Normenkette
ZPO § 520 Abs. 2 S. 3
Verfahrensgang
OLG Naumburg (Entscheidung vom 09.07.2019; Aktenzeichen 5 U 55/19) |
LG Magdeburg (Entscheidung vom 14.03.2019; Aktenzeichen 10 O 887/18) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 9. Juli 2019 aufgehoben. Den Klägern wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 14. März 2019 gewährt.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 30.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Die Kläger begehren von der Beklagten Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, nachdem sie am 26. März 2015 von einem Dritten einen gebrauchten Audi A4 2.0 TDI erworben haben, der mit einem von der Beklagten hergestellten Motor des Typs EA189, Euronorm 5, ausgestattet ist. Dieser Motor ist mit einer sogenannten Prüfstanderkennungssoftware versehen.
Rz. 2
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil nicht die Beklagte, sondern die Audi AG Herstellerin des Fahrzeugs sei. Gegen das ihnen am 25. März 2019 zugestellte Urteil haben die Kläger fristgerecht Berufung eingelegt. Mit dem Schriftsatz zur Berufungseinlegung haben sie beantragt, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis zum 25. Juni 2019 zu verlängern. Zur Begründung war ausgeführt, dass aufgrund Arbeitsüberlastung der allein sachbearbeitenden Rechtsanwältin und aufgrund hoher Anzahl von zu bearbeitenden Fristen und Vorbereitung diverser anstehender Gerichtstermine in der kommenden Woche eine abschließende Rücksprache mit dem Kläger und Berufungskläger bisher nicht habe erfolgen können. Daraufhin verfügte der Vorsitzende des Berufungsgerichts am 3. Mai 2019, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht verlängert werde, weil keine hinreichenden Gründe für die erbetene Verlängerung dargelegt worden seien und das Verfahren durch die Verlängerung verzögert würde. Insbesondere sei nicht ersichtlich, inwiefern die fristgerechte Vorlage der Berufungsbegründungsschrift bis zum 27. Mai 2019 daran scheitern solle, dass die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der Woche vom 29. April bis zum 5. Mai 2019 erhöhte Arbeitslast zu tragen habe. Die Verfügung wurde am 6. Mai 2019 an die Prozessbevollmächtigte der Kläger abgesandt.
Rz. 3
Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2019, der auch an diesem Tag beim Berufungsgericht eingegangen ist, beantragten die Kläger, die "heute endende Frist zur Stellungnahme" um vier Wochen, also bis zum 21. Juni 2019 zu verlängern. Zur Begründung war ausgeführt, dass wegen akuter Arbeitsüberlastung nach urlaubsbedingter Abwesenheit der Prozessbevollmächtigten, die gleichzeitig alleinige Sachbearbeiterin sei, die Berufungsbegründung nicht fristwahrend bei Gericht eingereicht werden könne. Die Fristverlängerung sei daher für einen sachgerechten Vortrag erforderlich. Daraufhin verfügte der Vorsitzende unter dem 24. Mai 2019, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht verlängert werde, weil keine hinreichenden Gründe dargelegt worden seien und das Verfahren durch die Verlängerung verzögert werde. Zwar bilde unvorhergesehene und vorübergehende Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers regelmäßig einen erheblichen Grund für die Fristverlängerung. Anders verhalte es sich indes, wenn der Prozessbevollmächtigte systematisch mehr Mandate annehme, als er fristgerecht zu bewältigen vermöge und deshalb bereits bei Übernahme des Auftrags erkenne, dass er gesetzliche Fristen voraussichtlich nicht werde einhalten können. Die von den Klägern geltend gemachte akute Arbeitsüberlastung ihrer Prozessbevollmächtigten erscheine nicht glaubhaft. Gegen die Richtigkeit dieses Vorbringens spreche bereits der Wechsel der Begründung der Verlängerungsgesuche vom 23. April und vom 24. Mai 2019. Zudem sei gerichtsbekannt, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers seit langer Zeit regelmäßig die Verlängerung von Berufungsbegründungsfristen wegen Arbeitsüberlastung beantragten.
Rz. 4
Mit Verfügung vom 28. Mai 2019 teilte der Vorsitzende der Prozessbevollmächtigten der Kläger mit, dass innerhalb der mit dem 27. Mai 2019 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist keine Berufungsbegründungsschrift eingegangen sei und das Rechtsmittel deshalb zu verwerfen sein werde. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 19. Juni 2019 eingeräumt. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger reichte am 29. Mai 2019 eine Berufungsbegründungsschrift unter Hinweis darauf ein, dass die Zurückweisung des Fristverlängerungsgesuchs erst am 27. Mai 2019 bei ihr eingegangen sei. In ihrer am 19. Juni 2019 beim Berufungsgericht eingegangenen Stellungnahme zu dem Hinweis vom 28. Mai 2019 führte die Prozessbevollmächtigte der Kläger aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen dürfe, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stattgegeben werde, sofern er erhebliche Gründe wie Arbeitsüberlastung oder Urlaubsabwesenheit dargelegt habe. Unverzüglich nach dem Hinweis, dass die beantragte Fristverlängerung nicht gewährt werden würde, sei die Berufungsbegründung bei Gericht eingereicht worden. Nachdem die Prozessbevollmächtigte in Ansehung der Rechtsprechung auf die beantragte Fristverlängerung habe vertrauen dürfen, sei in der unverzüglichen Nachreichung der Berufungsbegründung keine schuldhafte Verzögerung durch die Prozessbevollmächtigten der Berufungskläger zu sehen.
