Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligung sämtlicher Kostengläubiger im wohnungseigentumsrechtlichen Kostenfestsetzungsverfahren. Quotale Verteilung des Kostenerstattungsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
a) Im Anwendungsbereich des § 50 WEG müssen in einem Kostenfestsetzungsverfahren sämtliche Kostengläubiger beteiligt werden.
b) Sind nach § 50 WEG nur die Kosten eines Anwalts erstattungsfähig, kommt die vorrangige Erstattung des von der Mehrheit der beklagten Wohnungseigentümer beauftragten Prozessbevollmächtigten nur in Betracht, wenn den übrigen Beklagten Gelegenheit gegeben worden ist, auf die Willensbildung Einfluss zu nehmen; ansonsten ist der Kostenerstattungsanspruch zu quoteln.
Normenkette
WEG § 50
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 01.06.2010; Aktenzeichen 82 T 667/09) |
AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 08.04.2009; Aktenzeichen 73 C 182/07 WEG) |
Tenor
Die Rechtbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des LG Berlin vom 1.6.2010 wird auf Kosten des Beklagten zu 12) zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.463,80 EUR.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Gegen die auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 11.9.2007 beschlossene Entlastung des Verwalters erhoben die Kläger Anfechtungsklage. Mit ihrer Rechtsverteidigung beauftragten die Beklagten zu 1) bis 11) einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten. Der Beklagte zu 12), ein Rechtsanwalt, nahm seine Interessen unter Hinweis darauf selbst wahr, dass er eine andere Rechtsauffassung vertrete als die übrigen Beklagten. Die Klage hatte keinen Erfolg. Die gegen die Abweisung der Klage gerichtete Berufung wies das LG mit der Maßgabe zurück, dass die beiden Kläger die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte zu tragen hätten. Das Berufungsurteil ist rechtskräftig.
Rz. 2
Mit Beschlüssen vom 8.4.2009, in deren Rubrum auch der Beklagte zu 12) aufgeführt ist, hat das AG auf Antrag der Beklagten zu 1) bis 11) die "an die Beklagten" zu erstattenden Kosten der ersten Instanz i.H.v. 3.483,13 EUR und die des Berufungsverfahrens auf 3.713,75 EUR festgesetzt. Dabei hat es sowohl der Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 RVG-VV als auch der Begrenzung auf einen Gebührensatz nach Abs. 3 der Anmerkung zu Nr. 1008 RVG-VV Rechnung getragen. Den Antrag des Beklagten zu 12) auf Festsetzung von Kosten i.H.v. 3.463,80 EUR hat es mit weiterem Beschluss vom 8.4.2009 zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Beklagte zu 12) seinen Antrag weiter.
II.
Rz. 3
Das Beschwerdegericht meint, sämtlichen Beklagten seien insgesamt nur Kosten in der Höhe zu erstatten, die bei der Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten entstanden wären. Nach § 50 WEG sei in der Regel nur die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig. Mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängende Gründe, die ausnahmsweise eine Vertretung durch mehrere Rechtsanwälte hätte geboten erscheinen lassen können, lägen nicht vor. Der Beklagte zu 12) hätte auch bei der Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten seine abweichende Rechtsauffassung vortragen lassen können. Die erstattungsfähigen Kosten, die bei der Einschaltung nur eines Anwalts entstanden wären, seien bereits zugunsten aller Beklagten festgesetzt worden. Sie hätten sich bei einer Mandatierung des Anwalts der Beklagten zu 1) bis 11) auch durch den Beklagten zu 12) wegen der Begrenzungsregelung in Abs. 3 der Anmerkung zu Nr. 1008 RVG-VV nicht weiter erhöht. Es bleibe dem Beklagten zu 12) unbenommen, sich mit den übrigen Beklagten über die Verteilung der festgesetzten Erstattungsbeträge zu verständigen.
III.
Rz. 4
Das nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel (§ 575 ZPO) ist unbegründet.
Rz. 5
1. Das Beschwerdegericht geht zu Recht davon aus, dass eine Vertretung der beklagten Wohnungseigentümer durch mehrere Anwälte nicht geboten war.
