Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 02.04.2024; Aktenzeichen 15 U 174/24 Rae e) |
LG München II (Entscheidung vom 23.11.2023; Aktenzeichen 13 O 498/23 Rae) |
Tenor
Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus den Vollstreckungsbescheiden des Amtsgerichts Coburg vom 13. Januar 2023 sowie aus dem nach Maßgabe des Beschlusses des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 2. April 2024 vorläufig vollstreckbaren Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 23. November 2023 und aus dem Beschluss des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 2. April 2024 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung von Rechtsanwaltsvergütung in Anspruch. Am 13. Januar 2023 hat das Amtsgericht antragsgemäß Vollstreckungsbescheide gegen die Beklagten erlassen. In der mündlichen Verhandlung über die Einsprüche der Beklagten gegen die Vollstreckungsbescheide vor dem Landgericht ist für die Beklagten niemand erschienen. Mit zweitem Versäumnisurteil vom 23. November 2023 sind die Einsprüche der Beklagten verworfen worden. Die Beklagten haben Berufung gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt und beantragt, die Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 1, § 707 ZPO einstweilen einzustellen. Einen Schutzantrag nach § 712 ZPO haben sie nicht gestellt.
Rz. 2
Das Berufungsgericht hat den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung mit Beschluss vom 7. März 2024 zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 2. April 2024 hat das Berufungsgericht die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. In dem Beschluss hat es den Beklagten vorbehalten, die Vollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leiste.
Rz. 3
Die Beklagten haben Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem die Berufung zurückweisenden Beschluss des Berufungsgerichts eingelegt. Mit Schriftsatz vom 2. August 2024 beantragen sie die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO.
II.
Rz. 4
Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung hat keinen Erfolg.
Rz. 5
1. Wird Revision gegen ein vorläufig vollstreckbares Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und ein überwiegendes Interesse des Gläubigers nicht entgegensteht (§ 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Auf die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist diese Norm ebenso entsprechend anwendbar (§ 544 Abs. 7 Satz 2 ZPO) wie auf einen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO (vgl. § 522 Abs. 3 ZPO).
Rz. 6
2. Die Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es fehlt an einem unersetzlichen Nachteil im Sinne der Vorschrift.
Rz. 7
a) Nicht unersetzlich sind Nachteile, die der Schuldner selbst vermeiden kann. Deswegen kann er sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nur dann darauf berufen, die Zwangsvollstreckung bringe ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil, wenn er in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat. Hat der Schuldner dies versäumt, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise dann in Betracht, wenn es dem Schuldner im Berufungsverfahren aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war, einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen (BGH, Beschluss vom 9. August 2004 - VIII ZR 178/04, FamRZ 2004, 1638 mwN; vom 20. März 2012 - V ZR 275/11, NJW 2012, 1292 Rn. 5).
Rz. 8
b) Die Beklagten haben in der Berufungsinstanz keinen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt. In dem während des Berufungsverfahrens gestellten Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 1, § 707 ZPO, den das Berufungsgericht mit Beschluss vom 7. März 2024 zurückgewiesen hat, kann schon wegen der unterschiedlichen Zielrichtung ein Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO nicht gesehen werden (BGH, Beschluss vom 9. August 2004 - VIII ZR 178/04, FamRZ 2004, 1638 mwN; vom 20. März 2012 - V ZR 275/11, NJW 2012, 1292 Rn. 6).
Rz. 9
c) Es war den Beklagten auch nicht aus besonderen Gründen unmöglich, im Berufungsverfahren einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen. Zwar ist der Antrag nach § 712 ZPO ein Sachantrag, der - ebenso wie die Berufungsanträge - gemäß § 297 ZPO in der mündlichen Verhandlung gestellt werden muss. In einem Verfahren, in dem das Berufungsgericht die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückweist, ist für eine Anwendung von § 297 ZPO aber kein Raum. In solchen rein schriftlichen Verfahren werden Anträge bereits durch die Einreichung des Schriftsatzes wirksam gestellt (BGH, Beschluss vom 20. März 2012 - V ZR 275/11, NJW 2012, 1292 Rn. 7).
Rz. 10
Aufgrund des Hinweises des Berufungsgerichts auf die beabsichtigte Berufungszurückweisung konnten sich die Beklagten darauf einstellen, dass voraussichtlich keine Gelegenheit bestehen werde, einen etwaigen Vollstreckungsschutzantrag in einer mündlichen Verhandlung zu stellen. Gründe, weshalb es ihnen nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sein sollte, dem durch Stellung eines schriftsätzlichen Schutzantrags Rechnung zu tragen, haben sie nicht dargelegt.
Schoppmeyer |
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Fundstellen
Dokument-Index HI16494264 |