Rz. 5
Im Anschluss daran wies der Vorsitzende des Berufungsgerichts die Prozessbevollmächtigte darauf hin, dass er das Verlängerungsgesuch der Kläger vom 23. April 2019 ebenso wie gleichlautende Gesuche in zwei weiteren Verfahren durch Verfügung vom 3. Mai 2019 zurückgewiesen habe und diese Verfügungen am 6. Mai 2019 an sie abgesandt worden seien.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 9. Juli 2019 das Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Rz. 7
Das in der Eingabe vom 19. Juni 2019 zu erblickende Gesuch der Kläger um Wiedereinsetzung in den Stand vor der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei unbegründet, denn die Fristversäumung beruhe auf dem gemäß § 85 Abs. 2 ZPO von den Klägern zu vertretenden Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten. Diesen sei bekannt gewesen, dass die Frist mit dem 27. Mai 2019 ende. Sie hätten die Frist wahren können, denn die Akten hätten ihnen rechtzeitig vorgelegen und sie hätten gewusst, dass die Frist nicht verlängert worden sei. Dies folge schon daraus, dass sie am 24. Mai 2019 einen weiteren Fristverlängerungsantrag gestellt hätten. Sie hätten sich auch nicht etwa darauf verlassen dürfen, dass die Frist nunmehr verlängert würde. Nur wenn es keine dem entgegenstehenden Umstände gebe, dürfe ein Rechtsanwalt auf die Bewilligung der wegen - unvorhergesehener - Arbeitsüberlastung erstmals erbetenen Fristverlängerung vertrauen. Hier sei die Arbeitsüberlastung indes nicht unvorhergesehen. Vor allem habe sich die Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht auf die Fristverlängerung verlassen dürfen, weil das erste auf Arbeitsüberlastung gestützte Verlängerungsgesuch ebenso wie gleichlautende Gesuche in zwei anderen, von der Prozessbevollmächtigten der Kläger betriebenen Berufungsverfahren, zurückgewiesen worden seien. Der Senat habe keinen Zweifel daran, dass dies der Prozessbevollmächtigten der Kläger bekannt oder jedenfalls fahrlässig unbekannt gewesen sei. Ihr sei die Zurückweisungsverfügung vom 3. Mai 2019 am 6. Mai 2019 übersandt worden. Dass sie die Verfügung nicht erhalten habe, machten die Kläger nicht geltend, obwohl sie durch eine ihnen am 1. Juli 2019 zugestellte Verfügung vom 26. Juni 2019 eigens nochmals auf die Übersendung der Verfügungen vom 3. Mai 2019 an ihre Prozessbevollmächtigte hingewiesen worden seien.
II.
Rz. 8
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, das über die Begründetheit der Berufung zu entscheiden haben wird.
Rz. 9
1. Die nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte und auch den Form- und Fristerfordernissen genügende Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Die angefochtene Entscheidung verletzt in entscheidungserheblicher Weise das Verfahrensgrundrecht der Kläger auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; vgl. BVerfG, NZA 2016, 122 Rn. 9 ff.; BGH, Beschlüsse vom 22. Juni 2021 - VIII ZB 56/20, juris Rn. 13; vom 12. Juli 2016 - VIII ZB 55/15, WuM 2016, 632 Rn. 1; vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 9; vom 30. März 2021 - VIII ZB 37/19, juris Rn. 19; vom 11. Mai 2021 - VIII ZB 9/20, NJW 2021, 2201 Rn. 28; jeweils mwN).
Rz. 10
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Kläger haben zwar die Berufungsbegründungsfrist versäumt, ihnen ist jedoch auf ihren rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellten Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie ohne ein eigenes oder ein ihnen zurechenbares Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten daran gehindert waren, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Bei seiner abweichenden Beurteilung hat das Berufungsgericht verkannt, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei der Versagung einer ersten Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist keine allzu strengen Maßstäbe anlegt. Es hat die Anforderungen an die Darlegung eines erheblichen Grundes für eine erstmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO überspannt und den Klägern daher rechtsfehlerhaft eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung dieser Frist versagt.
Rz. 11
a) Nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO kann die Frist zur Berufungsbegründung ohne Einwilligung des Gegners auf Antrag um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt. Zwar muss ein Berufungsführer grundsätzlich damit rechnen, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist versagt. Daher kann er sich im Wiedereinsetzungsverfahren nur dann mit Erfolg auf sein Vertrauen in die Fristverlängerung berufen, wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 11; vom 18. Juli 2007 - IV ZR 132/06, FamRZ 2007, 1808 Rn. 5; vom 9. Juli 2009 - VII ZB 111/08, NJW 2009, 3100 Rn. 8; jeweils mwN).
