Entscheidungsstichwort (Thema)
Protokollberichtigung § 164 ZPO. Rechtsmittel
Leitsatz (amtlich)
Gegen eine Protokollberichtigung nach § 164 ZPO ist kein Rechtsmittel gegeben.
Normenkette
ZPO § 164
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des OLG Stuttgart v. 24.9.2003 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 3.000 EUR.
Gründe
I.
Die Klägerin macht gegen den Beklagten Ansprüche aus einem gewerblichen Mietverhältnis geltend. In der mündlichen Verhandlung vor dem LG v. 21.7.2003 haben die Parteien zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich geschlossen. Das in dieser Sitzung aufgenommene Protokoll hat das LG am 21.8.2003 dahingehend berichtigt, dass das im protokollierten Vergleich enthaltene Zahlungsdatum richtig 31.8.2003 statt 31.8.2004 lauten müsse. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Beklagten hat das OLG als unzulässig verworfen. Hierzu hat es ausgeführt, dass gegen die Berichtigung des Protokolls nach § 164 Abs. 1 ZPO die sofortige Beschwerde nicht stattfinde, da keine der Alternativen des § 567 Abs. 1 ZPO gegeben sei. § 319 Abs. 3 ZPO sei nicht analog anwendbar. Zwar dürfte die Berichtigung, obwohl sich aus dem Gesamtzusammenhang ergebe, dass lediglich das auf den 31.8.2003 berichtigte Datum Sinn mache, unzulässig gewesen sein, weil zu vermuten sei, dass der Vergleich tatsächlich mit dem Datum 31.8.2004 protokolliert worden sei. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels könne jedoch nicht von der Frage der Begründetheit abhängen. Auch ein außerordentlicher Rechtsbehelf wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs sei nicht gegeben, weil eine solche Verletzung tatsächlich nicht vorliege. Das OLG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.
II.
Die Rechtsbeschwerde des Beklagten ist unzulässig.
1. Nach der Neuregelung des Beschwerderechts durch das Zivilprozessreformgesetz v. 27.7.2001 (BGBl. I, 1887, 1902) kann der BGH gegen Beschlüsse des Beschwerdegerichts, des Berufungsgerichts oder des OLG im ersten Rechtszug ausschließlich in den Fällen des § 574 Abs. 1 ZPO angerufen werden. Danach ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder das Beschwerdegericht sie in dem angefochtenen Beschluss zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
Gegen Beschlüsse, mit denen eine Beschwerde als unzulässig verworfen wurde, ist die Rechtsbeschwerde nicht generell statthaft. Insoweit unterscheidet sich das Beschwerderecht (§ 572 Abs. 2 ZPO) von der ausdrücklichen Regelung im Berufungsrecht (§ 522 Abs. 1 S. 4 ZPO).
An die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht ist der Senat nicht gebunden. Durch die Zulassung wird dem Beschwerdeführer die Rechtsbeschwerde zugänglich gemacht, wenn sie nach dem Gesetz grundsätzlich statthaft ist. Sie wird aber nicht in den Fällen eröffnet, in denen die Anfechtbarkeit gesetzlich ausgeschlossen ist (BGH Beschl. v. 12.9.2002 - III ZB 43/02, BGHReport 2002, 1052 = MDR 2002, 1388 = NJW 2002, 3554 zur Prozesskostenhilfe; v. 8.10.2002 - VI ZB 27/02, MDR 2003, 41 = BGHReport 2003, 151 = NJW 2003, 211 zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; v. 10.12.2003 - IV ZB 35/03, BGHReport 2004, 475 = FamRZ 2004, 437 zur Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO). Eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung des Beschwerdegerichts kann nicht durch dessen Ausspruch der Anfechtung unterworfen werden. Dies gilt erst recht, wenn schon das Rechtsmittel zum Beschwerdegericht nicht zulässig war (vgl. BGH, Beschl. v. 21.4.2004 - XII ZB 279/03, BGHReport 2004, 1191 m.w.N.).
2. Wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat, ist gegen eine Protokollberichtigung nach § 164 ZPO kein Rechtsmittel gegeben.
