Verfahrensgang
OLG Bamberg (Entscheidung vom 31.01.2003; Aktenzeichen 7 UF 295/02) |
AG Lichtenfels (Entscheidung vom 24.10.2002; Aktenzeichen 1 F 380/00) |
Gründe
I. Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Aus der Ehe sind zwei inzwischen volljährige Söhne hervorgegangen. Die Klägerin machte mit ihrer Klage - gestützt auf eine mit dem Beklagten getroffene Vereinbarung, nach der der Sonderbedarf der Söhne von den Eltern jeweils hälftig zu tragen sei - geltend, der Beklagte sei dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, und verlangte Zahlung von 4.692 DM (2.398,89 EUR) zuzüglich Zinsen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht schlossen die Parteien folgenden Vergleich:
"Der Beklagte zahlt insgesamt 504,50 DM, und zwar jeweils die Hälfte dieses Betrages an den Sohn S. und die andere Hälfte des Betrages an den Sohn J.
Im Übrigen sind sich die Parteien darüber einig, dass sie in der Vergangenheit beide mehr für die Kinder getan haben als sie zu tun verpflichtet gewesen sind. Die Parteien sind sich außerdem darüber einig, dass für die Vergangenheit zwischen ihnen in Bezug auf die Kinder keine Unterhaltsforderungen hinüber und herüber mehr bestehen."
Der Beklagte erklärte die Anfechtung des Vergleichs wegen arglistiger Täuschung und begehrte die Feststellung, dass dieser unwirksam sei.
Das Amtsgericht stellte - dem Antrag der Klägerin folgend - fest, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich beendet sei. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen, weil dessen Beschwer den Betrag von 600 EUR nicht übersteige. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht, das die Beschwer des Beklagten und den Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren auf 257,95 EUR (504,50 DM) festgesetzt hat, hat hierzu ausgeführt: Der Beklagte wolle mit seiner Berufung die Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs und seine Befreiung von der hierin enthaltenen Pflicht zur Zahlung von insgesamt 504,50 DM Unterhalt als Sonderbedarf erreichen. Darin bestehe sein nach Abschluss des Vergleichs verbliebenes Interesse, so dass bei der Bemessung der Beschwer und des Gebührenstreitwerts allein hierauf und nicht auf die ursprüngliche Klageforderung von 4.962 DM abzustellen sei. Die Berufung sei daher gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unzulässig.
Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
2. Der Streit über die verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Wirksamkeit eines Prozessvergleichs ist durch Fortsetzung des bisherigen Verfahrens auszutragen (vgl. etwa BGHZ 28, 171, 174 ff.). Die Frage, wie der Streitwert in dem über die Wirksamkeit des Vergleichs fortgesetzten Verfahren zu bemessen ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beantwortet.
Im Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten, der Streitwert des fortgesetzten Verfahrens entspreche demjenigen des bisherigen Verfahrens. Unbeachtlich sei, dass dabei auch inzidenter über die Wirksamkeit des unter Umständen höherwertigen Vergleichs entschieden werde, da der Vergleichsgegenstand nicht zum allein streitwertrechtlich relevanten Streitgegenstand geworden sei (Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 3 Nr. 68 Stichwort: Vergleich [Wert bei Fortsetzung des Verfahrens]; Musielak/Henrich ZPO 5. Aufl. § 3 Rdn. 32; Zöller/Herget ZPO 26. Aufl. § 3 Rdn. 16 Stichwort: Vergleich; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 27. Aufl. § 3 Rdn. 157; Hk-ZPO/Kayser § 3 Rdn. 15 Stichwort: Vergleich; Anders/Gehle/Kuntze Streitwertlexikon 4. Aufl. S. 315 Rdn. 20; ebenso: LAG Düsseldorf MDR 2000, 1099).
Teilweise wird dagegen die Ansicht vertreten, der Wert des Verfahrens bestimme sich nach dem Interesse desjenigen, der die Unwirksamkeit des Vergleichs geltend mache. Allein der Umstand, dass der Streit hierüber durch Fortsetzung des bisherigen Verfahrens geführt werden müsse, rechtfertige keine schematische Gleichsetzung mit dessen Hauptsachewert. Vielmehr entspreche die Situation einem Zwischenstreit. Das nach § 3 ZPO maßgebliche Interesse des "Fortsetzungsklägers" bemesse sich nach der Differenz zwischen seinem Sachantrag in dem bisherigen Verfahren und der mit dem Vergleich übernommenen Verpflichtung. Der Wertbestimmung habe daher eine Saldierung der mit dem Vergleichsabschluss verbundenen vermögensrechtlichen Vor- und Nachteile für den "Fortsetzungskläger" vorauszugehen (Schneider/Herget Streitwertkommentar 12. Aufl. Rdn. 5737; MünchKomm-ZPO/Schwerdtfeger 2. Aufl. § 3 Rdn. 127; OLG Bamberg JurBüro 1998, 541; OLG Frankfurt OLG-Report 2004, 122; OLG Stuttgart JurBüro 1978, 1654, 1655).
3. Für die Zulässigkeit der Berufung kommt es indessen nicht auf den Gebührenstreitwert, sondern darauf an, ob die Beschwer des Berufungsklägers den Betrag von 600 EUR übersteigt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Maßgebend hierfür ist allein das Interesse des Beklagten an der Unwirksamkeit des Vergleichs, nachdem durch das angefochtene Urteil die Wirksamkeit und damit die verfahrensbeendende Wirkung des Vergleichs festgestellt worden ist. Insofern ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte im Umfang der von ihm übernommenen Zahlungspflicht, also in Höhe von 504,50 DM (257,95 EUR), beschwert ist. Eine zusätzliche Beschwer kommt dagegen nicht deshalb in Betracht, weil die Parteien in dem Vergleich außerdem vereinbart haben, "dass für die Vergangenheit zwischen ihnen in Bezug auf die Kinder keine Unterhaltsforderungen hinüber und herüber mehr bestehen", der Beklagte sich solcher Ansprüche aber berühmt.
Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall, in dem lediglich ein Teilbetrag eingeklagt, aber über die Gesamtforderung, der sich die klagende Partei berühmt hatte, ein Vergleich geschlossen worden war, die Auffassung vertreten, ein Streitwert - und zugleich wohl auch eine Beschwer - in Höhe der durch den Vergleich begründeten (höheren) Zahlungspflicht lasse sich nicht damit begründen, dass auf Antrag des Beklagten über die Wirksamkeit des Vergleichs gestritten werde. Das gelte jedenfalls, wenn der Rechtsstreit mit den ursprünglichen Anträgen fortgesetzt werde, die Parteien also nicht die Möglichkeit ergriffen hätten, eine Entscheidung zu erlangen, deren Rechtskraft auch den Bestand des Vergleichs erfasst hätte (Vollstreckungsgegenklage oder Widerklage auf Feststellung der Wirksamkeit des Vergleichs; BGH Beschluss vom 30. September 1964 - Ib ZR 215/62 - Leitsatz veröffentlicht in KostRspr ZPO § 3 Nr. 119).
Daraus ergibt sich, dass bei Fortsetzung des Verfahrens mit den bisherigen Anträgen für einen Vergleich kein höherer Wert anzusetzen ist, wenn dessen - weitergehende - Regelungen nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden. Entsprechendes gilt auch für den vorliegenden Fall, da der Beklagte aus seinen angeblichen Gegenansprüchen keine prozessualen Konsequenzen gezogen und etwa Widerklage erhoben hat. Seine Beschwer entspricht deshalb lediglich dem Betrag von 257,95 EUR, zu dessen Zahlung er sich verpflichtet hat.
Fundstellen