AG fristgerecht am 1.3.2004, einem Montag, Berufung eingelegt. Mit einem am 1.4.2004 beim LG eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag hat er beantragt, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Der Vorsitzende der Berufungskammer hat mit Verfügung v. 15.4.2004, dem Beklagten zugegangen am 28.4.2004, die beantragte Fristverlängerung mit der Begründung abgelehnt, der Antrag sei verspätet gestellt, weil die Berufungsbegründungsfrist bereits am 29.3.2004 abgelaufen sei. Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz v. 11.5.2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und die Berufung zugleich begründet. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs hat er vorgetragen und durch Beifügung einer eidesstattlichen Versicherung seiner Kanzleiangestellten F. glaubhaft gemacht, der Ablauf der Berufungsbegründungsfrist sei von der sonst zuverlässigen, in der Berechnung und Überwachung von Fristabläufen gründlich ausgebildeten und regelmäßig überprüften Angestellten F. auf Grund eines Versehens erst für den 1.4.2004 notiert worden.
Das Berufungsgericht hat mit Beschluss v. 8.6.2004, dem Beklagten zugestellt am 17.6.2004, den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die am 16.7.2004 eingegangene und innerhalb gewährter Fristverlängerung am 15.9.2004 begründete Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 S. 4, § 238 Abs. 2 S. 1 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die Rechtssache weder entscheidungserhebliche Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die im vorliegenden Fall einschlägigen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des BGH geklärt. Das Berufungsgericht hat weder die Anforderungen, die nach der Rechtsprechung des BGH an ein Wiedereinsetzungsgesuch zu stellen sind, überspannt noch den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör verletzt.
1. Dahingestellt bleiben kann, ob das Berufungsgericht zu Recht beanstandet hat, der Beklagte habe es versäumt zu erklären, wie er "die Organisation der Richtigkeit der Fristenberechnung" in seiner Kanzlei sichergestellt habe.
2. Dem Beklagten ist nämlich als eigenes Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist jedenfalls anzu Lasten, dass er es versäumt hat, die Notierung auch der Berufungsbegründungsfrist auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, als ihm die Handakte zur Einlegung der Berufung vorgelegt worden ist (BGH, Beschl. v. 1.12.2004 - XII ZB 164/03, MDR 2005, 468 = BGHReport 2005, 457 = FamRZ 2005, 435). Dafür macht es keinen Unterschied, ob zu diesem Zeitpunkt, wovon das LG ausgeht, in der Handakte nur die Frist zur Einlegung der Berufung, nicht aber auch die Frist zu deren Begründung notiert war, oder ob der Eintrag mit dem falsch berechneten Fristende 1.4.2004 bereits vorhanden war. Denn die Prüfungspflicht des Beklagten bezog sich nicht nur auf das Vorhandensein, sondern auch auf die Richtigkeit des Fristeintrags (BGH a.a.O.). Ein Fristeintrag mit dem richtig berechneten Fristende 29.3.2004 fand sich jedoch auch nach dem von der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Vorbringen des Beklagten zur Begründung seines Wiedereinsetzungsgesuchs in der Handakte nicht.
Fundstellen
BB 2005, 1248 |
DStZ 2005, 464 |
NJW 2005, 2625 |
BGHR 2005, 1072 |
FamRZ 2005, 1083 |
NJW-RR 2005, 1085 |
DAR 2005, 397 |
MDR 2005, 1128 |
MDR 2006, 556 |
PA 2005, 154 |
BRAK-Mitt. 2005, 181 |
Mitt. 2005, 327 |
ProzRB 2005, 183 |