Gegen im ersten Rechtszug ergangene Entscheidungen der Amts- und LG findet die sofortige Beschwerde statt, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder ein das Verfahren betreffendes Gesuch durch eine Entscheidung zurückgewiesen worden ist, die eine mündliche Verhandlung nicht erfordert (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Keine der Alternativen liegt hier vor. § 164 ZPO, der die Protokollberichtigung regelt, sieht eine Beschwerdemöglichkeit nicht vor. Ebensowenig richtet sich die sofortige Beschwerde gegen eine Entscheidung, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Vielmehr hat das LG die Protokollberichtigung von Amts wegen vorgenommen, ein Tätigwerden also gerade nicht abgelehnt (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 567 Rz. 35m.N.).
Darüber hinaus lehnt die herrschende Meinung die Statthaftigkeit der Beschwerde gegen eine sachliche Berichtigung des Protokolls zu Recht mit der Begründung ab, das Beschwerdegericht sei mangels Teilnahme an der Sitzung zu einer Überprüfung nicht im Stande (vgl. OLG Hamm v. 23.8.1988 - 26 W 9/88, NJW 1989, 1680; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 164 Rz. 15; Musielak/Stadler, ZPO, 3. Aufl., § 164 Rz. 8; Zöller/Stöber, ZPO, 24. Aufl., § 164 Rz. 11; Peters in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 164 Rz. 11, jeweils m.w.N.). Dem entspricht der Wille des Gesetzgebers. So heißt es in der amtlichen Begründung der Bundesregierung zu § 164 ZPO (BT-Drucks. 7/2729, 63), dass eine Anfechtungsmöglichkeit der Protokollberichtigung nicht vorgesehen sei, weil das übergeordnete Gericht, da es an der Sitzung nicht teilgenommen habe, zu einer Überprüfung des Protokolls nicht geeignet erscheine.
Besonderheiten ergeben sich im vorliegenden Fall nicht aus dem Umstand, dass ein im Protokoll enthaltener Vergleich berichtigt worden ist. Vielmehr entspricht der Ausschluss der Anfechtungsmöglichkeit auch in diesem Fall dem Willen des Gesetzgebers. Dies ergibt sich aus der Begründung zu § 272a Abs. 2 ZPO des Entwurfs der Bundesregierung zur Reform des Zivilprozesses (BT-Drucks. 14/4722, 82), der in § 278 Abs. 6 ZPO wortgleich Gesetz geworden ist. Nach dieser Vorschrift kann nunmehr ein gerichtlicher Vergleich dadurch geschlossen werden, dass die Parteien einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag annehmen, wobei das Zustandekommen des Vergleichs durch einen gerichtlichen Beschluss festgestellt wird, auf den § 164 ZPO anzuwenden ist. In der Begründung der Bundesregierung heißt es dazu, dass der Beschluss nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sei. Dies sei sachgerecht, denn auch das Protokoll, das einen im Termin abgeschlossenen Vergleich enthalte, sei nicht anfechtbar, sondern unterliege nur der Berichtigung nach § 164 ZPO.
Hieraus folgt weiterhin, dass § 319 Abs. 3 ZPO, nach dem die sofortige Beschwerde gegen eine Urteilsberichtigung statthaft ist, nicht analog angewandt werden kann, weil eine hierfür erforderliche planwidrige Lücke nicht vorliegt.
Eine Anfechtungsmöglichkeit des Berichtigungsvermerks ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit oder einer Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundrechte. Vielmehr ist seit dem In-Kraft-Treten des Zivilprozessreformgesetzes in der Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass diese Kriterien die Zulassung eines außerordentlichen Rechtsbehelfs nicht mehr rechtfertigen können (BGH v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, BGHZ 150, 133 = BGHReport 2002, 431 = MDR 2002, 901; Beschl. v. 23.7.2003 - XII ZB 91/03, BGHReport 2003, 1367 = MDR 2003, 1432 = NJW 2003, 3137; Beschl. v. 16.9.2003 - X ZB 12/03, MDR 2004, 168 = BGHReport 2004, 58 = NJW 2004, 292). Tragender Gesichtspunkt dieser Rechtsprechung ist das aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsmittelklarheit, gegen das die Zulassung in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehener Rechtsmittel verstößt (vgl. BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = NJW 2003, 1924 [1928] unter C IV 2b; BGH, Beschl. v. 16.9.2003 - X ZB 12/03, MDR 2004, 168 = BGHReport 2004, 58 = NJW 2004, 292 [293]).
Fundstellen
BGHR 2005, 48 |
FamRZ 2004, 1637 |
NJW-RR 2005, 214 |
MDR 2005, 46 |
ProzRB 2004, 321 |