Leitsatz (amtlich)
Eine unrichtige Schreibweise der ausländischen Adresse macht die Zustellung nicht unwirksam, wenn eine Verwechslungsgefahr nicht besteht.
Normenkette
ZPO § 213
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf |
LG Düsseldorf |
Tenor
Auf die weitere sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. März 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Entscheidung, auch über die Kosten der sofortigen weiteren Beschwerde, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die beklagte Kommanditgesellschaft wurde durch Versäumnisurteil des Landgerichts zur Zahlung von 90.469,39 DM nebst Zinsen verurteilt. In der handschriftlichen Urschrift des Urteils ist die Anschrift des persönlich haftenden Gesellschafters der Beklagten, wie in der (korrigierten) Klageschrift angegeben, mit „E. B. 36, A-6 E., Österreich” bezeichnet. Der Vermerk des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle über die Zustellung des Versäumnisurteils an die Beklagte durch Aufgabe zur Post am 29. Juni 2000 nennt als Anschrift dagegen „E. B. 36, A-6 E.-Österreich”. Das Landgericht hat den am 16. August 2000 eingelegten Einspruch verworfen, da die auf sechs Wochen festgesetzte Einspruchsfrist nicht gewahrt und Grund zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gegeben sei. Das Oberlandesgericht hat auf die sofortige Beschwerde der Beklagten die Verwerfung des Einspruchs aufgehoben und den Rechtsstreit zur mündlichen Verhandlung über die Hauptsache an das Landgericht zurückverwiesen, denn das Versäumnisurteil sei nicht wirksam zugestellt worden. Hiergegen richtet sich die weitere sofortige Beschwerde des Klägers, der die Beklagte entgegentritt.
II.
1. Die weitere sofortige Beschwerde ist statthaft (§§ 568a, 545, 546 ZPO) und wahrt die gesetzliche Frist (§§ 577 Abs. 2, 222 Abs. 2 ZPO).
2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Zustellung des Versäumnisurteils an die Beklagte ist wirksam.
a) Das Urteil ist, was die Zustellung an eine nicht im Inland wohnende Partei nach §§ 174 Abs. 2, 175 ZPO voraussetzt, an den Komplementär der Beklagten (§ 171 ZPO) unter dessen Adresse und nach dessen Wohnort zur Post aufgegeben worden. Das Beschwerdegericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß die zuvor zum Zwecke der Zustellung der Klageschrift erstellte Urkunde des österreichischen Gerichts (Zustellschein) ein beweiskräftiges Indiz dafür begründet, daß der Komplementär an der in der Klageschrift angegebenen Adresse wohnte (vgl. BGH, Beschl. v. 17. Februar 1992, AnwZ(B) 53/91, NJW 1992, 1963). Die indizielle Wirkung hat die Beklagte nicht entkräftet. In Düsseldorf befand sich, wie das Beschwerdegericht zutreffend festgestellt hat, weder eine Wohn- noch eine Geschäftsadresse. Die von der Beklagten behauptete Wohnadresse in Solingen bestand, wie die vom Kläger eingeholte Auskunft aus dem Melderegister ergibt, nicht.
b) Der Vermerk des Urkundsbeamten über die Zustellung durch Aufgabe zur Post genügt, entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts, den Anforderungen des § 213 ZPO. Bei der Zustellung von Schriftstücken im laufenden Verfahren (BGHZ 58, 177, 179) an eine im Ausland wohnende Person durch Aufgabe zur Post sind an den Vermerk allerdings strenge Anforderungen zu stellen. Denn er ersetzt die Zustellungsurkunde (vgl. § 192 ZPO) und liefert den Beweis (§ 418 Abs. 1 ZPO) für das nach § 175 Abs. 1 Satz 3 ZPO fingierte Zustellungsdatum, den Tag der Aufgabe zur Post. Bei Unvollständigkeit des Vermerks (Beurkundung beschränkt sich auf die Übergabe des Schriftstücks an den Wachtmeister, BGH, Beschl. v. 20. September 1978, IV ZB 104/78, NJW 1979, 218; Vermerk enthält nicht das Datum der Aufgabe zur Post, anders wenn lediglich der Vermerk selbst undatiert ist, BGH, Beschl. v. 14. Oktober 1982, III ZB 23/82, LM ZPO § 213 Nr. 12) oder bei dessen nicht formgerechter Aufnahme (Beurkundung vor Aufgabe zur Post, BGH, Beschl. v. 28. Oktober 1960, IV ZR 45/60, LM RAnO – BrZ – Nr. 9; anders bei nachträglicher Berichtigung eines unwirksamen Vermerks, BGH, Urt. v. 10. Dezember 1986, IVb ZR 4/86, NJW 1987, 1707) tritt die Zustellungswirkung nicht ein. Hierzu zählt grundsätzlich auch die Unvollständigkeit der ausländischen Adresse (Fehlen der Angabe des Staates, BGHZ 73, 388) oder deren unrichtige Schreibweise. Bei Schreibfehlern kommt es aber, wie die neuere Rechtsprechung hervorhebt (BGH, Urt. v. 10. November 1998, VI ZR 243/97, LM ZPO § 174 Nr. 8), entscheidend darauf an, ob der Mangel geeignet ist, zu Verwechslungen zu führen. Ist dies der Fall, hat der Zustellende nicht das Erforderliche dafür getan, daß der Zustellungsempfänger das Schriftstück auf dem nach § 175 ZPO zulässigen normalen Postwege ohne Verzögerung erhält. Anderenfalls ist die Zustellung trotz des Mangels wirksam.
Eine Verwechslungsgefahr bestand im Falle der Parteien nicht. Der Schreibfehler, der bei der Übertragung der Urteilsurschrift auf die zur Zustellung bestimmte maschinenschriftliche Ausfertigung unterlaufen war, beschränkte sich auf die Straßenbezeichnung innerhalb des korrekt angegebenen Zustellungsortes. Der Fehler war offensichtlich und konnte durch die die Zustellung an Ort und Stelle durchführende Person ohne weiteres korrigiert werden. Anlaß zum Schluß auf eine unzutreffende Wohnadresse war nicht vorhanden. Die von der Gemeinde E. übermittelte Straßenliste weist insgesamt 17 Eintragungen aus. Keine von diesen weist – außer der zutreffenden Adresse „E. B.” – Gemeinsamkeiten mit der fehlerhaften Angabe „E. B.” auf.
3. Der Einspruch war mithin nicht innerhalb der vom Landgericht gesetzten Frist eingegangen. Das Beschwerdegericht hat sich bisher, aus seiner Sicht konsequent, mit den von der Beschwerde ebenfalls verfolgten Wiedereinsetzungsgründen der Beklagten nicht auseinandergesetzt. Hierzu wird es nach Zurückverweisung der Sache Gelegenheit haben.
Unterschriften
Wenzel, Lambert-Lang, Tropf, Lemke, Gaier
Fundstellen
Haufe-Index 614778 |
BGHR 2001, 809 |
BGHR |
NJW-RR 2001, 1361 |
JurBüro 2002, 107 |
Nachschlagewerk BGH |
MDR 2001, 1130 |
Rpfleger 2001, 505 |
SGb 2002, 617 |
VersR 2003, 345 |