Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung bei Beauftragung eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts. Zweckmäßigkeit der Beauftragung eines am Sitz des Insolvenzveralters ansässigen Rechtsanwalts zur Führung eines Rechtsstreits vor einem auswärtigen Gericht
Leitsatz (amtlich)
Die Beauftragung eines am Sitz des Insolvenzverwalters ansässigen Prozessbevollmächtigten zur Führung eines Rechtsstreits vor einem auswärtigen Gericht stellt in der Regel keine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung i.S.v. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO dar. Weder die Kosten eines Unterbevollmächtigten noch fiktive Reisekosten des Insolvenzverwalters sind unter diesen Umständen zu erstatten.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des OLG München vom 5.2.2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.346,60 EUR.
Gründe
[1]I.
Der Kläger ist Mitglied einer Anwaltssozietät in der Rechtsform einer eingetragenen Partnerschaftsgesellschaft mit Sitz in Dresden und zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. GmbH in Dresden bestellt. Er erteilte einem Mitglied seiner Sozietät den Auftrag, die Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung auf Zahlung von 26.857,18 EUR vor dem LG München I zu verklagen. Der beauftragte Rechtsanwalt betraute sodann mit der Terminswahrnehmung einen in München ansässigen Rechtsanwalt. Die Beklagten wurden kostenpflichtig verurteilt. Im Kostenfestsetzungsverfahren hat der Kläger neben den Kosten für den Prozessbevollmächtigten auch Kosten für den in München tätigen Unterbevollmächtigten geltend gemacht. Die Rechtspflegerin hat nur die Anwaltskosten berücksichtigt, die bei Beauftragung eines Münchner Prozessbevollmächtigten angefallen wären. Den weitergehenden Antrag hat sie zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers hat das OLG durch den angefochtenen Beschluss - veröffentlicht u.a. in NZI 2004, 279, Anm. Henssler EWiR 2004, 1199 - zurückgewiesen. Mit seiner - von dem Beschwerdegericht - zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Antrag weiter.
[2]II.
Das Beschwerdegericht hat angenommen, eine Erstattung der Kosten des Unterbevollmächtigten komme nicht in Betracht, weil ein zum Insolvenzverwalter bestellter Rechtsanwalt einen am Gerichtsort ansässigen Anwalt unmittelbar beauftragen und fernmündlich oder schriftlich informieren könne. Die Prüfung und ggf. gerichtliche Geltendmachung von Rückgewähransprüchen im Wege der Insolvenzanfechtung gehöre zu den kraft Gesetzes übertragenen Aufgaben eines Insolvenzverwalters und damit zu seinen üblichen Tätigkeiten. Der Streitstoff des Rechtsstreits sei auch keineswegs besonders umfangreich gewesen.
[3]III.
Die dagegen gerichteten Angriffe der gem. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO zulässigen Rechtsbeschwerde haben keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Einschaltung eines Unterbevollmächtigten im Streitfall zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen ist. Auch die Erstattung fiktiver Reisekosten kommt nicht in Betracht.
[4]1. Die Erstattung von Kosten, die einer Partei durch die Beauftragung eines unterbevollmächtigten Rechtsanwalts, der anstelle des Prozessbevollmächtigten die Vertretung in der mündlichen Verhandlung übernommen hat, entstanden sind, beurteilt sich nach der allgemeinen Vorschrift des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Für die Erstattungsfähigkeit der durch Zuziehung des Unterbevollmächtigten entstandenen Kosten kommt es deshalb allein darauf an, ob dessen Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war (BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, 899; Beschl. v. 13.7.2004 - X ZB 40/03, NZI 2004, 597, 598).
[5]2. Die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei stellt nur im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dar.
[6]a) Eine Notwendigkeit i.S.v. § 91 ZPO besteht dagegen nicht, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt. Eine derartige Partei ist in der Lage, einen am Sitz des Prozessgerichtes ansässigen Prozessbevollmächtigten umfassend schriftlich zu instruieren (BGH, Beschl. v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, a.a.O.; v. 10.4.2004 - I ZB 36/02, NJW 2003, 2027, 2028; v. 13.7.2004 - X ZB 40/03, a.a.O.).
[7]b) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass diese für ein Gewerbeunternehmen entwickelten Grundsätze auch auf einen Insolvenzverwalter übertragen werden können.
[8]Ein als Rechtsanwalt zugelassener Insolvenzverwalter ist ohne Weiteres imstande, einen am Prozessgericht tätigen Rechtsanwalt sachgerecht über den Gegenstand des jeweiligen Verfahrens zu unterrichten (BGH, Beschl. v. 13.7.2004 - X ZB 40/03, a.a.O.; v. 4.7.2005 - II ZB 14/04, NZI 2006, 183, 184). Dies gilt jedenfalls für einen Rechtsstreit, der nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts nicht besonders umfangreich und schwierig gewesen ist. Unter diesen Umständen war ein eingehendes persönliches Mandantengespräch weder zur Ermittlung des Sachverhalts noch zur Rechtsberatung erforderlich. Im Anschluss an eine schriftliche Informationserteilung hätten Beratung und Abstimmung des prozessualen Vorgehens schriftlich, fernmündlich oder mit Hilfe anderer moderner Kommunikationsformen erfolgen können. Die Beauftragung des am Sitz des Insolvenzverwalters ansässigen Prozessbevollmächtigten stellt demnach keine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung i.S.v. § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO dar. Der Kläger hätte sich zur Kostenersparnis eines in der Nähe des Prozessgerichts residierenden Rechtsanwalts als Prozessbevollmächtigten bedienen müssen. Auch die fiktiven Reisekosten des Klägers zu einem am Sitz des Prozessgerichts tätigen Rechtsanwalt sind unter diesen Umständen nicht erstattungsfähig.
Fundstellen
Haufe-Index 1548871 |
BGHR 2006, 1207 |
EBE/BGH 2006, 2 |
NJW-RR 2007, 129 |
ZAP 2006, 1328 |
ZIP 2006, 1416 |
DZWir 2006, 430 |
MDR 2007, 53 |
NZI 2006, 524 |
NZI 2007, 16 |
Rpfleger 2006, 570 |
ZInsO 2006, 832 |
RVGreport 2006, 356 |
ZVI 2006, 354 |