Rz. 12
b) Das ist nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im Allgemeinen der Fall, sofern dieser auf erhebliche Gründe im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO gestützt wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 12 mwN). Zu den erheblichen Gründen im Sinne dieser Vorschrift zählt insbesondere die Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten (st. Rspr.; BGH aaO; BVerfG, NJW 2007, 3342, juris Rn. 14). Dazu rechnen auch Urlaubsabwesenheit oder das Erfordernis weiterer Abstimmung zwischen Prozessbevollmächtigtem und Partei (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 2019 - X ZB 13/18, NJW-RR 2019, 1392 Rn. 12 mwN). An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden (Senatsbeschluss vom 16. März 2010 - VI ZB 46/09, NJW 2010, 1610 Rn. 7; BGH, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 42/10, NJW-RR 2011, 285 Rn. 8). Daher reicht der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung zur Feststellung eines erheblichen Grundes im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedarf (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 13; vom 20. August 2019 - X ZB 13/18, NJW-RR 2019, 1392 Rn. 12; jeweils mwN). Auf diese höchstrichterliche Rechtsprechung darf der Anwalt regelmäßig vertrauen; die unteren Instanzen dürfen aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit nicht zum Nachteil der betroffenen Parteien strengere Maßstäbe anlegen (BVerfG, NJW 2001, 812, 813, juris Rn. 12; Senatsbeschluss vom 16. März 2010 - VI ZB 46/09, NJW 2010, 1610 Rn. 7).
Rz. 13
c) Von diesen Grundsätzen weicht das Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise ab. Die Kläger haben ihr Verlängerungsgesuch vom 23. April 2019 mit dem Hinweis auf die Arbeitsüberlastung der Prozessbevollmächtigten und die noch erforderliche Rücksprache mit dem Mandanten, ihr weiteres Verlängerungsgesuch - auch zur erstmaligen Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist - vom 24. Mai 2019 mit dem Hinweis auf die akute Arbeitsüberlastung nach urlaubsbedingter Abwesenheit der Prozessbevollmächtigten begründet. Dies genügt nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung regelmäßig zur Darlegung eines erheblichen Grundes im Sinne von § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO. Indem das Berufungsgericht darüber hinaus fordert, dass die Arbeitsüberlastung unvorhergesehen sein müsse, verengt es entgegen der bestehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung die bisher formulierten Anforderungen an die Berufung auf den erheblichen Grund der Arbeitsüberlastung mit einem zudem kaum objektivierbaren Kriterium. Eine solche Einschränkung ist auch unter Berücksichtigung der von der Regelung des § 520 ZPO angestrebten Verfahrensbeschleunigung weder erforderlich noch geboten.
Rz. 14
Auch die weitere Begründung des Oberlandesgerichts, die Prozessbevollmächtigte der Kläger habe sich nicht auf die Fristverlängerung verlassen dürfen, weil das erste auf Arbeitsüberlastung gestützte Verlängerungsgesuch ebenso wie gleichlautende Gesuche in zwei anderen von ihr betriebenen Berufungsverfahren zurückgewiesen worden seien, widerspricht rechtsstaatlichen Anforderungen an die Verfahrensgestaltung. Welche Erwartungen der rechtsuchende Bürger und sein Prozessbevollmächtigter insoweit hegen dürfen, richtet sich grundsätzlich nach der Rechtslage, also danach wie das Gericht bei zutreffender Anwendung der maßgeblichen Normen verfahren müsste. Dabei ist eine bekannte Entscheidungspraxis des angerufenen Spruchkörpers zwar in die Vorausschau einzubeziehen, jedoch nur insoweit, als sie den rechtlichen Anforderungen genügt; denn auf eine rechtswidrige Spruchpraxis braucht sich der Staatsbürger nicht einzustellen (BVerfG, NJW 1989, 1147, juris Rn. 12; BGH, Beschluss vom 1. August 2001 - VIII ZB 24/01, NJW 2001, 3552, juris Rn. 12; BAG, NJW 2005, 173, 174).
Rz. 15
Soweit die Rechtsbeschwerdeerwiderung darauf abstellt, dass es sich um einen zweiten Verlängerungsantrag handele, für den strengere Voraussetzungen gälten, verkennt sie, dass im Streitfall mit zwei Anträgen um die erstmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nachgesucht worden ist.
Rz. 16
d) Der Wiedereinsetzungsantrag und die Berufungsbegründung sind rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangen. Das Hindernis zur Einhaltung der Frist entfiel mit dem Zugang des zweiten, eine Fristverlängerung rechtswidrig ablehnenden Beschlusses am 27. Mai 2019. Von diesem Tag an lief die Frist von einem Monat, um Wiedereinsetzung zu beantragen und die Berufungsbegründung einzureichen, § 234 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Diese Frist haben die Kläger gewahrt.
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