Rz. 6
a) Nach § 50 WEG sind Wohnungseigentümern zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als notwendige Kosten nur die Kosten eines bevollmächtigten Rechtsanwalts zu erstatten, wenn nicht aus Gründen, die mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängen, eine Vertretung durch mehrere bevollmächtigte Rechtsanwälte geboten war. Solche Gründe liegen hier nicht vor. Bei einer Beschlussanfechtungsklage nach § 46 Abs. 1 WEG verfolgen die beklagten Wohnungseigentümer in der Sache dasselbe Ziel, nämlich die Abwehr der von der Klägerseite erhobenen Einwendungen gegen die Wirksamkeit eines von ihnen gefassten Beschlusses. Deshalb ist die Beauftragung eines gemeinsamen Rechtsanwalts grundsätzlich ausreichend (BGH, Beschl. v. 16.7.2009 - V ZB 11/09, NJW 2009, 3168) und die Erstattungsfähigkeit im Regelfall auf diejenigen Kosten beschränkt, die bei gemeinsamer Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts entstanden wären.
Rz. 7
b) Mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängende Gründe, aufgrund deren eine Vertretung durch mehrere Anwälte geboten war, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Soweit sie geltend macht, der Beklagte zu 12) habe eine andere Rechtsauffassung vertreten als die übrigen Beklagten, ist nicht ersichtlich, warum ein gemeinsam beauftragter Prozessbevollmächtigter nicht auch die Rechtsauffassung des Beklagten zu 12) zur Geltung hätte bringen können, und sei es auch nur für diesen. Soweit sie argumentiert, der Beklagte zu 12) hätte den Klageanspruch ggf. anerkannt, findet diese Behauptung schon keine tatsächliche Grundlage in den Feststellungen des Beschwerdegerichts; die Rechtsbeschwerde verweist auch auf kein diesbezügliches tatsächliches Vorbringen in den Tatsacheninstanzen. Davon abgesehen hat der Beklagte zu 12) in dem von ihm zitierten Schriftsatz vom 25.6.2008 die Rechtsauffassung der übrigen Beklagten aufgegriffen und lediglich ergänzende Erwägungen angestellt. Im Übrigen hätte auch ein gemeinsamer Prozessbevollmächtigter allein für den Beklagten zu 12) ein prozessuales Anerkenntnis erklären können.
Rz. 8
c) Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 12) ist die Vorschrift des § 50 WEG unter dem Blickwinkel eines Eingriffs in die Privatautonomie verfassungsrechtlich unbedenklich. Mit der Regelung verfolgt der Gesetzgeber das legitime Ziel, das Kostenrisiko für anfechtende Wohnungseigentümer begrenzt zu halten (BT-Drucks. 16/3843, 28). Es soll gewährleistet werden, dass Wohnungseigentümer nicht wegen der Befürchtung von einer Klageerhebung Abstand nehmen, im Unterliegensfalle Kosten für eine Vielzahl von Rechtsanwälten erstatten zu müssen. Andererseits bleibt es jedem Wohnungseigentümer unbenommen, seine Interessen durch einen Anwalt seiner Wahl wahrnehmen zu lassen. Dass er dies nach § 50 WEG je nach Sachlage ganz oder teilweise auf eigene Kosten tun muss, stellt eine zur Erreichung des gesetzgeberischen Anliegens geeignete und verhältnismäßige Regelung dar.
Rz. 9
2. Welche Rechtsanwaltskosten zu erstatten sind, wenn sich die Wohnungseigentümer durch mehrere Rechtsanwälte haben vertreten lassen, ohne dass dies geboten war, ist dem Gesetz nicht ausdrücklich zu entnehmen. In Betracht kommt, was das Beschwerdegericht zutreffend in den Blick genommen hat, die vorrangige Erstattung eines "Hauptanwalts" oder eine Quotelung des Erstattungsanspruchs (BGH, Beschl. v. 16.7.2009 - V ZB 11/09, NJW 2009, 3168 f.). Eine vorrangige Kostenerstattung ist gerechtfertigt, wenn der Verwalter einen Rechtsanwalt für die beklagten Wohnungseigentümer aufgrund der gesetzliche Befugnis nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG beauftragt hat (Senat, a.a.O., S. 3169 m.w.N.). Entsprechend kann es sich verhalten, wenn sich die beklagten Wohnungseigentümer mehrheitlich auf die Beauftragung eines bestimmten Anwalts einigen (Senat, a.a.O.). Das setzt allerdings voraus, dass zumindest der Versuch unternommen worden ist, eine Verständigung über einen gemeinsamen Rechtsanwalt mit sämtlichen beklagten Wohnungseigentümern herbeizuführen. Ist einem Wohnungseigentümer, der einen eigenen Anwalt mandatiert oder sich - wie hier - selbst vertreten hat, nicht Gelegenheit gegeben worden, sich an der Willensbildung zu beteiligen, ist der Kostenerstattungsanspruch zu quoteln. Das gilt umso mehr, als nicht auszuschließen ist, dass eine Beteiligung sämtlicher beklagten Wohnungseigentümer an der Willensbildung dazu geführt hätte, dass der von der nicht beteiligten Minderheit favorisierte Rechtsanwalt - hier der Beklagte zu 12) - mandatiert worden wäre. Denn auch mit Blick auf die Auswahl des gemeinsamen Rechtsanwalts steht dem Wohnungseigentümer das Recht zu, auf die Willensbildung Einfluss zu nehmen. Das hat das Beschwerdegericht nicht hinreichend beachtet und folgerichtig zur Beteiligung des Beklagten zu 12) an der Willensbildung über die Beauftragung eines gemeinsamen Anwalts keine Feststellungen getroffen.
Rz. 10
3. Aufgrund der Besonderheiten des Falles ist die Rechtsbeschwerde gleichwohl zur Endentscheidung reif (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Über die Verteilung sämtlicher erstattungsfähigen Kosten hat das LG nämlich bereits entschieden. Mit Beschlüssen ebenfalls vom 8.4.2009, in deren Rubrum auch der Beklagte zu 12) aufgeführt ist, hat das AG die "an die Beklagten" zu erstattenden Kosten der ersten Instanz i.H.v. 3.483,13 EUR und die des Berufungsverfahrens auf 3.713,75 EUR festgesetzt. Damit ist auch der Beklagte zu 12) durch diese Beschlüsse begünstigt. Die ohne Angabe des Beteiligungsverhältnisses festgesetzten erstattungsfähigen Kosten stehen sämtlichen Beklagten als Gesamtgläubigern zu (vgl. BGH, Urt. v. 20.5.1985 - VII ZR 209/84, Rpfleger 1985, 321, 322; Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 50 Rz. 10 m.w.N.). Weitere erstattungsfähige Kosten sind unter Berücksichtigung der Begrenzungsregelung in Abs. 3 der Anmerkung zu Nr. 1008 RVG-VV nicht zu verteilen.
Rz. 11
Dass die zugunsten aller Beklagten ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlüsse rechtsfehlerhaft sind, weil zum einen im Anwendungsbereich des § 50 WEG sämtliche Kostengläubiger an dem Kostenfestsetzungsverfahren zu beteiligen sind und demgemäß auch dem Beklagten zu 12) Gelegenheit zur Stellungnahme hätte gegeben und zum anderen die den jeweiligen Beklagten zu erstattenden Kosten entsprechend dem Beteiligungsverhältnis an dem Rechtsstreit hätten festgesetzt werden müssen (zu Letzterem vgl. BGH, Beschl. v. 20.2.2006 - II ZB 3/05; Suilmann in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 50 Rz. 19; Klein in Bärmann, a.a.O., § 50 Rz. 10; vgl. auch KG NJW-RR 2001, 1435 f.), rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Beschlüsse sind schon nicht angefochten worden. Zwar dürfte dem an den Kostenfestsetzungsverfahren nicht beteiligten Beklagten zu 12), dem die ergangenen Kostenfestsetzungsbeschlüsse nicht einmal formlos übersandt worden sind, mangels jeglicher Beteiligung an den Verfahren diese Möglichkeit noch offen stehen; die Fünfmonatsfrist nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO greift unter solchen Umständen jedenfalls nicht ein (vgl. nur Lipp in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 569 Rz. 5 m.w.N.; zu § 517 ZPO vgl. auch BGH, Beschl. v. 21.7.2010 - XII ZB 135/09, MDR 2010, 1141, 1142; Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, a.a.O., § 517 Rz. 1 m.w.N.). Letztlich kommt es hierauf aber nicht an, weil der Beklagte zu 12) nach den obigen Erwägungen (III.1. u. 2.) selbst bei erfolgreicher Anfechtung nicht mehr als den Ausspruch einer quotalen Beteiligung der derzeit zugunsten aller Beklagten als Gesamtgläubiger festgesetzten Kosten erreichen könnte. Für die Verteilung weiterer erstattungsfähiger Kosten in dem hiesigen Kostenfestsetzungsverfahren ist daher kein Raum.
IV.
Rz. 12
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZVG.
Fundstellen
NJW 2011, 3165 |
NJW 2011, 8 |
EBE/BGH 2011 |
JurBüro 2012, 32 |
NZM 2011, 748 |
ZMR 2012, 28 |
ZfIR 2011, 764 |
MDR 2011, 1162 |
Rpfleger 2011, 697 |
WuM 2011, 546 |
ZWE 2011, 399 |
HRA 2011, 9 |
MietRB 2011, 317 |
NJW-Spezial 2011, 705 |
RVGreport 2011, 432 |